Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1944

Spalte:

85-87

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Maurer, Klara

Titel/Untertitel:

Die biblische Symbolik im Werke Paul Claudels 1944

Rezensent:

Knevels, Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

«6

Theologische Literaturzeitung 1944 Nr. 3/4

8G

abstrakten oder „statischen" Zug aufweist, so gilt es !
wieder in erster Linie, die äußere und innere Handlung
bei den Sakramenten als äußeres und inneres Oleichbild
eines Handelns Christi von seinem Kreuz her zu ver-
Stehen und dabei dem Handeln Christi möglichst plasti-
«eben oder „dynamischen" Gehalt zu geben und so
eine christologische Gesamt schau des sakramentalen
Lebens zu versuchen" (S. 102). — Im IL Teil interessiert
auf unserer Seite besonders der Fragekreis „Kultmysterium
und Urmysterium", dann „Heilsgeschichte
und Mythos" (S. 118 ff., Anmerkung), „das Opfer der
Kirche und das Opfer Christi" (S. 147 ff.), überhaupt
die Behandlung des Meßopfers. Auch in diesen Aus-
fübrungen bleibt der oben genannte Gipfelpunkt „innere
Symbolisierung" in voller Kraft; das „Kultmysterium"
wiederholt nicht die historische Gottestat, vollzieht sie
nicht von neuem, sondern setzt das „Christusmysterium"
in einer sakramentalen Seinsweise gegenwärtig. „Non in
facto, sed in mysterio". (Dabei bleibt aber die Real-
praesenz im Altarsakrament eine eigene Wirklichkeit,
nur die Opferwirklichkeit des Altarsakraments geht, wie
die Taufe, nach der Formel „innere Symbolisierung").
In diesem Zusammenhang macht S. wichtige enzyklopa-
(Usch-theologische Bemerkungen über den Unterschied
zwischen B e g r ii n d u n g der „Mysteriengegenwart" aus
Schrift und Vätertradition und spekulativer Ausnütz
u n g des so Begründeten; Odo Casels Beweisführung
für die „Mysteriengegenwart" gehört nach S.
mehr auf die Seite der „Spekulation" als auf die Seite
der „Begründung" bei alle Anerkennung der Casel-
schen Intuition. Die Methode S.s ist restlos und
sauber die des Credo, ut intelligam, seine Polemik nobel,
sein Standpunkt höher als der seiner katholischen Gegner.

Man hört bei Solingen Töne, die ohne weiteres in einer evan-
gelKchcn Dogmatik ihren Platz haben können (/. B. Tabernakel und
Ta'.iernakclfrömmigkcit ist spätmittclalterlk'he Entwickclung, aber Haus
Gottes ist zunächst die Versammlung der Ausgesonderten und Heiligen
, davon heißt dann erst der Kultraum Haus Qottes; Sakrament
und Wort gehören zusammen und biilden die eine ganze Wirklichkeit
des Kultes, die weder ohne die wirksame Qeistigkeit des Wortes noch
ohne die geistige Wirksamkeit des Sakraments besteht; christliche Versündigung
ist nicht nur Verkündigung über Christus, sondern erst
recht Verkündigung in Christus; die Kirche auf Erden als ecclesia
Cfttda; der tlieologus crucis ihr eigentlicher Theolog, „keine Vorwegnahm
der Ecclesia gloriae durch den theologus gloriae", u. s. w.).
Selbstverständlich hat S. recht, sich und die katlwlischc Sakranients-
khre trotz allem „im schneidenden Oegensatz" (S. 26) zur protestantischen
Theologie zu finden. Aber S. beschreibt diesen Gegensatz
, ausschließlich mit dem Blick auf die „Theologie der Krisis",
speziell auf den reformierten Typus evangelischer Theologie; das
lutherische Gegenstück bezieht er zwar ein, aber so, als wäre der
•ut herische Typus mir die Privateigentümlichkeit einiger Autoren (siehe
i. U. S. 24—2U mit Anmerkungen; S. 70 positive Auseinandersetzung
mit der 80. Frage des Heidelberger Katechismus, vgl.
s 154 f.). Bs fehlt uns (und so auch der katholischen Kontrovers-
tlieologrc) eine erneute Untersuchung über den Kampf der reformierten
Theologen gegen die lutherische LiturgiU des 16. und 17.
Jahrhunderts. — Die Taufe als Kampfcsweihc findet sich schon
•*» II. Cleinensbricf 7, 1 verglichen mit 6,». — Die Kritik an
Apol. xill 23 (Söhngen S. 27) übersieht zweierlei; einmal daß
I.Glaube" in evangelischer Sicht identisch ist m«t dem „Heilsstand",
'um anderen, daß das Lurhcrwort: Fides sacramenti, non sacramen-
t'Hn iustificat sich in der Apol. gegen illa fanatica opinio de opere
•Pento sine ibono motu ute litis richtet, also gegen ein
Airfgesogenwerden des opus operantis heim Sakraincntsempfang durch
^■i opus operatum des Sakraments, und daß in Aiigustins Tract. in ev.
J°h. 80,3 vom „Wort" bei der Taufe, afco der „Form" des
Sakraments, behauptet wird: non c)iiia dicitur, sed quia creditur
(mache das „Wort" die Wasserhaiidlung zum Sakramentscnipfang).

