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Ausgabe:

1944

Spalte:

275-277

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Kempf, Theodor Konrad

Titel/Untertitel:

Christus der Hirt 1944

Rezensent:

Bertram, Georg

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275

Petersen, Peter: Friedrich Fröbel, Deutschlands größter Erzieher
. Gotha: Engelhard-Reyher-Vetl. 1942. 60S , 1 Titelb. 8°. RM2—.
Dieses Schmuck ausgestattete und hübsch geschriebene Büchlein
bietet dem Leser eine erfreuliche Lektüre. Von einem hervorragenden
Sachkenner wird uns in knapper Beschränkung auf das Wesentliche
Fröbels Lebensweg geschildert, sowie seine „Philosophie des
Geistes" afe Grundlage seiner Erziehungslehre; darauf folgt eine Beschreibung
der Hauptstücke seiner Pädagogik: Der Kindergarten,
die Mutter- und Koseüeder, die Vermitletungssehule und die Unfer-
nichtsschule; endlich ein zusammenfassendes Kapitel: Der Mensch
und sein Werk, Ich liebe für die Leser unserer Zeitung einige Punkte
hervor:

Fröbel hat sein ganzes Leben hindurch unter Entsagung, bis
zur Askese, seiner Erziehungslehre gedient. „Nur so konnte er hoffen
, vor dem Weltenrieliler zu bestehen, wie er schon in jungen
Jahren geschrieben hat." „Ihn hob und trug über alles Kleine
und alles Kleinliche, über alles Kummervolle und Letdvolle hinweg
das Wissen, daß Menschen bilden Gottesdienst ist." „Ein Mensch
so reinen Herzens und Strebens durfte es wagen, sein Hauptwerk,
die Mcn: chenerzicliung, Ihm, das ist Oott, zu widmen."

Nach Fiöbe!.» Meinung wird es dem Menschen nur als l'amilieu-
glied möglich, allseitig ein wahrer und ganzer Mensch zu werden.
„In diesem Punkte war Fröbel ein Gefolgsmann Pestalozzis und hatte
bereits von Iferten amt 1. Mai 1810 an Herrn v. Holzhausen, Frankfurt
/Main geschrieben, die erste Sorge des Erziehers müsse sein,
die Kinder nicht den Müttern zu entreißen." „Selbstsucht, Unfreundlichkeit
, Roliheil in der Kinder-, vor allem in der Knabenwelt,
Mangel an rechter Kindlichkeit, an schonendem, brüderlich duldendem
und echt religiösem Sinne sind die unvermeidlichen Folgen, wenn
sich da.» Familienleben nicht ungestört entwickeln um! in den Kindern
auswirken kann." Dieser starke Sinn für den unersetzlichen
Wert der Familie gilt auch gegenüber seiner persönlichsten Schöpfung
, dem Kindergarten. „Familien sollen selbst zu Kindergärten
werden!" Der Kindergarten ist ihm kein Selbstzweck, sondern ist
für eine Zeit des Obergangs bestimmt, bis die Familien so weit
erneuert sind, daß die Mütter selbst ihr Haus zu einem Kindergarten
gestalten können.

In einem, freilich wesentlichen Punkte ist über auch dieser
große Mann ein Kind seiner Zeit, in dem uns heute fremd berührenden
Optimismus der Menschenbeurteilung: „Ein jeder sei ein freies Gewächs
aus sich, steige wie der Halm mit seiner Ähre, Blüte und
seinen Körnern, im großen AHeben und durch dasselbe aus sich hervor
. Wann werden wir aufhören, die Menschheit, das Menschengv>
schlecht, die Völker und die einzelnen Menschen zu fesseln, zu knechten
, mindestens zu prägen?" Das ist heilsam als Warnung vor
pädagogischem Obermut, der sich einbildet, die Menschenkinckrr
wie Wachs kneten und formen und durch die Kunst der Pädagogik
alles aus ihnen machen zu können. Aber der Vergleich mit dem
Wachstum der Natur verkennt doch das Doppeldeutige und Unheimliche
der Menschennatur, wodurch diese sich von der ganzen übrigen
eindeutig geprägten Schöpfung grundsätzlich unterscheidet. Da hat
Pestalozzi, der Meister, in der Reife seiner Erkenntnis den Menschen
tiefer und richtiger gesehen.

