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Ausgabe:

1944

Spalte:

219-220

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Piersanti, Fiorello Alberto

Titel/Untertitel:

L' essenza del Sacrificio della Messa 1944

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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21!)

Theologische Literaiurzeitung 1944 Nr. 9/10

'220

gegenüber bringt unsere vorliegende 16. Auflage den genauen
authentischen Text der 4. Auflage. Der Herausgeber Dr. Robert
Orosche beschränkt seine Arbeit auf gelegentliche Richtigstellung
der Zitate sowie auf Hinweise auf die neueste theologische
Arbeit, welche die Anmerkungen bringen.

Wie der früher erschienene Band II so legt auch unser
Band I der Gesamtausgabe klar und deutlich Zeugnis davon
ab, daß diese Ausgabe der gesamten Schriften Scheebens
sowohl beim Oesamtherausgeber wie bei den Herausgebern
der einzelnen Schriften in besten Händen liegt. Sie alle kommen
einem lebendigen Interesse entgegen, denn Scheeben, der lange
Zeit mehr gerühmt als gelesen wurde, ist In der jüngsten Zeit,
wie der Oesamtherausgeber in seiner wirklich ausgezeichneten
Einführung in das gesamte Schrifttum Scheebens sagt, wirklich
zum Zeitgenossen lebendiger theologischer Arbeit geworden.
Soll ich es in philosophischer Terminologie sagen: Scheeben
wird modern, weil er die heute so beliebte „existentielle
Fragestellung" schon damals gehandhabt hat. Und er wird in
dieser Modernität ganz besonders prosperieren, weil er vor
vielen neueren derartigen Bemühungen die eigenste Methode
voraus hat, Lebensbeziehungen nur in ihrer ontologisehen
Wirklichkeit aufzufangen und sie auf dem metaphysisch gesehenen
Untergrund unserer geschöpflichen Wirklichkeit vor das
Licht der göttlichen Heiligkeit und Liebe zu stellen. Auf diese
Weise weckt Scheeben im Leser individuell-konkrete Besinnung
und stellt ihn zugleich in das Licht der Existenz Gottes;
beides zusammen erschließt die Existenz des Menschen im
theologisch erleuchteten Glauben. Hier dürfte das Geheimnis
der Wirkung des Begründers der Theologie des „Mysteriums"
liegen.

Heidelberg Robert Jelke

Piersanti, P. Fiorello Alberto: L'essenza del Sacrificio della
Messa. Rom: F. Pustet 1940. (178 S.) 8°. L. 8—.

Diese Schrift untersucht den Opfercharakter der Messe
in scholastisch-systematischer Weise — die Vorrede betont,
daß unter den katholischen Theologen der Gegenwart wie der
Vergangenheit in der Lösung dieses Problems keinerlei Einmütigkeit
bestehe. Der 1. Teil behandelt das Wesen des
Opfers überhaupt, der 2. Teil das Wesen des Meßopfers.
Das Resultat des l. Teils läßt sich so zusammenfassen:
Das Wesen des Opfers überhaupt ist nicht die Kommunion,
auch nicht einfach die mutatio, destruetio, mactalio, sondern
das Wesen des Opfers liegt in der Darbringung einer res
sensibilis, und zwar in einer solchen Darbringung, welche
das Dargebrachte ein für allemal dem gewöhnlichen Gebrauche
entzieht und dem Numen zu eigen gibt (und nur bei den
blutigen Opfern geschieht diese Zueignung durch Schlachtung).
Im übrigen unterscheidet der Verf. beim Opfer ein Formales
und ein Materiales; das Formale ist die Opfergesinnung des
Opfernden, das Materiale ist der äußere Ausdruck dieser Opfergesinnung
. Das Resultat des 2. Teils enthält die Thesen:
1. Der Opfercharakter des Meßopfers liegt im Konsekrations-
akt — darin stimmen mit wenig Ausnahmen die katholischen
Theologen überein. 2. Aber inwiefern nun die Konsekration
die Messe zum Opfer mache, darüber herrschen verschiedenerlei
Theorien, deren Verschiedenheit von der Konstatierung der
bloßen Opfergesinnung des Christus praesens bis zur Annahme
einer, wenn auch „mystischen", Schlachtung Christi
in jeder Messe reicht. Und die Darstellung dieser Theorien,
ihre Vergleichung und Zurückweisung bilden den Hauptteil
der eigentlichen Untersuchung. 3. Der Verfasser selbst tritt
für folgende Theorien ein: ,,Die Konsekrationswerte vollbringen
eine sakramentale Trennung des Leibes und Blutes Christi
und diese (Trennung) symbolisiert und stellt dar die wirkliche
Trennung, also den Tod, geschehen auf Kaivaria". Das ist
das Materiale. Das Formale aber ist die immerwährende
Liebes- und Opfergesinnung Christi, die sich am Kreuze
blutig, in der Messe unblutig ausdrückt, aber dennoch ist
die Messe kein neues Opfer Christi. 4. Der Verf. sucht zu erweisen
, daß seine Theorie auch die des Thomas von Aquin
sei; hier kommt man nicht immer mit.