Berlin Leonhard Fendt

M«urer, Klara: Die biblische Symbolik im Werke Paul Claudes
. Diss. d. Philos. Fak. I d. Univ. Zürich 1941. (107 S.) 8°.
Paul Claudel ist von der Wahrheit des christlichen
Glaubens im Sinne der katholischen Kirchenlehre durchdrungen
. Ihn darzustellen ist der Zweck seiner Dichtung
, die dadurch mehr als Dichtung oder: weniger
als Dichtung ist. Da sich die übernatürlichen Wahrheiten
a«i ehesten in Symbolen ausdrücken lassen, ist er als

Dichter Symbolist. Aber dies eben aus religiösen, nicht
aus ästhetischen Gründen; und die Symbolistik, die weithin
Allegoristik ist, gereicht seinen Dichtungen hinsichtlich
ihres künstlerischen Wertes meist zum Nachteil. Die
Symbole, die Claudel bemufzt, sind großenteils (und besonders
in setner Spätzeit) biblische; aber nach Maßgabe
der katholischen Kirchenlehre, weshalb er auch — ob-
schon des Griechischen und wohl auch des Hebräischen
kundig — fast stets bewußt den römischen Vulgata-
Text zugrundelegt.

Klara Maurer geht der biblischen Symbolik Claudels
sehr genau nach und stellt sie in einer großen Menge
von Beispielen dar. Auch die Auffassung, die Claudel
zu einer so umfangreichen und so gearteten Verwendung
von (biblischen) Symbolen veranlaßt, wird herausgestellt.
Tatsächlich sucht Claudel hinter dem wörtlichen Sinn
der Sätze der Bibel überall noch einen anderen, eine
verhüllte Wahrheit. Da die Bibel ja für alle Zeiten
gültig sei, müßten die für bestimmte Zeiten geschriebenen
Sätze doch noch jeweils einen ganz anderen,
für alle Zeiten gültigen Sinn haben, z. B. alle Sätze
des Leviticus! Auch brauche Gott verschleierte Formen,
damit wir besser aufhorchten „toute l'Ecriture est fi-
gurative". Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus können
wir diese Bibeldeutung sowohl grundsätzlich als
auch in der ausschweifend phantastischen oder krampfhaft
ausgeklügelten Art Claudels nur ablehnen. Dabei
verkennen wir nicht, daß (echte!) Bilder und Symbole,
religiös betrachtet, einen Vorzug vor Veinunftschlüssen
: haben, zwar nicht deshalb (wie Claudel meint), weil
diese Werke unseres Geistes sind, die Bilder aber
allein bestehen könnten, sondern weil die Bilder in eine
tiefere Schicht des menschlichen Wesens dringen als
Begriffe und Urteile und die Menschen in ihre Welt
: zu ziehen vermögen (nous devenons ce qu'on nous
dit). Aber das gilt nur für echte Bilder, nicht für
I Phantastereien und nicht für allegorische Verstandesprodukte
, wie wir sie vielfach bei Claudel finden.

Als Beispiele für die biblischen „Symbole" bei Claudel
geben wir nach Klara Maurer folgende:

Ais Beispiel solcher Erklärungen möchte ich einige Stellen
anführen aus Claudels wunderbaren Ausführungen zum Buche Esther
(Aventurcs de Sophie, p. 18—51).

Der König fragt seinen Verwalter Aman: „Quc faut-il faire ä
un liomme quc le Roi desirc combler d'honneurs?" Und Aman
gibt den Rat, diesen Mann mit königlichen Kleidern und Insignien
' geschmückt im Königreich herumzuführen. Diese Ehrung fällt aber
nicht ihm selber zu, sondern dem Mardochus. Claudel deutet un*
die Symbole mit umfassender Schau: „Les vetements royaux", ce
, sont ceux dont parle 1c Prophete Zacharie. C'est l'cphod, c'est
i l'aube qui va jusqu'aux pieds et dont le livre de la Sagesse
j (18,24) nous dit quc „dans la rohe d'Aaron dont des pieds
jusqu'ä la tete il ctait cuveloppe etait tont le globe des
J terrcs", C'est l'eclat du lys iiumacule qui depasse celui de Salomou
dans sa gloire. C'est „le vetement arrosse de sang", rappelant la
tumique de Joseph dont, apres Isai'e, nous parle l'Apocaiypsc (19, Ii)
et ä qtioi s'attache le nom „Verbe de Dieu". C'est Ott habit de
! l'adoption filiale non pas fait de lin mais de lurmi-re doirt tout
( clwelien ä la suite de saint Paul desire „etre revetu par-deis-ws
(2. Cor. 5,4). Le vetement ne suffit pas, il y a la couronne,
celle que l'Epoux promet ä l'Epouse dans le Cautique de partager',
cellc qui onnbrage le front du Grand Pretre et qui se com|x>se d'ttM
lame d'or pur sur laquelle sont graves ineffacablcmcnt les deux
mots: Saint ä IXieu. „Ainsi donc tu es Roi?" Jit PHatc ji Jesus
Christ. Et le garrotte auguste repond: „Je le suis" (Maurer
S. 1b). '

Eins der letzten Dramen Claudels „Le Livre de Christophe
Colomb", ist in seinem ganzen Sinn und Gehalt getragen von dem
symbolischen Vergleich, den Claudel zwischen dem Namen des
Entdeckers Amerikas und dem Alten Testament zieht . . Christoph
Coloinhe trägt auch den Geist Qottes über die unendlichen Wasser
des Ozeans . . Wie diese Taube Noe Kunde brachte von der
neu erstandenen Welt, so kündet Columhus dem König von Spanien
von der neuen Welt, die er entdeckt hat. (Maurer, S. 19 f.).

Von der Heuschrecke wird gesagt: sie hat keinen König.
Claudel sieht darin den Gedanken, daß sie sich nicht der Führung
eines Geschöpfes der gleichen Art ergibt . . . Und weiter gibt sie
uns die Lehre, daß wir uns immer wieder über den Alltag erheben
ii Ana», um den rechten Weg nicht zu verlieren . . . Und es wird