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Ausgabe:

1944 Nr. 1

Spalte:

261-263

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hrozný, Bedřich

Titel/Untertitel:

Die älteste Geschichte Vorderasiens und Indiens 1944

Rezensent:

Möhlenbrink, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1944 Nr. 11/12

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Ziel ist, „die Stufe einer unentwickelten Gesamtanschauung,
die der Entwicklung des diskursiven Denkens vorausliegt, zu- j
rückzugewinnen". Wenn Verfasser der Plotinschen Ablehnung '
der intellektualistischen Reflexion und seinem Grundsatz der i
Erfassung des geistigen schöpferischen Kerns in allem Leben
zustimmt, so entfernt er sich bei seiner Auswertung der j
Plotinschen Oedanken von diesem scharf, soweit das Prin- j
zip der „Schau" Plotin dazu führt, sich aus der Welt und
aus dem Handeln in sich selbst zurückzuziehen; hierin sieht i
er das Bewußtsein „des müden Lebens", das nur noch sucht,
lieh selbst zu fühlen und „seine Welt im Innern zu haben". |
Der Verfasser weist mit Recht mehrfach auf Analogien im j
Denken des deutschen Idealismus hin und sieht in einiger :
Bekanntschaft mit diesem Denken geradezu den entscheidenden j
Schlüssel für das Verständnis Plotins. Wenn er dann aber j
dabei vor allem an Hegel und Schelling denkt, so wird |
man mindestens daneben oder gar vor allem an die strukturell !
verwandte antirationalistische Position auf der Linie Herder- j
Goethe-Schleiermacher erinnern müssen.

Königsberg Pr. Leopold Zscharnaek

ALTES TESTAMENT

Hrozny, Prof. Dr. B.: Die älteste Geschichte Vorderasiens

und Indiens. Zweite, neubearb. U. ergänzte Aufl. Prag: Melantrich
A.a,Mr Deutschland: Plauen i.V.: C. F. Schulz & Co. [1943]. 259 S.,
1 Karte gr. 8°. geb. RM 30 -. '

Da ich über die erste, unter dem Titel „Die älteste Geschichte
Vorderasiens" 1940 im gleichen Verlag erschienene
Auflage dieses Werkes in dieser Zeitschrift ausführlich referiert
habe (vgl. ThLZ. 1941, 189 ff.), darf ich mich darauf j
beschränken, auf die wesentlichen Zusätze und Abweichun- I
gen der neuen Ausgabe dem alten Buch gegenüber hinzuweisen, j
Ein genauer Vergleich der beiden Auflagen ergibt, daß der
Verf. überall die neuesten Forschungsergebnisse nachgetragen
und eine Fülle eigener neuer Gedanken eingearbeitet hat; hierdurch
und durch einen gefälligeren Drucksatz und die Ein- I
fügung neuen Abbildungsmaterials ist das Buch Hrozny's
in der neuen Auflage um fast 100 Seiten gewachsen, obwohl
der Gesamtaufriß des Werkes im ganzen der gleiche geblieben
ist. Eine einschneidende Neuerung der 1. Aufl. gegenüber
bedeutet die Berücksichtigung der durch die Texte aus
Mari sichergestellten kürzeren Chronologie der ältesten vorder- i
asiatischen Geschichte (vgl. bes. S. 17 ff. und dazu A. Alt, j
Neue Vorschläge zur Chronologie der altorientalischen Ge- i
schichte [Die Welt als Geschichte 8,1942, 122 ff.]), durch j
die jetzt die früher so rätselhafte Lücke zwischen dem „Alten" |
und dem „Neuen" Hethiterreich geschlossen wird (vgl. S.
150). Eine bequeme Orientierung über die neuen chronologischen
Ansätze der Dynastien von Isin, Larsa und der „ersten
Dynastie von Babylon" ermöglicht die Tabelle auf S. 97,
zu der man S. 84 der 1. Aufl. vergleichen muß. Die neueren
archäologischen Bodenforschungen sind so sorgfältig berück- j
sichtigt, daß Hrozny's Buch hier das erste und beste Orien- I
tierungsmittel geworden ist. In dem über die Steinzeit und
äneolithische Zeit Palästinas handelnden Kapitel wird die Wahrscheinlichkeit
einer größeren Ausbreitung der Ghassul-Kul-
tur betont.