Auf Luther wird S. 63 ff. Bezug genommen; aber der Verf.
hat weder Luther selbst gelesen noch eine protestantische Schrift
Ober Luthers Mcß-Ansichten eingesehen, sondern zitiert bei Lepin
stehende Auszüge aus De capt. Bab. Oerade der moderne Katholi-
wsnius müßte sich in puncto Meßopfer einmal mit dem ganzen Luther
auseinandersetzen — auch außerhalb Deutschlands. Es genügt in
keiner Weise, wenn der Verf. urteilen zu dürfen meint, Luther hätte
(wie er) zuerst das Wesen des Opfers definieren und dann zeigen müssen
, inwiefern der Messe die konstitutiven Elemente des Opfers
fehlten — Luther ging ja nicht vom Allgemeinen zum Besonderen!
Übrigens urteilt P. Semeria (La Messa, 3. Ausgabe S. 140): „Das

Opfer der hl. Messe ... ist ein Opfer sui generis". — Peinlich
empfindet es der deutsche Leser, daß in dem ganzen Buch keine Notiz
von dem „Kultmysterium" genommen wird, wie es die Laacher
! Benediktiner, oder wiederum Söhngen, eindrucksvoll behandeln. —
Der bloß einmal praetcreundo genannte Frz. S. Renz hat in seinem
I großen Werk „Die Geschichte des Meßopfer-Begriffs" (I 1001, II
j 1902) die Autoren der alten, mittleren und neueren Zeit viel ein-
! gehender und zwar auf Grund eigener Lektüre behandelt. So erscheint
j uns Piersantis Buch nur als eine Art Nachtrag zu Renz für die
neueste Zeit, und hier wiederum fast nur für italienische und französische
Autoren; dazu kommt der systematische Beitrag Piersantis.
Berlin Leonhard Fendt

Klein, FrfdeYic, Dr. theol.: La Pens6e religieuse de Georges
Fulliquet. Gcneve: Editions Labor. 402 S. 8°.

Es war hohe Zeit, daß dieses schöne Werk geschrieben
wurde. Es ist ein spätes, aber beredtes Zeugnis dankbarer Gerechtigkeit
. Der Genfer Fulliquet, Franzose und Schweizer,
(1863-1924), war 1889—19906 Pfarrer in Lyon und dann bis
zu seinem Tode der Dogmatiker der Genfer Fakultät, als
Nachfolger Gaston Frommeis. Fr galt als ein überaus fruchtbarer
Gelehrter und vereinigte in seltener Weise die praktische
und intensive Arbeit des Pfarrers mit den hervorragenden
Leistungen des theologischen Schriftstellers. Er hat in Frederic
Klein einen geradezu glänzenden und ebenso liebevollen als
gründlichen und gerechten Darsteller gefunden. Die französische
Tradition, den Dr. theol. erst in reiferen [ahren
zu machen, hat in dieser vorzüglichen Arbeit sich durchaus
bewährt.