Hannover-Kiefeld Hermann Schuster

CHRISTLICHE ARCHÄOLOGIE
UND KUNSTGESCHICHTE

K e m p f, Theodor Konrad : Christus der Hirt. Ursprung und Deutung
einer altchristlichen Symbolgestalt. Rom: Officium Libri Catho-
lici 1942. VIII, 206 S. gr. 8°.

Die vorliegende Untersuchung verarbeitet vor allem die
literarischen Überlieferungen, die im ersten Teil aus dem Alten
und Neuen Testament und dem frühchristlichen Schrifttum
in deutscher Übersetzung geboten werden (dabei muß es S. 48 f.
statt Mand. Herrn. Sirn. Herrn heißen). Das Bildmaterial mußte
aus zeitbedingten Gründen fortfallen. Überhaupt hat sich
der Verfasser eine umfassende Untersuchung des monumentalen
Bestandes der altchristlichen Hirtendarstellungen für später
vorbehalten. Die Arbeit ist ein lehrreicher Beitrag zu dem
großen Thema Antike und Christentum und bewährt in
der kritischen, nüchternen Haltung gegenüber traditionellen
Anschauungen und in der Heranziehung und Ausnutzung
der schriftlichen Quellen die Methoden Dölgers, der zwar im
Vorwort unter den Vätern der Arbeit nicht genannt wird
aber sonst des öfteren zitiert ist. Verfasser stellt schon einleitend
fest, daß die rettende Tat Christi kaum die Symbolik
einer jugendlichen Hirtengestalt bestimmt habe. Diese Deutung
sei durch falsche Beurteilung und Auslegung der Schriftstellen
, vor allem des Hirtengleichnisses Lufc. 15, sowie der
Denkmäler, hier besonders durch Überschätzung der Funeral-

symbolik hervorgerufen. Solcher engen Betrachtung gegen-
| über arbeitet der Verfasser mit der Fülle des religionsgeschicht-
| liehen Materials und stellt fest, daß das zweite Jahrhundert
' n. Chr. durch ein Vorherrschen des didaktischen neben dem
j soteriologischen Moment bestimmt sei. Auf diesem Boden ent-
| faltet sich die Logos-Christologie. Der Logos ist Lehrer und
Oesetzgeber der Menschheit, Lrlöser und Begründer des neuen
Lebens und Herr und König der Ewigkeit. Diese Anschauung
I vom Logos wird in der gesamten Antike in der Gestalt des
: Hirten erfaßt. Das Hirtenbüd aber begegnet bereits in der alt-
j orientalischen Herrschertypologie, dringt frühzeitig nach Ägyp-
; teil und Griechenland vor und verbindet sich in der Zeit
des Hellenismus mit dem politischen wie dem religiösen
i Sotergedanken. Neben der Person des Herrschers ist für
i die breite Masse vor allem die durch die stoische Logoslehre
J gedeutete Gestalt des Hermes Träger des Hirtenbildes und
j der damit gegebenen Heiloffenbarung, wie das etwa der
Poimandres des Corpus Hermetieum zeigt. Außerdem aber
j findet sich das Hirtenbild in den MysterienkuKen' auf die da
; verehrten Gottheiten Übertragen. Ebenso erscheint die gno-
i stische Erlösergestalt unter dem Bild eines Hirten. Dabei
ist die vorchristliche gnostische Heilslehre kosmplogisch ausge-
I weitet und astrologisch begründet. Sie wird vor allem in der
; valentinianischen Gnosis auf Christus übertragen, wobei auch
i das lukanische Hirtengleichnis zum ersten Mal nachweisbar
auf Christus als den guten Hirten gedeutet wird. Im Christentum
aber ist für den Verfasser schon in der Urkirche Christus
-Logos im Hirten zu erkennen. Je mehr und vollkommener
sich im Lebensbereich des zweiten Jahrhunderts die Logos-
Christologie ausbildet, umso deutlicher wird auch die Verbindung
Hirte-Logos. In der Nachfolge Dölgers wird hier nun
auch die doch wohl synkretistische AberkiosHlnschrift als
christliches Zeugnis in Anspruch genommen. Im ganzen aber
wird auch hier auf breiter religionsgeschichtlicher Grundlage
das Bild des strahlend jugendlichen Hirleu in überirdischer
Schönheit gezeichnet, womit der transzendente Charakter dieser
Gestalt symbolisch zum Ausdruck gebracht wird. Auch die
Einzelzüge und Attribute des Hirten (vgl. z. B. die Syrin und
das Orpheus-Motiv) verlangen eine symbolische Ausdeutung
im Sinne des neutestanientlichen Logoshirten, der Lehrer, Erlöser
und König zugleich ist.

