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Ausgabe:

1944

Spalte:

207-208

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Johannes

Titel/Untertitel:

Der Ewigkeitsbegriff im Alten Testament 1944

Rezensent:

Eichrodt, Walther

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207

Theologische Literaturzeitung 1944 Nr. 9/10

208

Schließlich bekämpft Ridderbos die einseitig kultische Betrachtung
der Psalmen bei Mowinckel (S. 25 ff.)- Allerdings
will dabei der Begriff des Kultischen erst festgestellt sein. Man
kann das gesamte kirchliche Leben als kultisch bezeichnen, wie
es beim „Kultusminister" als seinem Aufseher geschah, und
jede kirchliche Feier mit Gesang kultisch nennen. Aber
in der Antike kreist der Kultus um den Mittelpunkt des
Opfers, und so will ihn Mowinckel gefaßt wissen, wenn er
die individuellen Psalmen ganz wesentlich beim Sündopfer
und Dankopfer gesprochen denkt. Das hängt natürlich zusammen
mit seiner Meinung, daß das Ritual nötig sei, um
den Zauberbann der Gegner zu brechen. Auf diese Weise
entstellt aber eine ganz einseitige Auffassung des Psalters,
die abzulehnen ist. In einem Punkt hängt übrigens Ridderbos
mit seinem Gegner eng zusammen, nämlich in dem Ansatz
feines Größteils der Psalmen in vorexilischer Zeit. Für ihn
dient dieser Ansatz dazu, eine große Reihe von Psalmen für
davidisch zu erklären, während Mowinckel die vorexilische
Zeit für Ausdehnung der Zauberei in Anspruch nehmen
könnte. Aber dieser Ansatz unterliegt schweren Bedenken;
denn so gewiß manche Psalmen, besonders Hymnen, in alter
Zeit denkbar sind, so erweist sich der Psalter als Ganzes
kraft seiner Theologie doch als ein Sohn der Prophetie. Der
Leser scheidet von dem Buche, wenn auch nicht ohne formale
und inhaltliche Kritik, so doch unter Anerkennung eines
siegreichen Kampfes gegen eine einseitig und geistvoll, aber
nicht genügend begründete Meinung.

Alterschrofen O. Procksch

Schmidt, Dr. Johannes: Der Ewigkeitsbegriff im Alten Testament
. Münster i. W.: Aschendorff 1940. XX, 187 S. gr. 8° = Alttest
. Abhdlgn. XIII. Bd., 5. H. RM 10.40.

Angesichts des völligen Fehlens einer monographischen
Behandlung des Lwigkeitsbegriffs im AT. hat sich der Vf.
mit diesem Thema eine sehr dankbare Aufgabe gewählt. Er
sucht sie in der Weise zu lösen, daß er in einem ersten Kapitel
die altiestamentl. Fwigkeitsbezeichnungen sprachlich untersucht
und in 3 weiteren Kapiteln die Anwendung des Begriffs nach
verschiedenen Seiten entfaltet, nämlich inbezug auf die Aussagen
über Gott, über den Menschen und über die Fschatologie.
Ein ausführliches Literaturverzeichnis ist vorausgestellt, ein
Stellenverzeichnis und ein kurzes Sach- und Wortverzeichnis
werden am Schluß beigegeben. Ein umfangreiches Material
ist hier ausgebreitet und wird mit kritischer Besonnenheit
und guter Literaturkenntnis ausgewertet. Die Durchforschung
aller einschlägigen Stellen des AT. ergibt, daß nur in den Aussagen
über Gottes Wesen und Handeln von Zeitlosigkeit, und
auch hier vorzugsweise von Anfangs- und Endlosigkeit geredet
wird, was der Vf. als Beweis für den monotheistischen
Glauben des AT. wertet. In Beziehung auf den Menschen
wird der Flwigkeitsbegriff dagegen nur in uneigentlichem
Sinne angewendet, was aus dem hyperbolischen Gebrauch
der Ewigkeitsbezeichnung zu erklären sein soll.

