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Ausgabe:

1944

Spalte:

265-268

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Marx, B.

Titel/Untertitel:

Severiana unter den Spuria Chrysostomi bei montfaucon-Migne 1944

Rezensent:

Eltester, Walther

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Theologische Litera<tur7.eitung 1944 Nr. 11/12

Außerdem ist oft die Meinung der Exegeten der alten Kirche
und des Mittelalters mitgeteilt. Die vom Verf. gewählte Gruppierung
scheint mir nicht die ideale zu sein, ist aber jedenfalls
die angemessene, wenn das Buch als Nachschlagewerk dienen
soll; und diesen Zweck erfüllt es ausgezeichnet. Daß die Kritik
vom katholischen Standpunkt aus gegeben ist, schränkt die
Brauchbarkeit des Buches für den protestantischen Theologen
nicht ein.

.Warburg R. Bultmao«

Lindskrog, Christian: Fortolknlng til forste Johannesbrev.

Kopenhagen: Oyldendal 1941. 07 S. gr. 8'. Kr. 3.50.

Seiner Auslegung 25—97 schickt L. eine Einleitung 5—24
voraus, die den Standpunkt l>egründet, von dem aus er den
Text versteht. L. geht aus von der bekannten Tatsache, daß
der 1. Joh. einerseits über den Christen uneingeschränkte Aussagen
von größter Tragweite tut: er kann nicht sündigen
3,3—6, ist vom Tode zum l.el>en hinübergeschritten 3,14 usw.
und den Gegensatz zwischen Gemeinde und Welt aufs schärfste
zuspitzt 3,13 f.; 4,4 ff.; 5,19, andererseits aber doch voraussetzt
, daß Sünde in der Gemeinde ist, da er die Vergebung
verkündet. Behebung dieses Widerspruchs durch Abflachung
des Gegensatzes lehnt L. ab. Die Losung sieht er darin: der
1. Joh. steht in einer ähnlich zugespitzten Situation wie der
Gal., er hat durchgehend ein Thema: die Bekämpfung einer
doketischen Sekte. Die?« Antichristen 2,18 leugnen, daß Jesus
der Gottmensch und in ihm die Erlösung vollendet ist. Deshalb
hält ihnen der Brief, ohne auf ihre Beweisgründe einzu-
gehn, entgegen nur das Eine, das Jesus ist und bedeutet: die
vollkommene Erlösung, Versöhnung mit Gott, Vergebung der
Sünden. Alles, was den Anschein erweckt, die Sünde bedeute
nichts, "ist vom Teufel; aber ebenso alles, was den vollkommenen
Sieg Jesu über die Sünde in uns verleugnet. Als Christ US-
Verkündigung sind die großen Aussagen des 1. Joh. über den
Christen zu verstehn: er kann nicht sündigen, ist im Lichte,
Gottes Same bleibt in ihm usw. Sie gelten um Jesu willen, nicht
um deswillen, was bei den Christen vorliegt. Deshalb hat
der Verf. den Christen im Grunde nur Eins zu sagen: sie sollen
bleiben in ihm, seinem Worte, seinen Geboten usw. Nicht
Ihre Taten, ihre Liebe sind das Entscheidende, sondern Christus
, der die Sühne für unsere Sünden ist 4,10. Was der
Verf. gegen die Irrlehrer schreibt, gilt auch für bzw. gegen
die Gemeinde. Beiden gegenüber wird Christus verkündet,
so daß manchmal /.. B. 3, 18 kaum zu entscheiden ist, ob ein
Satz Polemik oder Ermahnung ist. In dem Maße als Christus
verkündet wird, wird der l.eser aus seiner Sicherheit gerissen
. So führt der Brief freilich In die Anfechtung hinein,
gibt aber auch eine Antwort darauf.