Mit all dem ist deutlich, daß die Lukasparabel als Grundlage
für das Verständnis der Gestalt des Hirten in der altchristlichen
Kunst nicht ausreicht. Diese Gestalt steht mittendrin
in der Entfaltung des Christentums auf griechischem
Boden, und es ist der griechische Geist, der diese Gestalt
in griechischer Schönheit zum Ausdruck des neuen Glaubens
gemacht hat. Das Schaf aber ist weder eine bukolische Zutat
noch legt es eine sentimentale Deutung nahe; es erscheint
vielmehr gleichsam als das Wappentier des Hirten, als ein zweites
Bild seiner selbst, als das Bild dessen, der zugleich Schaf
und Hirte, Opfer und Priester ist. Damit wird der Lammtragende
Hirte in den Bereich der Zweinaturenlehre gerückt.
Das Lamm ist die menschliche Natur des Logos, das Sündenfleisch
, das er angenommen hat, das er als Opfer darbringt;
es ist die menschliche Natur Adams, die der Logos, indem er
sie annimmt, errettet und zu der himmlischen Herde zurückholt.
Dem entspricht auch der alttestamentliche Typus der Opferung
Isaaks, dem entsprechend der Logoshirtc auf manchen Darstellungen
einen Widder statt eines Lammes trägt, und die Be-
j Ziehung zur Eucharistie, die z. B. mit der Darstellung des
lammtragenden Hirten auf eucharistischen Kelchen gegeben ist.
Damit ist die allegorische Deutung des Hirtenbildes in der alten
Kirche zur Geltung gekommen, und sie behält Gültigkeit, solange
überhaupt die christliche Kunst im wesentlichen symbolisch
ausgerichtet bleibt. Mit dem 5. Jahrhundert, als repräsentative
und historisierende Christusdarstellungen sich durchsetzen
, verschwindet das Hirtenbild mehr und mehr, und seine
Symbolik geht verloren. Kunstgeschichtlich gesehen steht hinter
dem christlichen guten Hirten nicht der widdertragende Gott
' der hellenistischen Welt, der selber Gegenstand des Kultes
! war und deshalb schwerlich in den neuen Kult hätte übernom-
' men werden können, sondern die dienende Gestalt, die Neben-
' figur des widdertragenden Opferpriesters, der in allen orientalischen
Kulturkreisen anzutreffen ist und als ein allgemein
; menschliches religiöses Motiv als Opferträger auch auf abend-
! ländischen Darstellungen erscheint. Daß bei die-er Deutung des
- guten Hirten die ihm so häufig gegenüberstehende Orante
als seine Braut, d. h. als die Kirche verstanden werden muß,
! wird kurz dargelegt, doch ist die genauere Untersuchung dic-
; ses Problemkreises einer besonderen Arbeit vorbehalten. Wenn
I auch die Untersuchung das christliche Hirtenbild letztlich für
■ das Dogma von der Zweinaturenlehre in Anspruch nehmen
' möchte, so ist die Gestalt des Hirten doch aus dem engen
Kreis der Grabessymbolik, innerhalb deren das Lamm die ge-