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Ausgabe:

1944

Spalte:

218

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Cranz, Eva M.

Titel/Untertitel:

Adelberdt Graf von der Recke-Volmerstein 1944

Rezensent:

Schadeberg, Walter

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Seite 1

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'217

Theologische Literaturzeitung 1944 Nr. 9/10

218

Lichtfrcunde sind Protestanten; leider kann er auch, ohne Widerspruch
zu finden, von der notorischen Immoralität eines Konsistoriatpräsi-
denten berichten, während beide Ocsandten ab umi zu von dem flachen
protestantischen Rationalismus in der Pfalz schreiben. Die Aufnahme
der biHicrtfcUMl Inki'iinamiten aus dem Zillertal durch Prcuficiv
wird entsprechend glossiert. Der lange Zeit führende Protestant Qraf
Oiech ist geisteskrank. Der Freiherr v. d. Tann, viele Jahrzehnte
hindurch König Ludwigs guter Oeist und Oewisscnsrat, kommt in den
Mitteilungen nach Wien nicht gut weg. Die pietätlose Haltung der
katholi-chcn Geistlichkeit bei der Beisetzung der evangelischen Kö-
niiginwitwe Karoline wird von dem Österreicher eingehend gebilligt,
von dem Franzosen in allen Einzelheiten schmachvoll genau ohne jede
Beschönigung registriert. Schließlich berichtet Oraf Senfft auch einmal
über einen Protestanten von durchaus ehrenwerter Oesinnung
als von einer seltenen Ausnahme. Besonders aufschlußreich sind in
beiden Reihen die Berichte über die Anfänge, die Schwierigkeiten und
die schließliche Durchsetzung des Oustav Adolf-Vereins in Bayern:
alle Probleme diees gemeinevangelischen Liebeswerkes werden beleuchtet
, von dem Österreicher voreingenommen und feindlich, von dem
Franzosen gewiß nicht mit absolutem Verständnis, aber doch mit ernsthaftem
Bemühen um möglichste Sachlichkeit. Hochnotpeinlich sind die
Untersuchungen über angebliche Zusammenhänge zwischen Oustav
Adolf-Verein und Freimaurerei; der König verlangt unter österreichisch
-katholischem Beifall immer wieder, daß der Verein seinen
Namen ändern soll. In die Anfänge des Oustav Adolf-Vereins in
Bayern spielt auch hinein die Frage der Kniebeugung durch die zur
Spalier! ildung bei der Fronleichnaiwsprozcssion kommandierten evangelischen
Soldaten: Die beiden Gesandten setzen ihre Regierungen von
allen Einzelheiten genau in Kenntnis.

Der Lola Montez-Skandal schließlich wird von dem österreichischen
/ Diplomaten weidlich konfessionell ausgenützt. Daß die Dinge
so, wie sie der König getrieben hatte, nicht weitergehen konnten,
war die feste Ansicht aller Outgesinnten. Aber wenn König Ludwig
in der beispiellosen Erregung jener Tage sich von seinen bisherigen
katholischen Beratern schroff trennte und eine ausgesprochen protestantische
Regierung berief, so hatten Abel und Metternich damit
nicht das Recht, die Schuld an dem Lola-Skandal der anderen Konfession
in die Schuhe zu schieben. Maurer und seine Mitarbeiter,
persönlich einwandfrei und tüchtig, lehnten ebenso wie Abel und der
Erzhischof Qraf Reisach jegliche Beziehung zur Gräfin Landsfeld ab,
wie das auch aus den Berichten des französischen Gesandten deutlich
hervorgeht. Bedenklich ist und bleibt, daß die bisher regierende
katholische Partei wie alle früheren Absonderlichkeiten und Irrwege
des Königs so auch den Lola-Skandal solange hingehen ließ, wie
der König sich sonst ihren Wünschen willfährig erwies, daß für Abel
und die Seinen das romantische Liebesabenteuer des Monarchen aber
dann untragbar und für Metternich der König buchstäblich verrückt
wurde, als Ludwig endlich die katholisch-österreichische Bevormundung
, namentlich auf dem Oebiete des Kulturlebens, ablehnte.