Die Auslegung führt diese Grundgedanken im einzelnen
durch. Sie bemüht sich hauptsächlich um ein praktisch-religiöses
Verständnis, nicht so sehr um ein geschichtliches. Auf
die Fragen nach Verfasser, Zeit der Abfassung und Hintergrund
der doketischen Sekte wird nicht eingegangen, Auseinandersetzung
mit andern Auffassungen nicht betrieben, wenn auch
manche großen Worte Luthers angezogen und gelegentlich moderne
Arbeiten zum 1. Joh. berücksichtigt werden. Auf das
Einzelne seiner Auslegung ist hier nicht einzugehn. Es ist oft
wertvoll, doch läuft auch Bedenkliches unter, z. B. wenn 5,3
die Liebe Gottes aufgefaßt wird als die Liebe Gottes zu uns:
Gottes Liebe lKsteht darin, daß er uns gibt, in der Liebe zu
leben (87 vgl. 23).

Rostock Fr. Büchsei

KIRCHENGESCtUCUTE: PA TKISTIk

Marx, B., Prof. u. Studienrat i. R. in Trier: Severiana unter den
Spuria Chrysostoml bei Montfaucon-Migne. Rom : Pontif.
Instit. Orientalium Studiorunt 1939 = Orientalia Christian Periodic*
Vol. V Nr. 3—4, S. 281 -367.
Nicht nur durch Auffindung neuer Handschriften, sondern
oft ebensosehr durch neue Betrachtung von längst bekanntem
Alten kann sich unsere Kenntnis der altchristlichen Literatur
überraschend erweitern. Ganz neue Männer treten plötzlich
ins Licht der Geschichte, wie uns jüngst H. Dörrie* durch
seine Zuweisung der Makarius-Homilien an den Messaliancr
Symeon gezeigt hat. Das gilt nun jetzt auch in hervorragendem
Maße für den syrischen Bischof Severian von Gabala. Es
ist noch nicht allzu lange her, da war über ihn wenig mehr
als von dem Makel zu reden, den er sich durch den Verrat an
seinem Patron Johannes Chry ostomus zugezogen hatte. Er
schien lediglich einer jener kleinen ehrgeizigen Kirchenpolitiker
zu sein, die mangelndes Können durch Intrigen ersetzen. Von
einer literarischen Hinterlassenschaft wußte man so gut wie

nichts, denn sie war im Lauf der Zeit zwar nicht untergegangen
, aber ihrem Verfasser entfremdet worden. Der Großteil
seiner Predigten läuft in den Handschriften — sera nu-
| minum vindicta! — unter dem Namen eben des Chryso-
stomus, den am Hofe und vor dem Publikum der Kaiser-
1 stadt am Bosporus auszustechen ihm so folgenschwer gelun-
! gen war. Schon Savile hat allerdings im 7. Bd. seiner Chryso-
stomusausgabe (1612) anhangsweise einen kleinen Zyklus von
Homilien über den Anfang der Genesis unter den Namen Se-
| verians gestellt. Aber erst seitdem Joh. Zellinger diesen Ge-
nesisprediglen eine eingehende und umsichtige Untersuchung
i widmete (Die Oenesishomilien des Bischofs S. v. G., Mün-
1 si'er 191b), ist uns der syrische Bischof literarisch faßbar ge-
: worden. Damit war der Grund für die moderne Forschung
gelegt. Zellinger war, nachdem Willi. Dürks in einer Kieler
Dissertation 1917 weitere Vorarbeit geleistet hatte, wie ler selbst
' ihr eifrigster Förderer und verbreiterte in einem neuen Buch
: (Studien zu S. v. G., Münster 1926) die materielle Basis
! unserer Severiankcnntnis erheblich. Zu dem von ihm auf
i 7 Reden gebrachten Genesiszyklus, wozu noch eine weitere
i außerhalb des Zyklus stehende echte Rede tritt, konnte er in
den „Studien" 14 griechische Predigten hinzufügen und auch
für 7 nur armenisch und eine nur äthiopisch erhaltene weitere
Homilie Severians Verfassen echte geltend machen. Die äthio-
i pische wurde gleich darauf auch griechisch unter den Spuria
| des Chrysostomus von Ch. Martin nachgewiesen, wie über-
I haupt die Jagd nach einzelnen Predigten seit Zellinger lebhaft
i in Gang gekommen ist. Eine Überraschung bedeutete es,
i als Karl Staab fast 140 Seiten seines Buches „Pauluskommen-
| tare aus der griechischen Kirche" (Münster 1933) mit Ka-
tenenzitaten aus Kommentaren Severians zu den Paulusbriefen
; füllen konnte. Dieser tritt uns damit von einer ganz neuen
| Seite entgegen. Noch Zellinger glaubte, rundweg erklären zu
, können (Studien S. 1 und 8), Severian habe nichts anderes
! als Homilien hinterlassen. Die umfangreichen Reste au^ seinem
i exegetischen Werke machen ihn nun mit einem Schlage zu
| einem der wichtigsten Bibelerklärer unter den Griechen. Und
j dies umso mehr als seine Zugehörigkeit zur antiochenischen
' Schule, die schon aus seinen Predigten deutlich war, ein be-
j sonderes Merkmal seiner Kommentare bildet und ihnen im Rah-
j men der trümmerhaften Gesamtüberlieferung der Antiochener
I einen bedeutenden Platz anweist. Severian zeigt sich in seiner
I Exegese als ein begabter und gelehrter Mann und tritt
I seinem Texte mit Nüchternheit und Scharfsinn gegenüber, mit
i einem Worte als ein gelehriger Schüler Diodors von Tarsus,
j Dabei leitet ihn das gelegentlich ausgesprochene Bestreben,
! nicht Menschenwitz in den Text hineinzutragen, sondern sich
j von ihm führen und inspirieren zu lassen, ein Standpunkt,
j der übrigens Kommentare und Predigten zusammenbindet, so
wenig Berührungen sie sonst zu haben scheinen.

