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Ausgabe:

1944

Spalte:

61-62

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Horapollo, Hori Apollinis Hieroglyphica 1944

Rezensent:

Herter, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1944 Nr. 3/4

62

geworfen wird und einer folgerichtigen wissenschaftlichen Lösung
zustrebt.

Heidelberg W. K ö Ii I e r

Horus Apollo: Hieroglyphica. Sageio introduttivo, edizione
critica del testo e commento di Francesco Sbordonc. Neapel:
Lulei Loffredo 1940. (LXVIH, 226 S.) gr. 8". L. 80. — .

Nach einem vollen Jahrhundert hat das Büchlein des
Horapollon über die Hieroglyphen endlich wieder einen Herausgeber
gefunden, und erst jetzt hat der Text das notwendige
handschriftliche Fundament erhalten. Sbordone hat einen
ausgiebigen kritischen Apparat beigegeben, der den Benutzer
genau orientiert und ohne weiteres in den Stand setzt, an
der Gestaltung des Wortlauts weiterzuarbeiten; einiges Nähere
habe ich im Rhein. Museum XCII 1943, 26 ff. dazu ausgeführt.
Neben einer systematischen Erörterung verschiedener Hauptprobleme
des Werkes in der Einleitung hat der Herausgeber
auch einen dankenswerten Kommentar geliefert, in dem er einerseits
durch Vorlage von Parallelstellen die Angaben Horapollons
in den Strom der griechischen Tradition hineinstellt und andererseits
mit einer für einen klassischen Philologen erstaunlichen
Sachkunde unter gewissenhafter Ausnutzung der ägyp-
tologischen Literatur und mannigfacher Vorschläge v. Bissings
um die Identifikation der Zeichen und die Erklärung ihrer
Deutungen bemüht ist.

Der angeblich aus dem Koptisclien übersetzte Traktat HorapoV
Ions hatte seine große Zeit, als die Humanisten auch der ägyptischen
Urweisheit ihr Interesse zuwandten; wie ihre Beschäftigung
mit den Hieroglyphen, die sich in erster Linie oben an Horapollon
orientieren mußte, auf die Allegorie der Zeit gewirkt hat, ist von
K. Qiehlow verfolgt worden (Die Hieroglyphenkunde des Humanismus
in der Allegorie der Renaissance, besonders der Ehrenpforte Kaisers
Maximilian I., Jahrbuch der Kunsthist. Samml. des Kaiserhauses XXXII
1, Wien/Leipz. 1915). Schade, daß Sbordonc diese kenntnisroiche
Arbeit entgangen ist und mit ihr nicht nur manche wichtigen Data
zur Geschichte verschiedener Handschriften, sondern auch die lateinische
Ubersetzung des 1. Buches von Willibald Pirkheimer mit den
reizvollen Illustrationen Dürers, erhalten im Cod. 3255 der Wiener
Staatsbibliothek, wahrscheinlich dem Exemplar, das Pirkheimer dem
Kaiser Maximilian in Linz im April 1514 überreicht hat (yr. da/u
zuletzt, worauf mich O. Tröscher hinweist, Ed. Flechsig, Alibrecht
Dürer II, Bcrl. 1931, 289 f.). Die Versuche der Enträtselung der
Hieroglyphen mit Hilfe der griechischen Quellen kulminierten im
17. Jhdt., aber schon im 18. Jhdt. begegnete die Glaubwürdigkeit
Horapollons schweren Zweifeln, und als das ersehnte Ziel auf anderm
Wege endlich erreicht war, wurde es klar, daß er ganz falsche Vorstellungen
von dem Charakter der normalen Hieroglyphenschrift erweckt
hatte. Immerhin hat sich im Laufe der Zeit sein Kredit doch
wieder gehoben, da sich die Liste der von ihm richtig beschriebenen
und gedeuteten Zeichen allmählich hat vermehren lassen; man hört
«s gerne, daß Sbordone auch für die Zukunft noch weiteren positiven
Ertrag für die Ägyptologie von ihm erhofft.