Dieses etwas dürftige Resultat wird leider nicht durch
eine befriedigende Beantwortung der semasiologischen und religionsgeschichtlichen
Frage ergänzt. Offenbar stellen sich diese
Fragen für den Vf. nicht ernstlich, weil er durch seine Bindung
an die Tradition sich selbst die Möglichkeit zu historischer
Orientierung nimmt und unter völligem Absehen von den Ergebnissen
der literarischen und geschichtlichen Kritik alles auf
einer Ebene sieht. So gelten nachexilische Zeugnisse als genügende
Belegstellen für den alttest. Glauben überhaupt, Stellen
der Chronik können für die Davidszeit benützt werden.
Die Voraussetzung der Lehreinheit in allen alttest. Zeugnissen
verleitet dazu, die alttest. Aussagen über die unbegrenzte Dauer
von Naturgrößen von der ganz anders gearteten eschatologi-
schen Verkündigung her zu beurteilen (S. 126). Der Gegensatz
zwischen gegenwärtigem und eschatologischem Königtum
Jahves erscheint nur als Unterschied der Betrachtungsweise,
icas sich dann in der Umdeutung von Ps. 102.13 und
Klgld. 5,19 auf das eschatologische Königtum rächt (S. 55,
cf. 145, 150), während umgekehrt die Jahve-Königspsahnen auf
das anfangslose Königtum gedeutet werden, ohne die Ergebnisse
der Gattungsforschung zu berücksichtigen (S. 57). Daß
bei solcher Einstellung weder die inneren Gründe für die verschiedenartige
Anwendung des Ewigkeitsbegriffs noch der Weg,
der vom Begriff der „fernen Zeit" zu dem der „Ewigkeit"
führt, aufgehellt werden können, liegt auf der Hand. Findet
doch auch die merkwürdige Häufung der Fwigkeitsbezeicli-
nungen in den Wendungen un dbw, Tjr^oV1» rrrea rro keine
tieferführende Beachtung. Sowohl der Begriff der Zeitlosigkeit
wie der der Anfangs- und Endlosigkeit reichen für den
Vf. in die ältesten Zeiten zurück; für die merkwürdige Tatsache
, daß mit denselben Ausdrücken sogar begrenzte Zeit-

I abschnitte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bezeich-
! net werden, bildet aber die Berufung auf den hyperbolischen
Gebrauch der Ewigkeitsbezeichnung eine zu billige Auskunft,
da sie in vielen Fällen versagt. Das eigentliche Problem des
Ewigkeitsbegriffs im AT. ist darum ungelöst geblieben.

Aufs Außere gesehen fällt auf, wie wenig die Stoffmasse
l durch die vorgenommene Einteilung wirklich gegliedert ist;
weitschweifige Aufzählungen, ermüdende Wiederholungen, auch
Auseinanderreißung von Zusammengehörigem erschweren die
Lektüre. Dies und das Stehenbleiben merkwürdiger Textmißdeutungen
, wie bei Hes. 36.14: „Israel soll fernerhin nicht
Menschen fressen und sein Volk kinderlos machen" u. ä. deutet
auf das Fehlen einer letzten Durchsicht und Austeilung des
Buches. Das ist um so bedauerlicher, als es dem Vf. keineswegs
an gesundem Urteil und Sinn für das historisch Mögliche
fehlt, etwa wenn er es ablehnt, aus Mi. 5, 1 oder Jes.
9,5 ein Argument für den ewigen Ursprung des Messias zu
schmieden (S. 164 f.) oder im Gottesnamen Jahve eine Aussage
über Gottes ewiges Sein zu finden. Als erste Obersicht
über das alttestamentl. Material zum Ewigkeitsbegriff wird
die Arbeit darum ihren Dienst leisten.

Basel W. Eichrodt

Schönbächler, Viktor, O.S.B.: Die Stellung der Psalmen
zum alttestamentlichen Opferkult. Freiburg (Schweiz): Paulus-
druckerei 1941. 77 S. 8°.

