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Ausgabe:

1944

Spalte:

210-211

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Wellhagen, Julius

Titel/Untertitel:

Anden och riket 1944

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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209

Theologische Literaturzeitung 1944 Nr. 9/10

210

scher Auffassung und Einsatzpunkt der Exegese feststellen und 1
wird von da aus begreifen, warum der Verf. die neuere form-
und gattungsgesrhichtliclie Forschung, die literargeschichtlichen
Fragen unci vor allem auch die historische und individuelle j
Differenziertheit und Plaetik der einzelnen Psalmen hinter einem |
die Unterschiede und Gegensätze mehr oder weniger ausglei- j
chenden und idealisierenden Oesamtbild einer postulierten j
„Opferlehre in den Psalmen" zurücktreten läßt.

Trotz des Anspruchs ,,aller Objektivität" ist darum auch die
Einzelauslegung durch jene allgemeinen Gesichtspunkte bestimmt
. Innerhalb dieser Grenzen läßt die Exegese selbständige i
Beobachtungen und Überlegungen erkennen und mag vor einem j
allzu raschen Urteil über die Ablehnung der Opfer in den
Psalmen warnen. Die entscheidende Frage nach dem gegenseitigen
Verhältnis von äußerem Vollzug des Opfers und innerer
Gottesbeziehung ist allerdings in ihrer letzten geschieht- J
liehen und theologischen Problematik nicht klar genug gesehen j
und trotz einzelner richtiger Beobachtungen nicht folgerichtig
zu Ende gedacht. Neue über die bisherige Diskussion hinausführende
Erkenntnisse wird man daher in der Arbeit nicht j
suchen dürfen; dagegen vermittelt sie auch dem, der das j
Problem und seine Lösung in anderer Richtung sieht als der
Verf., ein interessantes Bild von dem Weg, auf dem es ihm !
gelingt, die Schwierigkeiten zu überwinden, die einer einheit- j
liehen „Opferlehre" in den Psalmen und deren Harmonisierung
mit dem Opferbegriff der katholischen Lehre entgegenstehen.

Tü binden A. Weiser

NEUES TESTAMENT

C e r f a u x, L, Prof. ä l'Univ. de Louvain : La theologie de l'ßglise
suivant saint Paul. Paris - Lea Edition« du Cerf 1Q42. VIII, 334 S.
8° = Unam Sanctam ~.

Der Autor, der der Kirche und dem Reich Gottes nach
Paulus, „L'Eglise et le Regne de Dieu d'apres
saint Paul"1, schon eine wichtige Monographie gewidmet
hat, bietet uns hier eine gehaltreiche Studie über die biblische
Theologie. Während er die praktischen Probleme, wie
die Organisation der Kirche, die Verbreitung der Lehre, die
Sakramente und dgl. m., beiseite läßt, untersucht er den Begriff
der Kirche im Lichte der paulmischen Theologie. Stellen
wir gleich fest, daß er dies auf meisterhafte Weise tut. Diese
auf einer tiefschürfenden Exegese beruhende Darlegung läßt
alle Abstufungen des paulinischen Denkens zum Vorsehein kommen
, dessen Entwicklung er uns vor Augen stellt.

Das Werk ist in drei Bücher eingeteilt. Im ersten Buch
zeigt der Verfasser, wie der Apostel die von der Bibel und
der jüdischen Theologie auf Israel bezogenen Formeln auf das
messianisclie Volk angewandt hat. „Am Anfang bedeutete
bei den Christen in Jerusalem die ,Kirche Gottes' das versammelte
messianisclie Volk und bezeichnete in der Tat das gesamte
christliche Volk" (S. 305).