Aber Horapollon ist und bleibt ein Zeuge der Spätzeit, die in
der Hieroglyphenschrift niemals phonetische Zeichen, sondern ausschließlich
Bilder suchte und diese nicht nur im eigentlichen Sinne,
sondern auch in übertragenen Bedeutungen verstand. Die Oründe für
diese Bedeutungen gibt er im Geiste des philosophischen Symbolismus
und naturkundlichen Okkultismus, der schon lange vor ihm dies
Gebiet erobert hatte. Der letzte repräsentative Vertreter dieser Art
war der Vorsteher des alcxandrinischen Museums und Lehrer Neros
Chairemon gewesen; leider hat Sbordone die gute Sammlung der
Fragmente dieses Mannes von H.-R. Schwyzer, Lpz. 1932 (Bonner
,,Klass.-Phi!oI. Studien" IV), übersehen (vgl. noch C. Wendel, HerrneS
LXXV 1940, 227 ff.). Ich zweifle nicht daran, daß Horapollon den
Chairemon noch direkt benutzt hat, ohne freilich schlechthin einen
Extrakt aus seinen 'iFftoy^inpiv.« zu geben, denn es lassen sich
Diskrepanzen feststellen (I 25 und fi2 gegen fr. 13,7 und 11 Schw.V
Durch Cha iremon ist ihm allerhand Material zugekommen, das von
dessen Amtsvorgänger Apion und weiter zurück von Manetho und
von dem Demokriteer Bolos stammte. Natürlich wird er sich auch
spätere Bearbeitungen des Stoffes zunutze gemacht haben; Sbordones
Hypothese, daß das I, Buch im wesentlichen nur die publica matenes
einer Liste wiedergebe (ähnlich II 1 30), ist mir zu einfach.

Offensichtlich hat Horapollon das Koptische verstanden, a>ber sein
Büchlein steht völlig in der Tradition der griechisch geschriebenen
Literatur über Ägypten, und so hat die von Schwyzer und Sbordone
erneuerte Vermutung Früherer viel für sich, daß es nie koptisch,
sondern von vornherein griechisch abgefaßt war. Jener Philippos,
der sich im Titel als Übersetzer vorstellt, ist danach ein Bearbeiter
gewesen; ihm wird man nach einer bereits von C. Lecmans geäußerten
Vermutung den zweiten Teil des Bttches II von Kap. 31
n"h .7"schrfiihen- der einen ganz andern Charakter trägt als das
"nnge: hier handelt es sich um reine Erfindungen von Bildhiero-

glyphen auf Grund zoologischer Gegebenheiten, die der Verfasser
im wesentlichen einer hellenistischen Sammlung, wenn nicht z. T.
sogar der Tiergeschichte des Aristoteles direkt entnommen hat (Sbordonc
LH), freilich nicht ohne Mißverständnisse, Irrtümer, Widersprüche
zu früheren Kapiteln und auch willkürliche Erfindungen
(besonders II 38). Auch im Hauptteile der Schrift ist das naturkundliche
Interesse stark und dominiert auch in der Erklärung
( religiöser Phänomene wie der Verehrung der Fuchsgans I 53, die
i ebenso wie bei Ailian. nat hist. X 1b auf ihre von den GriAhen
gerühmte aufopfernde Liebe zu ihren Jungen zurückgeführt wird.
Manchmal wird überhaupt kein Bezug auf Kultverhältnisse genommen,
auch wo es so nahe gelegen hätte wie bei der Besprechung von
Stier und Bock I 46. 48. Die aOte ägyptische Religion ist zu
Horapollons Zeit durch das Christentum weit in den Hintergrund
gedrängt: sie lebt noch vom Symbolismus — und vom Aberglauben.
Bonn Hans Hertel-

ALTES TESTAMENT

Lindblom, Job.: Boken om Job och hans Lidande. Ltmd:
C. W. K. Gleerup 1940. (373 S.) 8°.

