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Ausgabe:

1944

Spalte:

29

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Theiler, Willy

Titel/Untertitel:

Die Chaldäischen Orakel und die Hymnen des Synesios 1944

Rezensent:

Früchtel, Ludwig

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2!'

Theologische Literaturzeitung 1944 Nr. 1/2

30

Büchern gehört, von denen der Verfasser im Vorwort bedauert,
daß sie unter den gegenwärtigen Verhältnissen ihm in den Niederlanden
nicht erhältlich waren.

Bonn A. Baumstark

Theiler, Willy: Die chaldäischen Orakel und die Hymnen
des Synesios. Halle: Niemeyer 1942. (41 S.) 4° = Schriften d.
Königsberger Gel.-Oes. Oeisteswiss. Kl. Jahr 18, H. 1. RM 3.60.

Daß die sogenannten chaldäischen Orakel (Reste gesammelt
von W. Kroll, de oraculis Chaldaicis, Breslau 1894) auf die
metaphysischen Vorstellungen in den Hymnen des Synesios
von Kyrene eingewirkt haben, ist gelegentlich schon von früheren
bemerkt worden; der um die Forschung des Neuplatonismus
verdiente W. Theiler ist jetzt der Sache schärfer nachgegangen
und führt in der vorliegenden Abhandlung den gründlichen
Nachweis, daß die Heranziehung der neuplatonischen Aus*
beutung und Ausdeutung jener Orakel für die Interpretation
der Hymnen des Kyrenäers unentbehrlich ist. Die aufschlußreiche
Schrift bietet aber über diese engere Zielsetzung hinaus
wertvolle Einblicke in die Entwicklung einzelner Oedankenmotive
bei den Neuplatonikern von Porphyrios bis Damaskios.

Th. geht von der Herkunft der chaldäischen Orakel aus,
die mit dem Anspruch göttlichen Ursprungs als eine einem
Theurgen luUanos (unter Mark Aurel; jener war der Sohn
eines gleichnamigen Philosophen und Theurgen) gewidmete
Geheimoffenbarung auftauchen; die eigentliche Verfasserschaft
ist unsicher, aber wenigstens für einen Teil der Orakel wird
mit der Urheberschaft des besagten Julianos zu rechnen sein.
Diesen Orakeln widmeten die Neuplatoniker eifrige Studien;
sie scheuten sicli nicht kühn in sie ihre eigenen Spekulationen
hineinzudeuten. So trugen sie ihre verwickelten Tria-
dierungstendenzen an die Orakel heran, auch wo diese nur
von einer Zweiteilung wußten; im obersten geistigen Bereich
kannten die Orakel eigentlich nur eine göttliche Zweilieit,
Ttrm'ip (= xqokoc voOc) und vove (Sfvtfooc). Auf diese
neuplatonischen Trinitätslehren gründen sich nun aber die
theologischen Denkfonnen bei Synesios; seine Oottesprädikatc
stammen aus den neuplatonischen Orakeldeuttingen, seine Logosauffassung
ist an der neuplatoniseheu Lehre von kq<6o-
Soc - e.TinTQO(f i'| - |iovi'| orientiert, der hl. Oeist wird mit dem
weiblichen Wort icvotri bezeichnet, als Analogon der weiblichen
<Viv(qu- der Chaldäeij der Rhea bezw. Hekate. Neu-
platonisch ausgerichtet sind ferner das kosmologische Denken,
die Vorstellungen über die Verzweigung der Lebenskräfte auf
der Welt, die Abstiegsreihe der innerweltlichen Oötter und
Geister, das Schicksal der Seele. Für all diese Dinge bringt
Th. überzeugende Belege vor. Als Vermittler, durch den
Synesios auf die Orakel aufmerksam wurde, nimmt er mit
Recht Porphyrios an, ohne jedoch eine Benutzung späterer
Neuplatoniker zu bestreiten; für die poetische Formung denkt
er an die Benützung rdchtchristllch-philosophlscher und c'urist-
lirh-gnostischer Hymnen.