Von dieser Lage unsrer Forschung aus ist jede weitere
Bemühung um Severians Nachlaß lebhaft zu begrüßen. Allerdings
wird sie, so wie die Überlieferung nun einmal geartet
ist, keine einfache sein können. Die Kommenlare haben sich
in die Katenenliteratur aufgelöst, und es bedurfte der jahrelangen
Spezialstudien Staabs auf diesem schwierigen Gebiet,
um zu einem Ergebnis zu kommen. Es ist übrigens keineswegs
abgeschlossen, weil nach den reichlichen Lemmata in den
Katenert zu erwarten ist, daß Severian auch zu weiteren biblischen
Büchern Kommentare geschrieben hat. Fast noch verwickelter
ist die Überlieferung für die Predigten. Wie Zellingcrs
Arbeiten gezeigt haben, finden sich Zeugen für Severian im
Armenischen und Äthiopischen, und Überliefcrungsspuren im
, Syrischen, Arabischen und Koptischen hat er wenigstens regi-
I striert, und von Simon, Cavallera, Moss und Opitz ist das fortgesetzt
worden. Diese breite Wirkung Severians im Orient ist
; nebenbei auch ein unverächtliches Zeugnis für das Ansehen
seiner Schriften in der alten Kirche. Sie liefert häufig den
äußern Anhalt für die Bestimmung eines zwar auch griechisch,
j aber pseudonym überlieferten Stückes. Freilich ist die äußere
Bezeugung nicht untrüglich, und doch wird man ungern auf
j sie_ verzichten wollen. Marx hat, ohne Verbindung mit einer
| größeren Bibliothek, dies notgedrungen tun müssen und ver-
1 sucht an einem neuen Anlauf, den Spuria des Chrysostomus
unmittelbar, d. h. nur mit Mitteln der inneren Kritik, weiteres
S severianisches Gut zu entreißen. In der Tat hat man die Möglichkeit
, so zu verfahren. Denn der Redner Severian ist eine
--ehr individuell geprägte Persönlichkeit. Man kann sich, geschult
durch die echten Predigten, die Sinne für seine Sprechweise
schfirfen. Dem Stil nach huldigt er dem diatribischen
Vortrag mit eingestreuten kurzen dialogischen Apostrophen an
den Hörer oder Gegner. Das Lebhafte und Freizügige dieser
Redeweise steigert sich bei ihm leicht zu völliger Zuchtlosigkeit.
Jeder Einfall oder Zwischengedauke wird begier g aufgegriffen
i und in langen F'xkursen weiterverfolgt, bis der Redner ebenso