Dieses neueste Werk des Lunder Alttestamentlers ist kein
Kommentar, sondern eine überaus vielseitige und gediegene
Monographie zum Hiobbuch, ein Gegenstück zu derjenigen
von Emil O. Kraeling, The Book of the Ways of Oöd (1038),
und gerade für den Fachmann noch reichhaltiger und ergiebiger
als diese. In neun Kapiteln werden die Probleme des
Buches sachkundig und lebendig behandelt: I. Das Hiobbuch
und die Weltliteratur (Nachwirkungen und Parallelen, die Geschichte
der Satansgestalt). — II. Die Hioblegende (Schauplatz
und Stoff edomitisch; lange vor Ezechiel übernommen, die
jetzigen Dialoge verdrängten ein Gespräch, worin die Freunde
ihn gegen Gott aufreizen wollen und er ihn verteidigt, daher
42, 7 und vielleicht Reste in c. 27; in Israel dann die Satanszene
und die Untersuchung durch die Frau dazu gekommen; die
Weiterbildung in der jüdischen, christlichen und islamischen
Legende). — III. Die Dialoge (etwa im 4. Jahrh. entstanden,
haben auch sie ihre Geschichte durchgemacht; die Umstellungen
Torczvners und die starken Ausscheidungen Baumgärfels
, denen Kraeling wenigstens teilweise beipflichtet, sind
abzulehnen, aber c. 28, die Elihureden und die zweite Gottesrede
sind später zugefügt). — IV. Das Problem des Hiobbuches
und seine Vorgeschichte (nicht das Problem des Leidens im
allgemeinen, sondern speziell das des Gerechten, das im alt-
testamentlichen I.ebensbegriff wurzelt und im A. T. auch andere
Behandlungen und Lösungen findet). — V. Die Freunde
(ihre Haltung gegenüber dem Volksbuch verändert; Versuch die
Drei zu differenzieren). — VI. Hiob in den Dialogen (vertritt
gegenüber dem Dogma der Vergeltungslehre die Wirklichkeit
des Lebens, darum in der Haltung nicht ganz einheitlich und
geschlossen; seine Krankheit ist Aussatz S. 141 f. 357f.; c. 3
ist ein älteres Gedicht aufgenommen; IQ,25ff. blicken nicht
über den Tod hinaus; der Gedanke demütiger Unterwerfung
wird mehrmals gestreift, aber Hiobs Wandlung ist absichtlich
auf den Schluß verspart, in den Reden ist er nur der Angefochtene
und Kämpfer). — VII. Gottes Auftreten und die Lösung
des Problems (die Gottesszene gehört von jeher zur Dichtung,
aber des Dichters Lösung wird nirgends ausdrücklich mitgeteilt,
sie muß erahnt und selber zusammengesucht werden; es wird
nicht die Vergeltungslehre als solche, sondern nur ihre dogmatische
Form bestritten; Vergleich mit dem gefesselten Prometheus
, der _griechischen Tragödie und dem Buddhismus).

— VIII. Hiob und Faust (ein ideengeschichtlicher Vergleich).

— IX. Das Hiobbuch als Kunstwerk und Kulturdokument
(kein Drama, sondern Verbindung einer epischen Prosaerzählung
mit einem lyrischen Dialog; auch die Form der Gerichtsverhandlung
spielt hinein, darf aber — so auch Kraeling
S. 227 — gegenüber dem Ge^amtcharakter als Weisheitsdichtung
nicht überschätzt werden; die vorausgesetzten Lebens- und
Kulturverhältnisse; Pflanzen- und Tierwelt; die Vorstellungen
von Leben und Tod; Schöpfung und Weltbild, die Gestirne). —
Wenn es dessen noch bedürfte, zeigen die 18 Seiten Anmerkungen
den weiten Umfang der herausgezogenen und beherrschten
Literatur, auch derjenigen in deutscher, französischer
und englischer Sprache.

Man vermißt nur weniges: zu S. 106 ff. (Individualismus) Hempels
„Ethos des A. T." S. 32 ff., zu S. 276 f. L. Köhlers „Hebräische
Rechtsgemeinde" (1931); c. 31 (S. 148 f.) sähe man gern in den
Zusammenhang von Pettazzonis ,,Cnnfcssione dei peccati", speziell
Bd. II (1935) S. 170 ff., gestellt, und hei der Rahmenerzählung ließe
I sich da« Motiv der Wette durch das internationale Erzählgtit ver-
I folgen: Wette um die Treue des Knechts, s. A. Aarne, Verzeichnis