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Ausgabe:

1944

Spalte:

131

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Nicolai Stenonis Opera theologica cum prooemiis ac notis germanicae scriptis 1944

Rezensent:

Hashagen, Justus

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Seite 1

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gebunden; diese Vorstellungen aber passen nicht in die Welt ] S. 24—31) war also ernstliche Sorge um die Erhaltung der
von 1848. i lutherischen Kirche, er war wirkliche Olaubcnsnot. Es tut nichts.

Zum Schlüsse seien einige Ergänzungen zur Literatur gegeben. zur Sache, wenn unter Tausenden der Auswanderer der eine
Der bayerische Ministerpräsident v. d. Pfordten, der hier neben und oder der andere Mitläufer ist, der nicht allen Anforderungen theokv
mit seinem Könige Max II. eine recht wenig sympathische Rolle spielt, gischer Erkenntnis und moralischer Läuterung entspricht. Auf jeden
hat neuerdings eine Biographie erhalten von Eugen Franz (vgl. I Fall aber ist es unmöglich, aus diesen wenigen Ausnahmefällen
Theo!. Lit. Ztg. 1941, Sp. 352). I darauf zu schließen, daß die Auswanderer durchweg oder überwies

Nachzutragen wäre ferner zur Charakterisierung der bayerischen [ gend oder doch zu einem beträchtlichen Prozenteatz habgierige,
Parteiverhältnisse Theodor Schieder: Die kleindeutsche Partei in ! unzuverlässige, verbrecherische, faule und asoziale Elemente gewesen
Bayern in den Kämpfen um die nationale Einheit 1863—1871. (Mün- I seien, die weder die bürgerliche Ordnung noch die staatsbürgerlichen
chen 1936) Das Buch behandelt zwar, wie schon der Titel besagt, | Pflichten richtig beachtet hätten. Allerdings waren es überwiegend
eine spätere Zeit, ist aber für die bayerischen Zustände von größter Leute bescheidener mittlerer Wirtschaftslage und überwiegend auch

geringen Bildungsstandes. Auf diese Tatsache wird immer wieder
offen, auch neuerdings von Kiunke (Scheibel) hingewiesen; aber
das ist kein Grund, sie abschätzig zu behandeln (Kap. 3 S. 31—11).
Es waren tüchtige und zuverlässige Staatsbürger, deren Auszug ein
blutmäßiiger, moralischer und wirtschaftlicher Verlust für den Staat
bedeutete. Überdies aber konnten sich die Lutheraner nur schwer zur
Auswanderung entschließen. Sie waren als Preußen dem König wie-
dem Vaterlande auf das Innigste verhaftet, z. T. hatten sie 1813/14
mitgekämpft, z. T. in den Freiheitskriegen Angehörige verloren.
Sie konnten als Lutheraner über Römer 13, 1, so wie Luther das
Wort des Apostels gedeutet hatte, nicht ohne Gewissenshedniugnis
hinweg. Das Recht der Auswanderung, das jedem unbescholten«
Preußen, der seiner Militärpflicht genügt hatte, unbenommen war,
es wurde den Lutheranern nicht zugestanden und schließlich nur
unter unendlichen Erschwerungen voller Oroll und Feindseligkeiten
ingeworfen. Eine der groteskesten Erschwerungen der Auswan-

Bedeutung (vgl. Theol. Lit. Ztg. 1937 Nr. 10). Zur Politik des
Papstes Pius IX. haben wir die neueste Darstellung von Josef
S c h m i d I i n: Papstgeschichte der neuesten Zeit. Band 2. 1846—1903.
München 1934. (Vgl. Theol. Lit. Ztg. 1936 Nr. 7). Daß der höchst
bedeutsame Briefwechsel Meyendorffs von Otto Hoetzsch vorbildlich
und sachkundig herausgegeben ist, sollte wenigstens in der
Bibliographie nicht unterdrückt werden.

Berlin Otto Lerche

Nicolai Stenonis Opera Iheologica cum prooemiis ac notis
germanice scriptis ediderunt Knud Larsen et Gustav Scherz.