Man wird in Zukunft keinen Gegenstand der bayerischen
Kirchengeschichte in der ersten Hälfte des IQ. Jahrhunderts,
vielleicht der deutschen Kirchengeschichte dieser Zeit überhaupt
behandeln können, ohne diese Gesandtschaftsberirhte zu Rate
zu ziehen.

Berlin Otto Lerche

Schotten, Dr. S.: De deputatie van Pieter Oovarts. Dehouding
van Rome en de staten in de kwestie-Codde (1703- 1704). Nijmegen-
Utrecht: Dekker 8c van de Vegt 1941. XI, 165 S. 8°. Fl. 2.50.

Vorliegende Arbeit ist ein sehr dankenswerter Beitrag
zur Geschichte des Utrechter altkatholischen Schismas. Aufbauend
auf reichem archivalischem Material aus dem Vatikan,
aus Brüssel, Köln, den Haag, Amsterdam, Haarlem, Utrecht
Rotterdam und Dordrecht, rückt Verfasser eine bisher übersehene
Tatsache in den Mittelpunkt seiner Untersuchung, daß
die römische Curie den Versuch gemacht hat, auf Anregung
der Haager Regierung 1703 einen inoffiziellen Deputierten
nach den Niederlanden zu senden, um in den kirchlichen
Streitigkeiten zu vermitteln — es war die erste Sendung nach
den „ketzerischen" Niederlanden seitens der römischen Diplomatie
," und Verfasser arbeitet im ganzen Verlauf seiner Darstellung
mit der Herausbildung neuer Anschauungen über das
Verhältnis von Staat und Kirche. Die ist in der Tat spürbar,
auf der staatlichen Seite nicht minder als auf der Urchlichen;
der Gedanke, sich in die interna ecclesiae nicht einzumischen,
macht die Loyalität des Vertreters der Staatsgewalt in Holland,
Heinsius verständlich, aber auch eine gewisse Interesselosigkeit
an den Grundfragen des Streites, die kirchenrechtlirher
und persönlicher Art waren. Auf die Einzelheit der Verhandlungen
ist hier nicht einzugehen, der Deputierte Petrus
Govaerts verhandelt mit den verschiedenen Faktoren und
wünscht weder Codde noch de Cock, sondern einen driiten
an der Spitze der Utrechter Diözese. Der entscheidende Drahtzieher
hinter der Szene ist der Brüsseler Internuntius Bussi.

Die Wirkung der Entsendung von Govaerts ist also wesentlich
eine negative gewesen: die beiden Konkurrenten Codde und
de Cock schieden aus.

Heidelberg W. Köhler

Cranz, Eva Maria: Adelberdt Graf von der Recke-Volmerstein
. Der Wiedererwecker d. allg. Priestertuins. Göttingen : Vanden-
hoeck & Ruprecht 1941. 60 S. 8° = Zeugen d. Kirche 5. RM 1.50.
Das Heft, das keine selbständigen wissenschaftlichen Interessen
1 verfolgt, stellt — entsprechend der Absicht der Reihe „Zeugen der
l Kirche", in der es als 5. Bändchen erschienen ist, vorbildliche Pcrsön-
I lichkeiten des kirchlichen Lebens der Gemeinde der Gegenwart lebendig
darzubieten — den Lebensgang und in diesem die Persönlichkeit
des in der frühen Geschichte der Innern Mission hervorgetretenen
| und bekannt gewordenen Grafen Adelberdt von der Recke-Volmer-
; stein dar. Von seiner frühen Kindheit an über die Lehrjahre, über
I die Begegnung mit Jung-Stilling, über die ersten Anfänge der Kinder-
j arbeit im väterlichen Schloß Overdyck, über das fromme Wagnis
1 Düsseltal, das seinen Namen bekannt machen sollte, über die Um-
. Siedlung nach dem schlesischen Kraschwitz mit seinen neuen Anfängen
begleitet das Bändchen den von der Liebe Christi gedrungenen
Grafen bis zu seinem Tod, in der Fülle der mitgeteilten Einzelzüge
wirklich einen „Zeugen der Kirche" enthüllend. Wertvoll ist auch
an diesem Heft, daß neben der zusammengefaßten Darstellung eine
größere Reihe zeitgenössischer Dokumente vermittelt werden, zumal
auch Briefe und Tagebuchauszüge des Grafen selbst. So wird das
Bändchen für den Dienst in der Kirchgemeinde gut zu verwenden
sein, entweder zum unmittelbaren Vorlesen oder als Material für ein
im Unterricht zu vermittelndes Lebensbild.