Man hätte wohl erwartet, daß diese Bezeichnung sich von
selbst auf die universelle Kirche, auf die Gesamtzahl der Gläubigen
, erstreckte. Dies geschah jedoch nicht ohne weiteres und
irri II. Buch sagt uns der Verfasser, warum. Einerseits „mono- |
polisierten die Christen in Jerusalem bestimmte hieratische Ausdrücke
, worunter den Ausdruck „die Kirche Gottes" (eben- i
sowie die „Heiligen", die „Auserwählten")- Anderseits, unter j
dem Einfluß der üblichen Anwendung des Wortes ekklesia
in der griechischen Welt, wurden mit diesem Wort immer ;
mehr die zahlreichen Ortsversammlungen der Christen bezeich- j
net. So wurde der ursprüngliche Brauch, wonach dementsprechend
beide Ausdrücke „Volk Gottes" und „Kirche" vollkommen
gleichbedeutend waren, hinfällig" (S. 306).

Im III. Buch zeigt uns endlich der Verfasser, wie das Wort
ekklesia seine ursprüngliche ökumenische Bedeutung wieder j
erhielt. Hierzu mußte zuerst all das aus dem Wege geschafft
werden, was sich der Übertragung der Bezeichnung „Kirche" j
auf die gesamte christliche Gemeinde entgegenstellte. „Die |
Politik des Paulus aber hat die Forderung seiner Theologie, |
nämlich die Einigung des hellenischischen Christentums
mit den jüdischen Christen, in der Gruppierung des Christenvolkes
um lerusalem verwirklicht" (S. 306). Der Verfasser )
spielt hier aiif die in allen Kirchen des Heidentums zugunsten
der „Armen" von Jerusalem veranstaltete Geldsammlung an. ,
Die Bemühungen dieser Kirchen in dieser Angelegenheit „bezeugten
ihre Verehrung für die Mutterkirche. Diese nahm die
Geldsummen an, die ihr eine Abordnung der Spender, worunter |
sich besonders Paulus befand, sogar feierlich überreichte. Für j

l) Epbeffltrida TtMoloyicie Lovanienset, II, 1925.

denjenigen, der wie der Apostel den tieferen Sinn hiervon erschaute
, war es von nun an klar, daß die Einheit der Kirche
besiegelt war..... Während der monatelangen Gefangenschaft
in Cäsarea.....hat Paulus genügend Zeit gehabt,

um im Lichte des sich soeben vollzogenen bedeutungsvollen
Ereignisses, nämlich der Vereinigung beider Teile der christlichen
Welt, seine Theologie aufs neue zu prüfen" (S. 234^
und im Brief an die Epheser sowie in dem an die Kolosser
sehen wir, wie die paulinische Auffassung der Kirche sich
endgültig gestaltet.

„Das Volk Gottes oder die Christengemeinde oder die gesamte
„Kirche" hat nun den mystischen Sitz im Himmel" (S.
306). Sie ist die himmlische Offenbarung von Gottes Herrlichkeit
. In Bezug auf Christus ist sie ein Pleroma, sein
Leib, der himmlische Tempel, dessen Schlußstein er selbst
bildet. Sie ist auch ferner seine Gemahlin. Sie ist also eine
himmlische Kirche und daher einzig in ihrer Art und universell
(S. 253—274). Dem Verfasser nach befinden sich die Quellen
der Theologie der himmlischen Kirche in den Schriften der
Propheten Jesaias und Ezechiel, ebensowie im späteren Judentum
, nicht aber in der Gnosis. „Die Kirche, wie sie In den
Briefen aus der Gefangenschaft zu finden ist, ist eine christliche
Nachahmung des jüdischen himmlischen Jerusalems" (S. 286).

Vorliegende Analyse läßt nur sehr schwach den Reichtum
der Gedanken und das Eigentümliche der Ansichten-
des Verfassers erraten. Gewiß gäben verschiedene Einzelpunkte
Anlaß zur Diskussion; liegt nun aber nicht gerade für
ein Werk solcher Art ein Verdienst darin, zugleich gewisse
Fragen zu beantworten und neue aufzuwerfen?

