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Ausgabe:

1944

Spalte:

277

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Redlich, Roman N.

Titel/Untertitel:

Die Amazonensarkophage des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. 1944

Rezensent:

Weigand, E.

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rettete Seele oder den geretteten Sünder bedeuten mußte, endgültig
befreit und in den großen Zusammenhang der abendländischen
Kunst- und Religionsgeschichte hineingestellt. Damit
ist die Arbeit ein neues Beispiel fruchtbarer und zukunftsträchtiger
Forschung auf dem Oebiet der christlichen Archäologie
.

Gießen Oearg Bertram

Redlich, Roman: Die Amazonensarkophage des 2. und 3.
Jahrhunderts n. Chr. Herlin: Areh. Inst. d. Dt. Reiches 1042. 125S.,
12Taf. er. 8* = Schriften zur Kunst des Altertums Bd. 4. RM 7.60.
In der großen Masse der heidnischen Sarkophage der
römischen Kaiserzeit heben sich als besondere Klasse die
mythologischen Sarkophage heraus, die eine eng begrenzte
Zahl von Themen in den Dienst der spätheidnischen Gräberkunst
stellen und ihnen so zu einer Spätblüte verhelfen,
die von der hadrianischen Zeit bis in den Anfang des 4. Jh.
reicht. Obwohl sie sich in der Hauptsache eines fertig überlieferten
Tvpenvorrats bedienen, dessen Verwendung der technischen
Mache mehr Spielraum läßt als der künstlerischen
Gestaltungskraft, kommt doch auch das zeitgenössische Stilwollen
soweit zur Geltung, daß die künstlerische Entwicklung
der Reliefsarkophage und in ihr die Eigenart eines wichtigen
Zweiges der kaiserzeitlichen Skulptur deutlich erkennbar
wird. Die vorliegende Arbeit, die aus der Schule G. Roden-
waldts und F. Gcrkes hervorgegangen ist, gelangt für das
Sonderthema der Amazonensarkophage durch eingehende Untersuchungen
zu wertvollen Ergebnissen; indem sie die verschiedenen
Entwicklungswege räumlich und zeitlich klar abgrenzt
, erzielt sie gut begründete Datierungen, bestätigt und ergänzt
die schon anderwärts gewonnenen weiterreichenden Erkenntnisse
über die Oesamtentwicklung. An der künstlerischen
Aufgabe sind so gut wie ausschließlich im Osten griechische,
in erster Linie athenische, und im Westen stadtrömische
Werkstätten, abgesehen von vereinzelten provinziellen Erzeugnissen
, beteiligt; das sonst in der Sarkophagknnst wichtige
Kleinasien fällt als selbständiges Erzeugungsgebiet in dieser
Gruppe aus. Die Entwicklung geht zwar von Athen aus,
jedoch verfolgen Griechenland und Rom im 2. Jh. in gegenseitigem
Geben und Nehmen einen ähnlichen Weg. Erst vom
ausgehenden 2. Hl. ab ändert sich das Bild: während Griechenland
den alten Kompositionstyp in zunehmender Erstarrung
beibehält, gestaltet Rom das Thema in durchaus selbständiger
Weise zu einer Zentralkomposition um, bei der das
gesamte Geschehen um den neu geschaffenen Mittelpunkt —
Achill und Penthesilea — kreist, und gewinnt so dem Thema
seine letzte Entfaltungsmöglichkeit Im Rahmen der Sarkophagkunst
ab. Daraus ergibt sich eine allgemeinere Schlußfolgerung
, die auch für die Frühchristliche Kunst Geltung gewinnt:
die in der kunstgeschichtlichen Forschung der letzten Jahrzehnte
, insbesondere von Slrzygowski und Wulff nebst vielen
Nachbetern, vertretene Auffassung von der völligen Passivität
und Unfruchtbarkeit Roms ist falsch; Rom ist selbst da, wo
es von der griechischen Tradition völlig abhängig erscheint,
nicht passiv, sondern bringt seine Eigenart im Laufe der Entwicklung
kraftvoll zur Geltung.

