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Ausgabe:

1944

Spalte:

103-108

Autor/Hrsg.:

Herrfahrdt, Heinrich

Titel/Untertitel:

Die kulturhistorische Ethnologie P. Wilhelm Schmidts 1944

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aber die, welche die Güter dieser Welt erwerben, stolz auf ihren
Reichtum sind und den künftigen Gütern nicht anhängen. Vis. III,

6, 5—7 werden die reichen Christen beim Bild vom Turmbau mit den
runden Steinen verglichen, welche nicht in den Bau passen. Erst dann
werden sie für den Bau der Kirche brauchbar sein, „wenn der Reichtum
, der sie fesselt, von ihnen abgehauen ist, denn wie der runde
Stein nicht viereckig werden kann, wenn er nicht behauen wird und
etwas von seiner Masse verliert, so können die Reichen dieser Weilt
auch nicht für den Herrn brauchbar werden, wenn ihnen der Reichtum
nicht abgehauen wird" (noch schärfer Sin. IX, 31,2: Es muß aber
diese Welt samt ihren eitlen Schätzen von ihnen abgeschlagen werden,
dann werden sie in das Reich Gottes passen). Und wie rigoros dabei
der Begriff des Reichtums gefaßt wird, sehen wir daran, daß auch
Hermas, ohne Zweifel nicht zu in unserem Sinne l>egüterten Kreisen
rechnend, zu diesen „Reichen" gezählt wurde, die wegen ihres Besitzes
für die neue Welt untauglich waren. — Also auch bei Hermas
wird der Vorzug der Armut mit alier Schärfe betont. Weiter vgl.
Sim. 1,1 ff.; IX, 20; IX, 31, 1—3 u. ö. Daß Hermas mit seinen Anschauungen
nicht allein steht, zeigt deutlich etwa Barn. 20, 2, welcher
bei der Schilderung des Todesweges die Aufzählung der auf ihm
Wandelnden mit Naclvdruck schließt: jtAovofttV 7raou.x/.i|Toi. fftv^TCW
uvouoi xQtTai, juivDrtjir/.OTriTot.

Die eschatologischen Vorstellungen des Hirten sind im Wesentlichen
aus Vis. II, 2, 5 ff.; 111,4,2; 111,5,5; 111,8,9; 111,9,5; IV:
Sim. I; III; IV; V, 5, 3; VI; VIII, 8. 3 ff.; VIII, 9,4; IX, 12,3; j
IX, 19,2; IX, 20,4; IX, 21,4; IX, 26,6; IX, 32,1 zu erheben. '
Dali die Enderwartung außerordentlich lebendig ist, entspricht dem ;
apokalyptischen Charakter der Schrift. Immer wieder schärft Hermas
ein : eine einmalige Buße ist von Gott noch gestattet, unterwerft euch
Ihr bald, eilend, ehe der Bau des Turmes vollendet ist. Und wenn wir
lesen: Vis. III, 8,9 In Kürze wird der Bau des Turmes vollendet sein; I
III, 9,5 Seht hin auf das kommende Gericht und es Sim. IX 12,3 j
schon vom Erscheinen Jesu heißt fei' h-yaj(<)V tiöv {jjteQ&V xijc, ]
ouvTtÄeioj; (porveooc bfivtto, so tritt die Lebendigkeit der l'nderwartung
des Hirten und ihre Nähe zu der von Jak. deutlich hervor. Auch diese
Ansagen haben „weder irgend etwas Apologetisches noch etwas Literari- i
sches noch etwas Spekulatives an sich", wie es Kittel foidert (S. 83). ■
Wenn er aber den Vergleich von Jak. mit dein Hirten des Hermas
wegen der „apokalyptischen Tendenz einer Ausmalung des Gerichtes
und der Seligkeit" (S. 84) ablehnen sollte, so können nahezu alle an- j
deren Schriften des nachapostolischtn Zeitalters herangezogen werden,
die Lebendigkeit der Enderwartung wird sich in allen gleichmäßig zeigen.
Vgl. Did. 10,6; 16, 1—7: Barn. 4, I ■, 3, 9 (4v tat? tayt'muc. )']|i!Oc/.ic ...
rüv 6v T(T) (ivo|i(7> xuipö>); 10, II ; 19, 10; 21,3 (ty-'üc i| r||U-;oa. 4v
fl OWCDCO&ctrat Jtdvro ro> HQYn,Q$' fyyüc <> KÜoiog xai ö |U0&ö$
ftÜToö); Ign. ad Eph. 11,1 (t'oyi/Toi KflUQof) j 2. Klem. 5, 1,5; 6,6;