Tomus prior. Kopenhagen: Nyt Nordisk Forlag 1941. (XII, 508 S.) 4°.
Man kann nur statinen, daß ein erster Band der theologischen
Schriften des Autors so prunkvoll herausgegeben wird.
Denn es findet sich in dieser Edition, wenn man sie sachlich
betrachtet, viel Spreu und wenig Weizen. Die sachkundigen

Herausgeber haben das Verständnis der einzelnen Schriften war, die AufKabe« « sollte, £*" Auswandererzug ein

durch ihre trefflichen Einleitungen wesentlich erleichtert. Um , Geistlicher der renitenten Konfession begle.ten. Woher nahm man
so mehr vermißt man eine Lebensskizze und ein CharaKter- I ,de"n ,d,ese Oe.stheben.< * früher der Landesk.rche zugehörten,

bild dieses 1667 konvertierten und zur Kontroversschriftstel- |
lerei umgesattelten dänischen Arztes. Zwei weitere Hände
mit Predigten und Briefen sollen folgen. Die philosophischen
Schriften sind schon 1910 erschienen.

Wyk auf Föhr J. Ilashagen

KONFESSIONSKUNDE

Iwan, Wilhelm: Die Altlutherische Auswanderung um die
Mitte des 19. Jahrhunderts. Bd. 1. Ludwigsburg: Einhomverlag
Lothar Kallenberg 1943. (320 S.) gr. 8°. RM5-.

Wir haben in Nr. 6 des Jahrgangs 1932 dieser Zeitschrift
Iwans 1931 erschienenes Buch ,Um des Glaubens willen
nach Australien' angezeigt. Seitdem hat sich das kirchliche
Interesse in verstärktem Maße den Fragen Luthertum
und Union, Bekenntnis und Landeskirche zugewandt.

Der Verfasser trägt in seinem vorliegenden Buch weithin
dasselbe Thema vor, das er schon 1931 behandelt hat, die
Auswanderung nach Australien. Aber er dehnt seine Darstellung
auf die ganze lutherisch konfessionell betonte Auswanderung
, insbesondere auch auf die nach Nordamerika aus.

Im Einleitungskapitel ,Unk>n und Agende' wendet sich der Verfasser
scharf gegen Landesherr und Landeskirche und gegen den Darsteller
ihrer Geschichte, Erich Foerster. Je mehr wir in diese Probleme
von allen Seiten eindringen (Fischer: Nicolovius 1939, Geppert:
Union 1939, Kiunke: Scheibel 1941) umso rätselhafter wird das Verhalten
des Königs. Ist die Aussage von Max Lehmann vielleicht
berechtigt? (daß man mit dem Könige, diesem so merkwürdig aus Eigensinn
und Schwäche gemischten Charakter, nichts anfangen könne —

Stein Bd. 2. 1902. S. 397). Im Grunde seiner Seele war Friedrich Wil- dem über die ~kV,herischen Siedlungen, "die Kirchen, die' In-
helm III. Lutheraner, er war es zumal neben der Konigin, er war Streitigkeiten Hie föhrenHen Kä«Jr .... „«

Und dann hatte ja die Untersuchung aMcr Auswanderungsanträge angeblich
erbracht, daß die Geistlichen die Verführer waren. Wollte man
nun diese Verführer weiterhin ausdrücklich als die Führer der Verführten
, zumal in einem fremden Lande voller Gefahren für Leib
und Seele gelten lassen? — Wie leicht wäre es den Auswanderungs-
willigen gewesen, die Aussicht einer besseren und glücklicheren Existenz
und gute Wirtschaftsaussichten in den Zielländern als Grund für
die Auswanderung anzugeben, zumal dann, als von den Vorausgewani-
derten gute Nachrichten eintrafen und auch Oeld für die Nachreise
geschickt wurde. Die Lutheraner aber wollten ihres Glaubens leben;
die bessere wirtschaftliche Lage in der gesuchten neuen Heimat
war ihnen gewiß nicht gleichgültig, aber sie war ihnen kein Orund
für die Auswanderung, auch nicht vor Polizei und Regierung.
Schließlich setzte sich doch die Auswanderungsbewegung der Altlutheraner
durch. Die Quälereien der Befragungen und Belehrungen
durch Hoftheologen — dabei der Strauß der Glockentöne, Superintendenten
— unter ihnen gewiß beschwerten Herzens Carl Büch-
sel — und Landräte nahmen schließlich auch ein Ende, ergebnislos
und verstimmend, auch für die Auftraggeber. Auf die Auswanderung
von 1839 folgen Rückschläge und neue Erschwerungen: die Minister
sind oft ratlos, die Regierungspräsidenten können zuweilen den Elan
der gewissenhaft königstreuen Landräte nur schwer zügeln. Der Landrat
v. Stülpnagel in Prenzlau erwirbt als Verhinderer der Auswanderung
die Palme, fast aber auch die Krone der Lächerlichkeit. Es folgte
noch die große Auswanderung von 1843 und eine sich über etwa zehn
Jahre hin erstreckende Nachwanderung (Kap. 10—13). Davon, daß die
Revolution von 1848 und die durch sie ausgelöste kirchliche Unsicherheit
die lutherische Bewegung und mit ihr auch die Auswanderung
erneut angefacht haben, bringt Iwan nichts.