Die Arbeit ist jedoch bei all ihrer Tüchtigkeit nicht zu
einer in sich gerundeten Behandlung des Themas geworden,
da sie der Untersuchung fast nur die figürlichen Motive
und Kompositionstypen zugrundelegt und den Benutzer zwingt,
sich die Unterlagen für die Beurteilung anderer Seiten der Aufgabe
selbsi zu beschaffen, obwohl sie leicht hätten eingefügt
werden können. So hätte einleitend in aller Kürze der Mythos
behandelt werden sollen, ferner die Frage, was der Verf. unter
„griechischen" und „römischen" Sarkophagen versteht, zumal
da er an einer Stelle bei der Besprechung eines Sarkophages
in Saloniki (S. 65) die verwirrende Auffassung vertritt, es
könnte ein nach Tektonik, Ornament und plastischem Stil
„griechischer" Sarkophag lediglich durch die Übernahme eines
Kompositionsmotivs zu einem „römischen" werden. Hierher
gehört auch die ungleichmäßige Berücksichtigung und I5ctonung
der kunstgeschichtlich richtungweisenden Herkunftsfrage der
einzelnen Sarkophage: wiederholt werden wichtige Stücke nur
mit der Nummer im Robert'scher Sarkophagkorpus eingehend
behandelt, ohne daß wir erfahren, daß z. B. der Sk. 69
in Paris aus Saloniki, der Sk. 110 in London aus Saida-Sidon,
der Sk. 130 in Wien aus Lykien stammt, Aufschlüsse, die
nur aus dem nicht überall zugänglichen Text bei Robert
zu erholen sind; da ein selbständiger Bilderanhang beigegeben
ist, der sich nicht auf die neugefundenen Stücke beschränkt,
hätte R. sich und uns nicht mehr, als unbedingt nötig, von dem
immer schwer zu handhabenden Korpus abhängig machen
sollen.

Prag E. Wcigand

S YSTEMA TISCHE THEOLOGIE

Siegfried, Prof. D. Dr. Theodor: Das Protestantische Prinzip
in Kirche und Welt. Halle: Akademischer Verlag 1939. XV, 528 S.
gr. 8° = Theol. Arb. z. Bibel-, Kirchen- u. Geistesgeschichte, hrsg. von
E. Bnrnikol. VIII. RM 15.80.

Der Titel des Buches nimmt mit dem Wort „Prinzip"
i einen heute fast verschollenen Lieblingsbegriff des 19. Jahr-
' hunderts wieder auf. Seine singularische Anwendung läßt ver-
' muten, daß die Lehre des vorigen Jahrhunderts von den
: „Zwei Prinzipien des Protestantismus" korrigiert werden soll,
i Eine Äußerung des Verfassers hierüber ist allerdings zu ver-
I missen — leider, denn es ist sonst in der deutschen Wissen-
! schaff nicht üblich, ein oft behandeltes Thema so,zu erörtern,
als wäre es eben erst entdeckt worden. Tatsächlich bewegt
i sich die ganze Untersuchung im Raum des „Mnterinlprin-
I zips" der älteren Theologie. Jedenfalls ist von ihrem „Formal-
j prinzip" überhaupt nicht die Rede, auch nicht in der Form
i der Kritik. Die Ausführungen, die sich an einer späten Stelle
I des zweiten Teils — „Dritter Abschnitt, 2. III, 3. c" — über
1 das „Wort Gottes" finden, können nicht als Ersatz gelten,
I weil dort dem „Wort", das jener älteren Auflassung vom
i „Protestantismus" als „Prinzip" galt, nur eine Bedeutung
i a posteriori beigelegt wird.