In der sauber gedruckten Schrift sind nur wenig Fehler aufgefallen
. Bemerkenswert: S. lf> letzte Z. ö|iuaToc und S 19 Z. 16
alctVoßU und VO&V si"J unter dem Einfluß des metrischen Ikfus
entstanden; S. 9 A. 1 lies divinitate statt trinitate; S. 1 A. 1
steht zweimal Oeokovoc ebenso S. 23 Z. 7 ÜEÖloym statt
■ftro?.övoc bezve. -Ol, S. 24 A. 1 ürrrnävouoi statt arrrpovount.

Nürnberg Ludwig Früchte!

Di et sehe, Wilhelm: Didymus von Alexandrien als Verfasser
der Schrift über die Seraphenvision. Untersuchungen zur Urheberschaft
des sogenannten Anecdoton von Amelli. Als Manuskript gedruckt
. Freiburg i. Br.: Arnold H. Bliimer 1942. (III, 110 S ).
Vf. erörtert einen Hieronymus-Text, der am besten von
G. Morin O. S. B. herausgegeben wurde (Anecdota Mared-
solana III 3, 1903, S. 103 ff.); eine deutsche Übersetzung
brachte Ludwig Schade in der Kemptener Bibliothek der
Kirchenväter (Hieronymus, I, 1914, S. 225 ff.). Das Schriftstück
ist für die geistige Entwicklungsgeschichte der Kirche nicht
unwichtig: es behandelt die Frage der Engel mit großer
Ausführlichkeit; bedeutsamer ist, daß es mitten in den Streit
um Horigenes hineinblicken läßt. So versucht der Vf., dem
Texte einen bestimmten Platz anzuweisen: er macht wahrscheinlich
, daß er auf Didymos den Blinden von Alexandrien zurückgeht
, also noch dem vierten Jahrhundert angehört.

D'c Beweisführung kann nach Lage der Dinge nicht zu
bindenden Schlüssen führen. Aber der Vf. hat mit gutem
Erfolg Wahrscheinliclikeitsgründe aus allen Gebieten zusammengebracht
; er hat auch im voraus Schwierigkeiten gesehen
, die sich ihm entgegenzustellen scheinen, und auf sie
Rücksicht genommen (Stellung zu Horigenes). Dabei kam

ihm zustatten, daß Didymos in neuerer Zeit zweimal genauer
untersucht wurde: außer meiner Jugendarbeit (1905) ist das
Buch von Bardy (Didyme l'Aveugle 1912) benutzt. Erschwert
wird der Beweis dadurch, daß der griechische Urtext verloren
ging: die lateinische Übersetzung mag im allgemeinen zuverlässig
sein; aber es ist im Einzelfalle meist unmöglich, das mit
Sicherheit nachzuweisen.

Oroßpö?na bei Leipzig Job. L e i p o 1 d t

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATION UND GEGENREFORMATION

Köhler, D. Dr. phil. et |ur. Walther, Prof. a. d. Univ. Heidelberg:
Zürcher Ehegericht und Genfer Konsistorium. II ■ Das Ehe-
und Sittengericht in den süddeutschen Reichsstädten, dem Herzogtum
Württemberg u. in Genf. Leipzig: M. Hcinsius 1942. (X, 689 S.) 8° =
Quellen u. Abh. z. Schweizer. Reformationsgesch. Bd. X (XIII d. ganzen
Sammlung) II. Teil. RM 28—.
Dem 1932 erschienenen ersten Bande, der das Zürcher Ehegericht
und seine Auswirkungen in der deutschen Schweiz zur
Zeit Zwingiis behandelte, ließ Köhler einen zweiten, abschließenden
Band folgen. Derselbe behandelt das Ehe- und Sittengericht
in den von Zwingü beeinflußten süddeutschen Reichsstädten
Ulm, Konstanz, Eßlingen, Memmingen, Lindau, Isny,
Biberach, Reutlingen, Kempten, Ravensburg und dein besonders
wichtigen Straßburg, faßt auch das Herzogtum Württemberg
ins Auge und gipfelt in der Darstellung der Dinge im Genf
Calvins. Die Linie von Zürich nach Genf aufzuzeigen, war
ja eine der Hauptaufgaben, die sich Köhler gestellt hatte.
Köhler verarbeitet auch in diesem Bande, wie man das bei
seinem unermüdlichen Forschcreifer gewöhnt ist, ein erstaunlich
großes Quellenmaterial, das er besonders aus den Archiven der
genannten Städte gewonnen hat. I eider mußte Köhler gerade
für Genf, da Originalakten von dort nicht nach auswärts
verschickt werden und ein Arbeiten an Ort und Stelle nicht
möglich war, sich auf Aktenauszüge beschränken, die einst
Kramer gemacht hat, die aber glücklicher Weise die Gewinnung
eines klaren und eingehenden Bildes ermöglichen.