7, 1 ; 12, 1 ff. (i'/COE/o'jUEÖti ovv z<if>' (">ouv ti']v fWm'.t-'iuv toC' Oeoü) ;
16,3 usw. Die Eschatologie von Jak. gibt also keinerlei Stütze für die
Friihdatierung des Briefes. — Wenn Kittel übrigens Jak. 5, 5 gegen die
Deutung des fjjirou Otpayr); als allgemeinen Uuglückstages durch
Windisch (Handbuch zum NT'XV, S. 31) und Dibclius (S. 221) polemisiert
und den Ausdruck mit Hauck (Zahnscher Kommentar XVI, S. 221) I
als dramatische Steigerung der eschatologischen Aussagen von Jak nimmt,
so möchte ich doch wenigstens vorschlagsweisc die zuweilen in der alten i
Kirchengeschichte vertretene Deutung des Verses auf Jesus wieder auf- :
nehmen, Jak. 2, 6 scheint mir die Bedenken Haucks (S. 223) zu ent- j
kräften. Eine Verwendung des Verses für die Eschatologie des Briefes
ist dann natürlich nicht mehr möglich.

Zu den 26 Berührungen des Jak. mit Worten Jesu, die
Kittel feststellt, und die ohne Zweifel ein Problem bedeuten, |
wäre manches zu sagen. Nicht nur Kittels eigene Feststellung:
„keines dieser Beispiele an sich ist irgendwie durchschlagend.
Viele von ihnen sind sogar, wenn man sie für sich allein j
nimmt, ganz unerhebliche Kleinigkeiten, auf die niemand etwas ;
geben würde, wenn sie irgendwo vereinzelt stünden" (S. 90)
wäre zu wiederholen, ebenso S. 102: „man kann im Vergleich
mit den von uns aufgezeigten Herrnwort-Anklängen ein Vielfaches
an Philo-parallelen zum Jakobusbrief aufzählen". Aber
damit wäre nur ein Teil des Problems gelöst. Doch wenn Di-
bdius darauf hinweist, daß „vieles ... als Erbe israelitischl-
prophetischer wie jüdischer Religion ins Evangelium wie in |

den Jak. gekommen" ist (S. 27) und daß der Verfasser von
Jak. im selben Strom der Überlieferung wie Jesus steht, so ist
doch hier ein Weg zur Lösung der Frage gegeben, zumal
wenn man die Möglichkeit einer tatsächlichen Benutzung der
Evangelien durch Jak. ins Auge faßt. Dibeihis hält sie nicht
für wahrscheinlich (S. 28), nach dem oben über Luk. 4,25
Gesagten möchte ich sie aber doch wenigstens für diskutabel
erachten. Der Verfasser von Jak. steht als Lehrer im Zusammenhang
mit der paränetischen Tradition, welche Sammlungen
von Worten Jesu, oft auch unabhängig von den
Evangelien und nicht als Herrenworte gekennzeichnet, bewahrte.
Beispiele dafür bieten etwa 1. Klem. 13,2; 46,8; Did. 1,3 f.;
Polyk. ad Phil. 2,3; Hermas 31,1—3 (alles nicht eis yo'Vi-
sondern als y.ppioc-Zitation), womit wir wieder auf das naclt-
apostolische Zeitalter als Entstehungszeit von Jak. kämen.
Und die nicht geringe Zahl von Anklängen an die Evangelien in
den Apostolischen Vätern (Did. ca 48, Barn, ca 19, i. Klein,
ca 14, Hermas ca 52, 2. Klem. ca 30, Ignatius ca 32,
Polyk. ad Phil, ca 17), die im einzelnen hier nicht erörtert
werden können, geben ein Material, welches das von Kittel
gezeichnete Bild wesentlich verändert und seinen Argumenten
die Beweiskraft entzieht.