Der erste Hauptteil des Buches Unternimmt es, unter dem
j Titel „Glaube und Welt" das gesuchte Prinzip aus der Theologie
Luthers zu entwickeln. Hier ist allerdings auch bereits
einmal vom „Wort" die Rede und zwar ebenfalls a posteriori,
j Wenn es hier im Sinne Luthers mit dem „Christusbild"
i gleichgesetzt wird (S. 92 ff.), so kann man das gelten lassen,
i Nur müßte dann auch gesagt werden, daß es noch andre
j Beziehungen Luthers auf das Wort gibt, und es wäre zu be-
i gründen, weshalb man diese andern Beziehungen für neben-
I sächlich oder für „unprotestantisch" hält. Im übrigen läßt sich
) das hier vertretene Luther-Vers'.ändnis etwa dahin zusammen»
] fassen, daß in das wesentlich ethizistisch gesehene I.uther-
i bild der Schule Albrecht Ritschis die inzwischen neu entdeckte
j theologia crucis des jungen Luther eingebaut wird. Daß auf
j diese Weise die einseitige Kanonisierung des jungen Luther,
die wir zwischen den beiden Weltkriegen erlebt haben, verlassen
wird, bedeutet einen erheblichen Fortschritt. Ebenso ver-
I dient Anerkennung, daß der Verfasser dem Offcnbarungs«-
I begriff keine größere Bedeutung beilegt, als ihm in der Theo-
; logie Luthers zukommt.

Die Einheit und Ganzheit des protestanti,then Prinzips
wird in diesem Teil in der folgerichtigen Verknüpfung von
, Buße und Rechtfertigung mit dem Dienst an der Welt gefunden.
; Der Luthersche Begriff der Gelassenheit bildet dabei ein wichtiges
Verbindungsglied. Der Verfasser ist bemüht, den überlieferten
Begriffen an Stelle der schulmäßigcn Blässe eine neue
Sinnfülle zu verleihen. Sünde ist Losgerissenheit von der Heilsmitte
, der Zwiespalt mit Gott, der alles Wollen und Sein des
: Menschen spiespältig macht. Buße ist Umkehr und Wende
I der Existenz. Gott begegnet im Dunkel. Leiden und Sterben
j werden zum Ort der Gottesnähe. Im Zeichen des Kreuzes
wird das Suchen der Liebe Gottes erlebt. Im Ringen des
Glaubens mit dem Unglauben gewinnt der Glaube dadurch
die Oberhand, daß Christus geschaut und wirksam wird. Rechtfertigung
ist vom Christuswirken nicht zu trennen. Durch
die Umkehr zu Gott wird „ein neues Selbst gestillet",
das nicht mehr um sich selbst kreist, sondern „Sein zu Gott"
und „Überantwortung an Gott" ist. (Die S. 169 zitierten Stu-
. dien zur Theologie Luthers haben nicht E. Stange, sondern
| C. Stange zum Verfasser).

Indessen wird das Hauptgewicht offensichtlich auf die
„Wendung zur Welt" gelegt. „Welthaftigkeil" der neuen Existenz
und der „Heilsgemeinschaft" ist das eigentliche Thema.
Wendung zur Welt soll nicht etwa nur ethische Folgerung aus
der Heilsgewinnung sein. Vielmehr sollen alle theologischen
; Begriffe nur so viel Wirklichkeitswert haben, als sie auf konkrete
Lebensvorgänge, also „welthaft" anwendbar sind. In
dieser Absicht trifft der Verfasser mit den Dialektikern in
ihrer ersten Phase zusammen, soweit diese durch die Blum-
i hardts bestimmt waren. Im übrigen steht er aber, entspre-
' chend seinen früheren Veröffentlichungen, zu ihnen in scharfem
Gegensatz. Die Abieitimg der Entzweiung von Gott
und Welt aus dem Kreatui Verhältnis wird von ihm folgerichtig
bekämpft. Wenn er hier den Gegner regelmäßig als
„die dialektische I hcologie" bezeichnet, so wäre es billig gewesen,
, üogarten davon auszunehmen. Denn die umsichtigste Kritik
an der unchristlichen Entgegt, etzung von Gott und Welt
i ist doch in Oogartens Buch ,.Gericht oder Skepsis?" geübt
worden. Wie mch diesem Buche noch behauptet werden
kann, daß Ooj irten „grundsätzlich die Welt gegen Gott abkapselt
" (S. J70). ist unwrstänrJH/ih I.» a:~