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Ausgabe:

1944 Nr. 1

Spalte:

271

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Peuckert, Will-Erich

Titel/Untertitel:

Deutscher Volksglaube des Spaetmittelalters 1944

Rezensent:

Wolf, Ernst

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271

Theologische Literaturzeitung 1944 Nr. 11/12

272

Peuckert, Will-Erich: Deutscher Volksglaube des Spätmittel- ;

alters. Stuttgart: W. Spemann 1943. 222 S., 8 Taf. 8°. geb. RM 4.80. j
Stofflich beschränkt sich die vorliegende Skizze, die freilich '
auf manclverlei Abschweifungen und Weitschweifigkeiten nicht ver- j
ziehtet, auf das 16. u. 17. Jh. und innerhalb dieser Grenzen auf den j
Aberglauben abgesehen von seiner mehr oder minder starken Ver-
cbristlichung. Sie bietet also nur einen Ausschnitt aus dem Volks-
glauben abergläubischer Artung. Räumlich greift Vf. jedoch über
Deutschland hinaus nach der Schweiz und nach Skandinavien, und
zeitlich doch gelegentlich in das Mittelalter zurück, auch wird das
Urteil! „mittelalterlich" wiederhol! angesetzt. Die Absicht zielt dahin,
an dem vorgeführten Material — wie es Vf. auch in sonstigen seiner
Arbeiten schon getan hat — die Wende von der Zeit des „bäuerlichen
" Menschen zum „bürgerlichen" eben auch auf der durch den
Stoff gebotenen Ebene geistesgeschichtiieh zu erfassen durch den
Aufweis der Wandlung der „mythologischen Inhalte des bäuerlichen
Lebern" im sich selbst und unter dem Einfluß der von Renaissance
und Humanismus herzugebrachten antiken Elemente.

Man wird das Bestreben, die Volkskunde „aus einer reinen ;
Material- zur Geistesgeschichtc weiterzuführen" als solches begrüßen, j
aiber eine befriedigende Lösung dieser Aufgabe von einem ersten Ver- I
.such nicht erwarten dürfen. Die in der zweiten Hälfte des Buches
erst deutlicher werdende Erfassung des geistcsgescbichtlichen Bedeu- [
hing des Stoffes, vollzogen etwa an der Dämoncnlehre und der
Systematik des Dämonischen bei Trithemius, Pictorius, Agrippa von
Nettesheim betrifft doch nur eine ganz dünne Schicht „Gebildeter",
nicht die durchschnittlicht bürgerliche Geistigkeit, und die Gegenüberstellung
von Paracelsus und Luther je in ihrer Beurteilung der
„Elementischen", der Kobolde, Wassergeister, Wcchselbälger, Meer-
wunder usw. geschieht ebenfalls im Bereich von Deutungen, die
auf der einen Seite einer eigenartigen Weltansicht, auf der anderen
theologischer Beurteilung entstammen. In Luthers „Verteufclung"
auch der guten und hilfreichen -Geister mag gewiß auch ein Stück
Rationalismus stecken, aber der Hinweis lediglich darauf wird ihm
ebensowenig gerecht wie das Generalurteil, daß seine gegenüber
der tiefen Menschlichkeit des Paracelsus „grausame" und monotone
Zuweisung ailles „Drübigen" an den Teufel, wäre sie Allgemeingut
geworden, die Welt, „die draußen Busch und Bach umweht, bis
in den letzten Grund zerstört und . . . damit dem deutschen Volk
ein Besitztum unversiegbaren Reizes genommen" hätte (163). Es
bedeutet dies doch eine nicht unbedenkliche Überschätzung der abergläubischen
Züge als eines Ausdrucks der „Glaubensenergie" des
deutschen Volkes. Hier gerade wird man viel differenzierter zu urteilen
haiben.