Dresden Walter Schade berg

S YSTEMA TISCHE THEOLOGIE
-,--.—__

Scheeben, Matthias Joseph: Gesammelte Schriften. In Gemein-
i Schaft mit anderen hrsg. v. Josef Höfer. Bd. I: Natur und Otiade.
Versuch e. syst., wiss. Darstellg. d. nal. u. übernat. Lebensoidnung im
Menschen. 3. Aufl., hrsg. v. Martin Grabmann. Die Herrlichkeiten
der göttlichen Gnade. Nach P. Eusebius Nieremberg
S. J. frei bearbeitet. 16. Aufl., hrsg. v. Robert Grosche. Freiburg i. Br.:
Herder&Co. 1941. XL1, 219 ti. X, 304 S. gr.8°. RM 10.60; geb. 12.60.
Dem zuerst erschienenen 2. Bande der Gesamtausgabe
der Schriften des großen einstigen Kölner Doginatikers M. J.
j Scheeben, der dessen vielbewundertes Werk „Die Mysterien
, des Christentums" neu brachte, ist der erste Band der Gesamtausgabe
bald nachgefolgt. Er bringt die beiden vor den
| „Mysterien" erschienenen Arbeiten Scheebens, die seiner Zeit
I Scheebens Ruhm begründeten. Beiden Schriften voraus gelten
zwei instruktive Einführungen, von denen die eine aus der
Feder des Herausgebers der Gesamtausgabe stammt und auf
die Bedeutung der Gesamtausgabe im Allgemeinen hinweist,
während die andere, von Marlin Grabmann geschriebene, eine
Schilderung des Lebenswerkes Scheebens als solchen darstellt.
Die erste der nun folgenden Schriften Scheebens ist das
i Buch „Natur und Gnade", das Scheeben im Alter von 26 )ah-
! ren schrieb. Es enthält im Keime die gesamte Theologie
i Scheebens. Auf dem Hinteigrunde einer sehr realistischen
! Auffassung von der Eigenständigkeit der menschlichen Natur
j wird eine — man möchte sagen — grandiose Metaphysik
! des übernatürlichen Glaubens" entwickelt, die eine erstaunliche
Vertrautheit mit der Gedankenwelt und dem Schrifttum der
griechischen Väter, mit der spekulativen Theologie, mit der
mittelalterlichen Scholastik und der nachtridentinischen Theolo-
j gie zeigt. Der Herausgeber Grabmann läßt den Wortlaut
; Scheebens unverändert und beschränkt sich auf eine genaue
Bezeichnung der Fundstellen der Zitate Scheebens und eine
j Anführung der neuesten einschlägigen Literatur des In- und
I Auslandes.

Bald nach dem Erscheinen dieser seiner ersten Schrift
j im Jahre 1860 verspürte Scheeben die Notwendigkeit, dieselbe
'nach ihrer praktischen Seite zu ergänzen. Für diese neue
i Arbeit bot sich ihm das Buch des Paters Eusebius Nieremberg
: „De pretio inaestimabili divinae gratiae" als gute Grundlage
. Scheeben bekam das Werk Nierembergs (1595—1658) nur
1 in einer mangelhaften lateinischen Übersetzung, die noch dazu
ein bloßer Auszug war, in die Hände. Bereitts im Frühjahr
1862 konnte Scheeben das so auf dem von Nieremberg gelegten
Grunde aufgebaute Werk „Die Herrlichkeit der göttlichen
: Gnade" ausgehen lassen. Im Jahre 1884 erhielt dieses In der
; 4. Auflage die letzte Fassung von Scheebens Hand. Die 5.—15.
Auflage leitete (1893-1933) der Pater Albert Maria Weiss O.
P., dessen mannigfache Überarbeitungen das Buch freilich immer
mehr von seiner ursprünglichen Gestalt entfernten. Dem-