Auf diesen ersten Band, der vom Johann Heß-Institut in
Breslau herausgegeben ist, soll ein zweiter Band folgen, in

. neren Streitigkeiten, die führenden Männer usw., usw. berich-

es im Hinblick auf seine Untertanen — aber er konnte es nicht i , t • , P ■ ,' , . ,. 1'"""^ .,, '„ ,

sein als Hohenfier und als Chef seines Hauses. Der König stand I ^ * "C, *™ be*Ä? v^*™^™™^

in diesem Ringen ganz allein: die Hoftheologen, zunächst Sack fcffn*; ,Af0ct,le f d™ Verfasser gelingen, IMS

und Ribbeck, dann Eylert und Neander, hatten kein Verständnis für dKSe" ZW€,ten Band bald vorzulegen!

die hier aufgebrochenen religiösen Fragen; die Minister, vor allem 1 '«'an schreibt mit großer innerer Anteilnahme an seinem
Altenstein, waren vornehme Rationalisten oder Schleiermacherianer, Stoff, aus minutiöser Kenntnis der Einzelheiten heraus und
und die führenden Männer der Exekutive, Regierungspräsidenten und ' aufrichtig bemüht um die geschichtliche Wahrheit. Er verarbei-
Landräte, die vielleicht im Herzen und aus häuslicher Tradition auf I tet ein sehr umfangreiches Aktenmaterial und verfügt über
der Seite der Lutheraner standen, wußten nicht recht, wie sie den auf ! cille beachtenswerte Kenntnis weitentlegener Spezialliteratnr. Bei
diesem Gebiete so einzigartigen königlichen Eigensinn mit der büro- I a"ern Respekt vor dieser Leistung aber müssen wir doch
kratischen Ungeistigkeit des preußischen Staates in Einklang brim- l das Urteil über das erste Buch Iwans auch auf dies Zweite
gen sollten. Die Lutheraner behaupteten, sie könnten in der Union ausdehnen: es fehlt dem Buch die wissenschaftliche Gesamthal-
ibres Glaubens micht leben und sie müßten die Landeskirche vor- i t"ng, es fehlt die Weite des Blicks und es wird dem Verfasser
lassen, wenn hier die Union maßgeblich sein sollte. Der König, , nicht möglich, aus der Fülle der Einzelheiten, die er oft in erder
selbständig mach völlig freiem Ermessen handelte, versiebter«« ! müdender Wiederholung bietet, eine Übersicht oder eine Oe-
immer wieder, daß die Union das Bekenntnis nicht antaste, daß samtschau zu geben. . Es fehlt auch jede methodische Schulung,
vielmehr durch Annahme der Union jedes alte kirchliche Sonder- nicht nur im Bibliographischen.

bekenntnis in der Landeskirche geschützt sei. Wer hat Recht? ja, | I. schreibt ohne Zusammenhang mit der Landesgeschichte

wer entschied diese Frage? Der Auswanderungsgrund (Iwan Kap. 2, | und der Kirchenge^chichte. Dadurch fehlen immer wieder Be-