Abgesehen davon und von dem Mißverhältnis zwischen Titel und i
Inhalt des Buches kann man aus seinem reichen Material und aus
dessen Interpretation viele lehrreiche Kenntnisse und Erkenntnisse gewinnen
, obwohl die etwas sprunghafte und diffuse Art der Darbic- j
tung, die oft doch mehr assoziierende als einen überprüfbaren Zusani-
(■entlang aufdeckende Verknüpfung aus oft sehr verschiedenen Quellen
nicht selten das etwas peinliche Gefühl wecken, auf recht unsicherem
Boden zu stellen. Der Aufweis geschichtlicher Entwicklung
einzelner Gestalten und Überlieferungen des Aberglaubens zum Zweck
geistesgeschichtlicher Auswertung überzeugt vielfach nicht. Das liegt
gewiß z. T. an der oft sehr spröden Sprache der Quellen. Zeigt so
das Buch einerseits, daß und wie die erstrebte Wandlung in der
Behandlung der Volkskunde durchgeführt werden könnte und sollte,
so macht es andrerseits deutlich, daß die exakte Sammlung und
Darbietung des Materials eben die Voraussetzung für eine geisles-
gcschichtliche Auswertung bietet, und daß hier noch sehr viel zu
tun sein dürfte, daß man sich vor allem grade hier nicht mit der
ganz allgemeinen Feststellung begnügen darf, auch im Bereich des
Aberglaubens sei jene Wendung vom bäuerlichen zum bürgerlichen
Zeitalter abzulesen. Zudem darf diese Wendung als glaubensgeschicht-
Ikhe nicht losgelöst von dem Hintergrund christlicher Vo,lksfröm-
migkeit betrachtet werden. Das wird auch gelegentlich ausdrücklich
bekundet. Aber doch zu allgemein (vgl. z. B. S. 19 ff.) Z. B.
wäre bei der Frage nach der Drachengestalt des Teufels (und der :
Hölle) die bestimmende Linie innerhalb der kirchlichen Tradition I
— etwa über Isidor von Sevilla und Hieronymus zurück und bis zu
Luther nach vorwärts — nicht allzuschwer exakt durchzuziehen. Die ,
lulilizistische Legitimierung des Volksaterglaubens im Spätmittelaliler
dürfte dann als ein maßgebliches Motiv seiner Kräftigkeit in Sicht
konnten,

Halle/S., z. Zt. im Heeresdienst E. Wolf

Blanke, Fritz: Der junge Bullinger 1504 1531. Zürich : Zwingli-
Verlag 1942. 139 S.

Die Anfänge des bedeutenden Nachfolgers Zwinglis wer- :
den liier auf ürund eines reichen Materials und mancher wert- j
vollen mündlichen Auskunft zum ersten Male mit quellenmäßiger
Gründlichkeit erschöpfend dargestellt. Rheinische und
schweizerische Umwelt kommen in gleicher Weise zu ihrem

Rechte. Da Blankes fesselnde Schilderung auch in eine schöne
Form gekleidet ist, darf das ganze als wertvoller Beitrag zur
schweizerischen Reformationsgeschichte bezeichnet werden. Unter
den persönlichen Verhältnissen Btillingers finden Verlobung
, Hochzeit und Ehe mit Recht besondere Beachtung.
Wyk auf Föhx . J. Hashagen

Prims, Floris, Kan. Dr.: De groote cultuurstrijd. ie boek:
De rel i gionsvrede 1578 —1 58 1. Antwerpen: Staudaard-
Boekhandel 1942. 349 S. 8°. Fr. 55—