Leider fehlt der Kaum, um auf die Fülle von Nachträgen und :
Änderungen einzugehen, die in den anschließenden Kapiteln über i
vorgeschichtlichen und frühgeschichtlichen Kulturen im Euphrat- und •
Tigris-Gebiet verarbeitet sind. I>ie knappen Andeutungen der 1. Aufl. i
über die „Prolo-Inder" haben sich zu einem umfangreichen Kapitel |
über „Die älteste Geschichte Indiens" nusgewachsen, das im wesent-
lieben die vom Verf. im Archiv Orientalin" '°42, 192 ff. und 1943,
I ff. vorgelegten Resultate eines Versuchs, die sogenannten proto-
.indfcchen Inschriften zu entziffern, zusammenfaßt: es ist erstaunlich,
WM Hroznv dem spröden Material abzugewinnen weiß; er sell>er betont
aber mit größtem Recht, daß er seine Tliesen nur „mit Re- ;
servc" vorlegen kann. Nach ihm ist das älteste Indien in kultureller !
und ethnischer Hinsicht ein Anhängsel Vorderasiens gewesen; aus
Übereinstimmungen zwischen proto-indischer Keramik und der suba-
räischen Irdenware Nordtuesopotamiens und aus Berührungen proto-
Utdfcch« Schriftzcichen mit sogenannten „hethitischen" Hieroglyphen
(des Vf.s Hauptansatzpunkt!), der phörizischen (sie!) und kretischen
Schrift schließt Hrozny auf eine Herkunft der „Proto-Inder" aus
Ostkleinasien, Nordsyrien und dem nordwestlichen Mesopotamien.
Das Urteil über den Versuch der Entzifferung der proto-indischen
Schrift, die auf den etwa 2500 Amuletten Und Siegeln aus Mohendscho-
Daro und Harappa begegnet, muß den S -ezialforschern vorbehalten :
bleiben; Hrozny glaubt die Lesungen VOD etwa 125 verschiedenen
Zeichen festgestellt zu haben; er findet in den Amulett- und Siegel-
Inschriften Oötlemamen und rekonstruiert mit im ganzen etwa 25—30 |

verschiedenen Gottheiten das frühindische Pantheon des 3. Jhrtsds.
v. Chr.; einigermaßen bedenklich gegen den Entzifferungsve|rsuch;
des Verf.s stimmt nicht nur, dafl er seinen Ausgang bei der soviel
jüngeren „hethitischen" Hieroglyphenschrift nimmt, sondern vor allem
dieses, daß alle jene Götternamen mit unzähligen graphischen und
lautlichen Varianten geschrieben sind. Hrozny meint, durch diese verschiedenen
Schreibungen habe man die anonymen Siegel als aus dem
Besitz bestimmter Personen stammend kenntlich machen wollen.