Pari« A. Jundt

Wellhagen, Julius: Anden och Riket. Lukas reli giösa äsküdning
med särskild hänsyn tili eskatologien. Stockholm: Svenska Kyrkans
Diakonistyrelses Bökförlag |1941). (VIII, 175 S.) 8° = Nytestamentl.
Avhandl. I. Kr. 4.50.

Laut des NT. ist das Gottesreich in Jesu Person, Lehre,
Wundertaten damals gekommen; nach Jesu Auferstehung ist
es im Hl. Geiste und in der Gemeinde vorhanden. Anderseits
steht das Kommen des Gottesreiches damals wie dann
und heute immer noch bevor — regnum Dei immanens,
regnum Dei imminens. Und beides gehört im NT. zusammen
, es handelt sich um das Doppelgesicht des Gottesreiches
im NT. Aber Tertullian schon betete um den Aufschub des-
(allgemeinen) Endes; und bei Augustinus findet eine Entwicklung
ihren Abschluß, welche Gottesreich und Kirche
gleichsetzt. Beginnt diese Abschwächung schon in den Schriften
des NT? Wellhagen tritt dafür ein: Die Abschwächung
beginnt in den Lukasschriften des NT! (Und die Lukasschriften
geben hierin Kunde von dem Bewußtsein einer kirchlichen
Gruppe um 80—90 n. Chr.). H. Preisker machte 1915 einedahingehende
Bemerkung, Cadbury 1927 Creed 1930, Feine-
Behm 1936. Wellhagen untersucht nun die Lukasschriften
daraufhin, auf der Folie von Mt., Mc, Pls., Job. — dabei
wird auf R. Otto und C. H. Dodd Bezug genommen und
(besonders in den Anmerkungen und Exkursen) ein starkes
Kontingent deutscher, schwedischer, englischer Literatur aufgeboten
. W. sieht dann die Anzeichen der lukanischen Abschwächung
in folgenden Momenten: 1. Der Reichsgottesbegriff
ist bei Lc. stark verkirchlicht; zwischen der Auferstehung
Jesu und der Parusie liegt für Lc. der Zeitabschnitt der Kirche
und der Mission. 2. Der „Geist" äußert sich bei Lc. hauptsächlich
prophetisch und ekstatisch (= Erlebnis der religiösen
Wirklichkeit in der Kirche). 3. Pfingsten steht in einem gewissen
Konkurrenz-Verhältnis zum Parusiemotiv, auch die laufe
ist wesentlich Mitteilung des Hl. Geistes. 4. Das Jesusbild
(Jesus ein Missionar, welcher Missionare aussendet) steht nicht
in voller organischer Verbindung mit dem Erlösungswerke,
sondern gewinnt eine gewisse Selbständigkeit in den Kategorien
des Euergetes und des Thaumaturgos. 5. Die Erlösung ist
bei Lc. wesentlich Sündenvergebung. 6. Der christliche Sozialismus
des Lc, sein „Pauperismus", sein Prinzip der Mildtätigkeit
. 7. Die Parusie-Erwartung steht zwar auch bei Lc.
ungeschwächt da, aber sie ermangelt der inneren und organischen
Verbindung mit der schon jetzt im HI. Geiste in der
Gemeinde gegebenen Erlösung. 8. Lc. ist zwar nicht Historiker,
aber historisch und geographisch interessiert (= sein Blick
auf die länger dauernde Welt, ohne daß die „kurze Frist"
prinzipiell geleugnet wird). Des Lc. Erlösungsgeschichte geht
mechanisch auf die Erfüllung alttestamentlicher Schriftstellen-
das bezeichnet einen gewissen Abstand vom endeschatologischen
Geschehen. Schließlich bemerkt W.: Lc. ist in all dem zum
Teil seinen „hellenistischen" Voraussetzungen gefolgt zum Teil
seiner tatsächlichen Situation («= fortgeschrittene Weltmission
in den Zentren am Mittelmeer).