Nur auf eine Beobachtung sei abschließend noch hingewiesen
, nämlich auf die Schlüsse, welche sich m. E. aus Jak. 2,
14 ff. ziehen lassen. Kittel erklärt die Ansetzting von Jak. in
das Lebensende des Herrenbriiders allein schon im Hinblick
auf das Verhältnis von Jak. 2,14 ff. zu Paulus für ausgeschlossen
. Nur etwa eine ganz frühe oder eine ganz späte Datierung
sei mit Rücksicht auf 'den Abschnitt des Briefes möglich, „etwa
Mitte des 2. Jh.s, als die Fragestellungen um Paulus und seine
Theologie unscharf und undeutlich geworden waren und man
sich schon nicht mehr die Mühe gab, Paulus selber richtig
zur Geltung zu bringen. Dem könnte entsprechen, daß man
nichts ;Rechtes darüber ausmachen kann, ob der Verfasser mit
seiner Polemik eigentlich Paulus oder diejenigen, die Paulus entstellen
, meint, und ob er denn weiß, daß und wie das eine mit
dem andern zusammenhängt; schon dadurch, daß er keinerlei
Namen nennt, bleibt für uns alles merkwürdig in der Schwebe"
(S. 96). Ich glaube, daß man hier etwas weiter kommen kann.
Jak. führt 2,21-24 Abraham und 2,25—2') die Hure Rahab
als Beweis für seine These an. Die Zitierung Abrahams und
der hier in Betracht kommenden Schriftstelle Gen. 15,6 ist alt.
Paulus aber erst hat ihr Rom. 4 die bezeichnende Wendung
gegeben im Gegensatz zur bisherigen Auslegung, welche den
Glauben Abrahams als verdienstliches Werk rechnete (vgl.
Billerbeck III, S. 199 ff.). Hebr. 11 führt die paulinische These
fort, 1. Klem. 10 ebenfalls, beide allerdings in bezeichnender Modifikation
. Man ineint hier, noch paulinisch zu sein, hat sich vom
Glaubensbegriff des Paulus aber schon entfernt. Hebr. 11,
30—31 wie 1. Klem. 12 nun fügen dem von Paulus übernommenen
Verweis auf Abraham den auf die Hure Rahab zu,
eine deutliche Fortbildung des von Paulus geschaffenen Typus
(in die Argumentation des Paulus hätte das Beispiel von der
Hure Rahab nicht, bzw. nur unter einer — bei Paulus allerdings
auch sonst vorkommenden — Umdeutting gepaßt. Auf jeden
Fall hat er, wie alle anderen neutestamentlichen Schriften
vor Hebr. davon keinen Gebrauch gemacht). Und hier hinein
gehört Jak., der ebenfalls beide Beispiele bringt, auf ihnen
aber seine abweichende Anschauung aufbaut, und somit wohl
nicht nur gegen Rom., sondern auch gegen Hebr. polemisiert
. Ob er sich auch gegen 1. Klem. wendet, ist nicht sicher
zu sagen, aber durchaus möglich. In der gekennzeichneten Entwicklungsreihe
steht Jak. jedenfalls hinter 1. Klem., denn das
Mißverständnis der Anschauungen des Paulus und ihre Abwandlung
ist in Jak. noch weiter fortgeschritten. Und nur
auf dieser Basis ist ja die These von Jak. 2, 14 ff. möglidft
Stellen wir etwa Barn. 13,7 mit Barn. 4,12 und 19,1 zusammen
, so haben wir genau die Problematik von Jak. vor uns.
Und ziehen wir wieder den Hirten des Hermas heran (Sim.
VIII, 10,3; IX, 21,1-2; X,4), so stellen wir dieselbe Lösung
der Frage Glaube-Werke fest, wie sie uns der Jakobusbrief
vorträgt.

Die kulturhistorische Ethnologie P. Wilhelm Schmidts

Von Heinrich Herrfahrdt, Marburg a. d. Lahn

Pater Wilhelm Schmidts großes Werk „Der Ursprung der ! zum Anlaß genommen werden, einen Blick auf die Methode

Gottesidee" liegt jetzt bis zum VII. Band vor.1 Es soll hier zu werfen, die der Verfasser als „kulturhistorische Ethnologie"

1) P. W. Schmidt, Der Ursprung der Qottesidee. Eine historisch- ' ^r^isiert- ^nter Ablehnung des „Evolutionisint.s'' aes

kritische und positive Studie. VII. Band: Die afrikanischen Hirten- 19, Jhdts dtT alle Kulturen in etne einheitliche Entwicklung*

Völker: Härmten und Hamitoiden. Münster L W., Aschendorff 1940 llr"e VOm Niederen zum Höheren aufreihen Will, sucht P. W.

(XXIV und 864 S., 8 BL). Nach dem 1912 in 1. Aufl., 1926 in j Bd. II bis VI die Religionen der Urvölker. Bd. VII bringt hierzu im

2. Aufl. erschienenen I. Band (Historisch-kritischer Teil) behandeln Anhang einige Nachträge.