Eigenartig ist das Bild der „proto-indischen" Religion, das
sich dem Verf. ergibt; sie setzt sich aus vier Komponenten
zusammen: einer „hethitisch"-hieroglyphischen, einer churriti-
schen, einer sumerisch-babylonisetien und einer „proto-ari-
schen"; also ein völlig synkretistisches System. Bedeutsam
für die Leser dieser Zeitschrift ist die These, daß sich in
diesem proto-indischen Pantheon des 3. Jhrtsds. der Gott
Jahwe finde! Hrozny findet auf den Siegelamuleiten u. a. einen
Gott Jajasch, der in etwa 30—40 verschiedenen Namenformen
belegt sei, darunter auch in der semitisierten Form jau. Dieser
Jajasch sei wurzelhaft identisch mit dem alttestamentliehen
Jahwe. Es ist ein Sonnengott — der Name bedeute „Schreiter
, Marschierer, Wanderer, Pilger", was auf die täglich gen
Westen wandernde Sonne gehe (das „Geräusch der Tritte
Jahwes" in Gen. 3,8 hätte Hrozny besser nicht in diesem
Zusammenhang zitiert); bei den Proto-Indern habe Jajasch
vor allem als Beschützer vor wilden Tieren gegolten. Das
stimmt wenig zum israelitischen Jahwe; nun habe aber Jajasch
zum Emblem und zur Wohnstätte den Baum gehabt; dazu
erinnert Hrozny an die Dornbuschvision vom Godesberg und
an Dtn. 33,16; er hätte auch auf Sach. 4,1 ff. verweisen können
. Aber die Jajasch-jahwe-Parallele ist ihrer historischen
Begründung nach allzu unwahrscheinlich; Hrozny nimmt wohl
mit Recht an, daß die Israeliten den Jahwe von den Mi-
dianitern her übernommen haben; aufgrund von Gen. 25,2,
wo Medan und Midian neben Schuach als Söhne Abrahams
und der Ketura genannt werden, kommt er aber dann zu der
These, daß die „Länder" Medan und Midian in Mesopotamien
ZU suchen seien, weil er Schuach mit dem Land Stichu
am mittleren Euphrat gleichsetzt, was übrigens schon Frdr.
Delitzsch getan hatte. Dies mesopotamischc Midian-Medan setzt
der Vf. mit dem churritischen Mitanni-Stuat gleich; die alttestamentliehen
Midianiter sollen semitisierte Reste der „Mai-
tanicr, Mitannier" sein, die nach Nordarabien versprengt worden
sind. Ober diese Thesen zu urteilen, fühlt der Referent
sieh nicht berufen; aber den halbnomadischen semitischen Mi-
dlaniterstamm wird man ungern mit dem gemischt-völkischen
Kulturstaat der Mitanni in Verbindung setzen; auch muß bezweifelt
werden, daß die Nennung Schuachs In Gen. 25,2
das leistet, was Hrozny ihr entnimmt, nämlich die mesopo-
tamische Ansetzung der Midianiter; denn in Gen. 25,2 werden
daneben noch Simran, Joksan und Jesbak genannt und das
waren gewiß nordarabische Stämme. Von seinen mesopotomi-
schen „Mitanni-Midianitern" schlägt Hrozny dann eine Brücke
zu den hieroglyphischen „Hethitern": deren uralte Gottheit
ave sei von den Midianitern-Mitanni einerseits und den Proto-
ridern anderseits übernommen worden und von den ersteren
nach Israel gelangt. Diese These unterliegt doch schon von
den chronologischen Fragen her großen Bedenken: sowohl
die Mitanni wie die hieroglyphischen Hethiter sind jünger als
die proto-indische Kultur. So anregend die vielen neuen
Thesen Hrozny's sind, so stehen sie doch nicht alle auf sehr
festen Füßen.

Interessant und hier noch zu buchen ist die auf S. 154 f. gebotene
neue Notiz zur Achijava-Achäer-Frage; in der 1. Aufl.
wollte Hrozny Achijava mit der Zitadelle Achaia der Siadt JaVysos
auf Rhodos identifizieren, jetzt sucht er aufgrund eines kretischen
Textes, leider ohne vorerst das Material vorzulegen, „die Statt (nicht
das Land)" Achijava a-uf der Peloponncs in der Argolis, im Gebiet
des Flusses Inaehos und hält sie für „vielleicht mit Mykene
identisch", womit dann die bekannte Forrer'sclie These eine neue
Stütze empfängt. Aus den übrigen reichen Nachträgen neuer Thesen
nenne ich noch die Würdigung Assurs als eines vorgeschobenen babylonischen
Außenforts, dessen Aufgabe es war, die gegen Babylonien
gerichteten Angriffe der vorwiegend indo-europäisclien Nordvölker
abzuwehren; daß Assyrien, obwohl es, wie auch Hrozn,' betont (vgl.
noch W. von Soden, Der Aufstieg des Assyrcrreichs als geschichtliche«
Problem [AO 37,1/2], von Anfang an niichtsemitisch durchsetzt
war, diese Rolle in der Oeschichte des Alten Orients gespielt hat,
zeigt das Zusammenbrechen Babyloniens ein gutes 1' ilbjahrhundert
nach Assyriens Niedergang. Gerade in der Herausarln, n.ig der Bedeutung
der indoeuropäer für die älteste Geschichte Vor 'crasiens liegt
ein wesentlicher Wert des Werkes von Hrozny. Dage cn wird man
es bedauern, daß der Verf. seine kühnen Thesen über die vorgeschichtlichen
und frühgcBchicIirtJichcn Völkerwanderungen im Vorderen
Orient kaum eingeschränkt, sondern eher noch ausgebaut hat.