Köhler hat auch in diesem Bande die Resultate seiner
Quellenforschung in satter Fülle ausgebreitet. Er schildert die
Begründungsgeschichte der genannten Gerichte an den verschiedenen
Orten, samt ihrer Vorgeschichte, z. T. bis zu den Ansätzen
dazu in der mittelalterlichen Stadt hinführend. Er
schildert auch die nicht zur Durchführung gekommenen Pläne
und Vorschläge, die oft sehr aufschlußreich für die Erfassung
der Motive sind und die zeigen, wie lange oft um die Durchführung
gerungen wurde, und die Wandlungen, die diese
Institutionen durch die Kämpfe verschiedener Tendenzen durchmachten
. Er behandelt ihre Organisation, ihre rechtlichen
Kompetenzen, ihre Grundsätze und die Strafen, die sie verfügten
, oft erläutert an Einzelfällen. So enthält das Werk ein
reiches ortsgeschichtliches, eherechtltches und sittengeschicht-
liches Material.

Besonders ist Köhler, wie schon im ersten Bande, so auch
hier, für die kirrhengeschichtlich und juristisch zentrale Frage
nach dem Verhältnis dieser Gerichte zur Kirche einerseits,
zur staatlichen Obrigkeit andererseits interessiert. Fast überall
lagen diese Gerichte in den Händen der staatlichen Obrigkeit.
Dahinter stand die von Köhler eindringlich aufgezeigte Auffassung
der Reformationszeit vom christlichen Charakter des
ganzen Gemeinwesens und seiner Obrigkeit. Die Obrigkeit
als christliche Obrigkeit war es, die, zuweilen In Verbindung
i mit kirchlichen Instanzen, für die christliche Sittlichkeit sorgte.

Dagegen hatte die Obrigkeit und das hinter ihr stehende Bür-
: gerttim fast überall Abneigung gegen eine selbständige Kircnen-
zucht in Händen der Kirche, am allermeisten gegen eine Aufgip-
felung derselben im Kirchenbann. Davon befürchtete man ein
neues Papsttum. Besonders entschieden siegte diese Tendenz
in Konstanz, wo es überhaupt keine kirchlichen Zuchtbehörden
gab, sondern das Ehegericht direkt von der staatlichen Obrigkeit
, das Sittengericht durch von ihr eingesetzte ,,Zuchtherren"
ausgeübt wurde. An einigen Stellen, z. B. in Memmingen und
Ulm, entstand, wie es die wichtigen Memminger Beschlüsse
von 1531 vorgesehen hatten, ein eingeschränktes kirchliches
Zuchtrecht wenigstens neben dem staatlichen.

Den entschiedensten Versuch, eine Kirchenzucht in der
Hand der Kirche aufzurichten, machte Bucer In Straßburg.
Auch er scheiterte, was Köhler eingehend darlegt, aus den genannten
Gründen. Bucer hatte zunächst ernste Kirchenzucht
in Verbindung mit dem Magistrat zu erreichen versucht.
Da der Magistrat dazu nicht zu haben war, „weil man die Welt