Fulliquet paßte schwer in eine der üblichen Rubriken.
I Sein unmittelbarer Vorgänger Frommel galt als entschiedener
I Vertreter der positiven Theologie und war auf den liberalen
Auguste Bouvier gefolgt. Fulliquet war eine wesentlich synthetische
Natur. Klein bezeichnet als seine geistigen Vorgänger
i eben jenen Bouvier, aber auch Cesar Malan (fils), den Lehrer
Frommeis und den Theologen des religiösen Bewußtseins
im Sinne des Erlanger R. Frank, aber auch Paul Lobstein,
den Ritschlianer. Doch das sind nur ungefähre Richtlinien.

Fulliquet war eine äußerst bewegliche, temperamentvolle
Natur, mit einem großen Talent der Anempfindung begabt.
Fr hat in immerhin origineller Weise sehr starke Einflüsse von
den verschiedensten Seiten in sich aufgenommen. Klein sieht
seine Bedeutung vor allem in der Behandlung der Probleme,
die das Verhältnis von Religion und Wissenschaft stellt. Von
Malan und Frommel übernahm Fulliquet den Gedanken der sittlichen
Verpflichtung als Ausgangspunkt seines Systems, was
Klein insofern nicht gelten läßt, als das Gute nicht ohne Weiteres
aus der Pflicht abgeleitet werden könne. Es entspringe
viel mehr aus dem Gemeinschaftsgefühl, als aus dem sittlichen
Bewußtsein. Man dürfe die Religion nicht ausschließlich mit der
Moral in Beziehung setzen, da auch Wissenschaft und Kunst
ein Teil göttlicher Offenbarung sei. Zudem sei die sittliche Ver-
; pflichtung nicht die alleinige Grundlage der Gotteslehre,
da die Erfahrung des Gebets nicht mehr außer Acht gelassen
werden könne, als der „Verkehr des Christen mit Gott".
Fulliquet habe die Probleme der Freiheit und des Leidens
wesentlich gefördert. Fr habe die Entwicklungsgedankeii von
allen deterministischen und materialistischen Elementen gelöst
, und In geschickter Weise bei der Bearbeitung der Schöpfungs-
i lehre, der Sündenlehre und der Offenbarung verwandt, dies
j wohl im Gegensatz zu Frommel, des großen Gegners der
Evolutionslehre. Mehr rechtsstehend erweist sich Fulliquet in
I seiner Auffassung der Eriösungslehre, in der er den dnzigar-
I tigen Charakter der Offenbarung und der Heilslehre betont,
l jedoch die orthodoxen Formulierungen derselben ablehnt,
j In diesem Theologen begegnen sich die entgegengesetztesten
; Strömungen! Wenn Klein ihm z. B. die allzu reinliche Scheidung
der Glaubensgewißheit (foi) von der Glaubensformu-
I lierung (croyance) d. h. im Grunde, von Glauben und Dogma
I vorwirft, wie sie für alle „Symbolofideisten" der Menegoz-
schen Richtung charakteristisch sei, wenn er im Glauben
; hauptsächlich eine praktische Lebensweise sieht, so nähern
| wir uns dem Historismus und Agnostizismus. Wenn er aber
| eine fruchtbare Zusammenarbeit der Dogmatik mit der Metaphysik
vorschlägt, so entfernt er sich von Ritschlschen Formu-
' Hertingen, denen er im Übrigen oft nahesteht. Man kann
I nicht behaupten, daß es Fulliquet gelungen sei, die starken
| Gegensätze seines Systems zu verarbeiten und auszugleichen.
! Es gilt auch hier das Sprichwort "qui trop embrasse, mal
etreint."

Fulliquet war in der Hauptsache der große Anreger. Er
' ist der Mann, der Bausteine aufs Gerüst trug. Erklärt er doch
selbst, der Protestantismus bedürfe eines völligen dogmatischen
Neubaus: er ist der beredte und kundige Vorarbeiter der wis-