Auf dem ersten Blatte dieses Buches ist der Wiederholung"
des Titels der Zusatz beigefügt: „in het bijzonder te Antwerpen
". Er gibt die Hauptsache richtig an: es handelt sich
um die Reformationsgeschichte von Antwerpen in den Jahren
1578—81, und der Stadtarchivar kann dabei auf /ahlreiche
früher veröffentlichte Studien verweisen. Naturgemäß aber
mußte die Stadtgeschichte in den Rahmen der allgemeinen politischen
Geschichte eingestellt werden, die für die Niederlande
in dieser Periode bekanntlich sehr kompliziert ist — Wilhelm
von Oranien, Erzherzog Matthias von Österreich, Kaiser Rudolf
IL, Alexander Farnese, Franz von Anjou spielen in dem
Buche eine Rolle, und staatsrechtlich stellen Pazifikation von
Gent, Utrechter Union und von Rudolf II. eingeleitete Friedensverhandlungen
von Köln zur Erörterung. „Der große
Kulturstreit" ist das Problem der Toleranz, und Prinis, im
Anschluß an Pirenne, verficht die These, daß der Antwerpener
Religionsfriede vom 12. Juni 1579, ebenso die Pazifikation
von Gent nicht Toleranz und Verträglichkeit bedeuteten
. Vielmehr vollzog sich eine latente Calvinisierting, und
diese herauszuarbeiten, ist ein gut durchgeführtes Anliegen
des Verfassers.. Von Gleichberechtigung kann bei den Cal-
vinisten gegenüber den Katholiken nicht die Rede sein, der
Calvinismus will erobern, Kirchen, Schulen, Annenpflege. Im
Kampf gegen den Katholizismus ist das auch in Antwerpen
befindliche Luthertum mit ihm einig, auch die Lutheraner sind
aggressiv, wenn auch malivoller. Die politische Stütze der
Calvinisten ist Oranien, aus politischen nicht sowohl religiösen
Gründen (vgl. S. 306 das Urteil: ,,0. war kein Coniessor,
kein Märtyrer, kein Apostel, weder für den Calvinismus noch
für eine andere Sekte"), in der Stadt führt die Calvinisten der
Bürgermeister Junius. Der offenbar katholische Verfasser unterstreicht
, daß die echten nationalen Brabanter die Katholiken
sind, während der Calvinismus ein volksfremdes Element darstellt
, in Frankreich wurzelt und zu Frankreich herüber treibt.
Daran ist soviel sicher richtig, daß Ideen von du Plessis-
Moinay, Languet u. a. von starkem Einfluß gewesen sind
(vgl. S. 97, 306) und die Calvinisten unter Führung von
Marnix sich mit Franz von Anjou verbinden. — Der Verfasser
hat als neue Quelle das Registerbuch der Kommission für
den Religionsfrieden benutzt, teilt aus ihm im Text und als Anhang
mancherlei mit, wie überhaupt in die Darstellung manches
Aktenstück oder Auszüge aus den reichlich benutzten Flugschriften
eingefügt sind. Daß darunter Straffheit und Übersichtlichkeit
etwas leiden, muß der Feser in Kauf nehmen.

Heidellberg W. Köhler

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Schauf, Heribert: Die Einwohnung des heiligen Geistes.

Die Lehre v. d. nichtappropriierten Einwohnung des Heiligen Geistes
als Beitrag z. Theologiegeschichte des neunzehnten Jahrhunderts unter
besonderer Berücksichtigung d. beiden Theologen Carl Passaglia und
Clemens Schräder. Frciburg i. Br.: Herder 1941. XVI, 268 S. gr. 8'
= Freiburger Theolog. Studien H 59. RM 8.60.

Das Buch stammt aus der geistigen Nachbarschaft
Scheebens, des bekannten und bedeutenden katholischen Dog-
matikers. So hat H. Schauf schon bei der Scheeben-Festschrift
(Rom 1935) einen Beitrag geliefert über „Die Lehre von der
Einwohnung des Heiligen Geistes bei Carl Passaglia und Clemens
Schiader". Auch die vorliegende Arbeit ist gemäß ihrem
Untertitel durch die besondere Berücksichtigung der beiden
Theologen Passaglia und Schräder gekennzeichnet — vor allem
in ihrer ersten Hälfte. Mit einem biographischen Überblick
beginnt das Buch. Es soll nämlich aufgezeigt und erklärt
werden, daß und wieso Schräder das theologische Erbe seines
Lehrers Passaglia angetreten und dessen Arbeiten stillschweigend
— also, ohne den Urheber zu nennen — übernommen
hat. „Beide Gelehrte stellen geradezu eine theologische Person
dar" (S. 21). Das alles ist aber nur von ihrer Biographie
, vor allem von der Passaglias, aus zu verstehen.
Dieser italienische Theologe (er lebte v. 1812—87), auch