Die Arbeit, die als Dissertation der Theol. Fakultät der
päpstlichen Benediktiner-Universität St. Anselm in Rom vorgelegen
hat, beschränkt sich auf die Frage, ob die Opfer im
Psalter als „das erhabenste Mittel der Gottesverehrung" gelten,
oder ob die kultlose Verehrung höher eingeschätzt wird,
„sodaß die äußeren materiellen Opfer weniger oder keine Bedeutung
mehr haben." Zum Nachweis der Beziehungen der
Psalmen zum Opfer geht der Verf. im I. Teil aus von den
wenigen Stellen, wo Opfer direkt genannt werden, um dann
auch die zahlreichen indirekten Anspielungen auf den Kultus
heranzuziehen unter der Voraussetzung, daß „der alttestament-
liche Gottesdienst in erster Linie in Opfern bestand, also ein
Opfergottesdienst war". Die Frage, ob diese aus den Gesetzen
von Ex und Lev gewonnene allgemeine Beurteilung gerade für
die älteste Zeit, wie der Verf. anzunehmen scheint, Geltung hat,
wird von ihm allerdings weder gestellt noch nachgeprüft.
So gewinnen für ihn die F.rwähnung von Altar, Priester, Tempel
, Gelübde und Ausdrücke wie „Hallelujah", „das Angesicht
Gottes suchen", „vor Gott" und die liturgischen Beischriften
der Psalmen Beweiskraft für die positive Wertung des Opferkultus
in den Psalmen. Ob auch für den, der hier geschichtliche
und literargeschichtliche Probleme sieht und einen Unterschied
zwischen Entstehung und Gebrauch der einzelnen
l Psalmen und der Psalmensaminlungen zu machen gelernt hat,
i bleibt eine offene von dem Verf. nicht berührte Frage.

Der II. Teil handelt von der „Opferlehre in den Psalmen".
Nach einem allgemeinen Überblick über die positive und negative
Beurteilung der Opfer durch die Psalmisten, wendet sich
der Hauptabschnitt der Erklärung der „sog. opferfeindlichen
Psalmen" (40. 50. 51. 69. 141) zu und faßt am Schluß die
Ergebnisse in einer Gesamtbetrachtung zusammen. Verf. läßt
hierbei zunächst die „opferfeindlichen" Erklärungsversuche
(Kautzsch, Bertholet, Gunkel, König, Quell), dann die opferfreundliche
Deutung (Jacob, Matthes, Caspari, Wiesmann, Raupe
!, Miller) zu Worte kommen, ehe er selbst eine Exegese der
genannten Psalmen gibt. Der Einzelexegese sincL allgemeine
Bemerkungen vorausgeschickt, die als grundlegende Gesichtspunkte
für die Behandlung des Problems Erwähnung verdienen:
'; Daß „die opferfeindliche Tendenz des Psalters" in der Haupt-
j sache von protestantischen Theologen befürwortet sei, will Verf.
I auf das „protestantische Vorurteil gegen jeden Kult" zurück-
, führen — eine Behauptung, die weder in ihrer verallgemeinern-
j den Form noch in der Sache richtig sein dürfte. Außerdem
J findet er darin den Einfluß „eines gewissen Evolutionismus",
dem er selbst dadurch zu entgehen sucht, daß er auf die ge-
I schichtliche Erklärung der Widersprüche in den Psalmen verzichtet
. Demgegenüber habe die katholische Exegese davon
auszugehen, daß „das Opfer die höchste Form der Gottesverehrung
" sei, als einer „Tatsache der geoffenbarten Religion"
| wie „überhaupt auch aller anderen Religionen". An diesem
' zentralen dogmatischen Punkt entsteht auch das Leitmotiv für
die folgende Exegese: daß im Blick auf die göttliche Inspiration
" auch im Psalter keine Widersprüche vorhanden sein
| können", vielmehr „scheinbare Gegensätze" mit diesem posi-
| tiven Gesamtbild der Opferlehre in Einklang gebracht werden
J müssen. Eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Voraussetzungen
würde zu weit führen; man kann hier nur den
I grundlegenden Unterschied zwisclien evangelischer und katholi-