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Ausgabe:

1944

Spalte:

203-205

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Vischer, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Das Christuszeugnis des Alten Testaments ; 2.1.Die früheren Propheten 1944

Rezensent:

Hertzberg, Hans Wilhelm

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Theologische Liieraturzeitung 1944 Nr. 9/10

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kommen, auch wenn der Sinn der betreffenden Begehung nicht mehr Die Stärke V.s liegt darin, daß er nicht beim Einzelnen

begriffen wird. Aber es gibt hier Unterschiede. In Arnbruck Im stehen bleibt, sondern vom Einzelnen zum Ganzen, vom
Bayrischen Walde steht am Ausgange des Dorfes ein Kirchlein Ereignis einer Zeit zu einem durch die Zeiten hindurchgehenden
Geschehen aufzusteigen versucht. In diesem Sinne versteht
er die zu behandelnden Bücher als „prophetische" Rücher,
der Bezeichnung des MT. gemäß. Die in ihnen beschriebene
Geschichte ist nicht einfach eine Aneinanderreihung von Ereig-

(„Kirchei"), verschlossen, aber mit einem unverschlossenen Umgänge
an drei Seiten. Dort beobachtete ich 1941, daß die Landleuie auf
dem Wege zur Feldarbeit regelmäßig diesen Umgang durchschritten,
obwohl es ein Umweg war. Ich l>efragte deshalb einen Lehrer, der

in der Gegend zu Hause war, einen Mann bäuerlicher Abkunft, i nissen, sondern „Geschichte als Versprechen"; „Geschichte und

Aber er wich aus: offenbar zeigte sich die Scheu des Landmanns,, | Geschichtsschreibung sind im AT. deshalb prophetisch, weil

von seinem Innenleben zu reden. Also liegt hier ein Brauch vor, ] Gottes Wort die Geschichte schafft" (S. 7).

der für die Beteiligten nicht ohne wesentliche Bedeutung ist. Er i In bezug auf das „prophetische Programm" der Landveaeilung
gehört zu den Belegen für magisches Denken bei den Bauern. Aus ! im Buci,e j0äua hei.ßt cs. > WiT sollen lernen: die wirkliche Gedern
Chrnstentume läßt er sich nicht ableiten; ebenso wenig aus der 1 schichte ... des Volkes Gottes ist ein einheitliches und ganzes Oe-
Eigenart des Bauerntums. Somit dürfte eine uralte Sitte vorliegen. Ein | schehen, an dem alle Generationen, unbeschadet ihrer besonderen Iii-
anderes Beispiel ist noch deutlicher. Im Bayrischen Walde sieht man ! stoischen Lage, voll verantwortlieh beteiligt sind" (S. 59 f.). Es
an vielen Orten die sog. Totenhretter. Die Bretter, auf denen der j wird in die3em Zusammenhang mit Recht an Hebr. 11 f. erinnert.
Leichnam zuletzt aufgebahrt war, werden bemalt und öffentlich auf- j Da2ll ge|lort es, wem. in dem das Buch Josua behandelnden Ka-
gestellt. Der Brauch ist vorchristlich, obwohl das Gebiet erst in ■ pfte! des Buches erst der „historische Kern" aufgezeigt wird —
christlicher Zeit besiedelt wurde. Er läßt sich auch seinerseits weder das geschieht im wesentlichen durch Erstattung eines Berichtes
aus dem Christentume, noch aus der Bauernart erklären. Die Kirche über die Forschungsergebnisse Alts — und sich dann ein weiterer Abhat
ihn geduldet, aber nie gefördert. Im salischcn Gesetze, und zwar ( schnitt „der ganze Baum" anschließt (S. 25): ,So erkennen wir
in einem seiner älteren Stücke, wird er bekämpft.. Wie man heute j „„„, daß das Buch Josua nicht, wie es unsere historische Wissenschaft
noch beobachten kann, stehen die Totenbretter nie oder fast nie ; versucht, den ,historisclven Kern', sondern vielmehr den ganzen Baum,
an der Wand oder in unmuttelharer Nähe der Pfarrkirche. Wir finden zu dem sicn der Kern auswächst, prophetisch darstellt. Die Einsie
am Wege, m Walde, auf dem Felde, neben einem heiligen Bilde, j „ahm«. des gelobten Landes wird hier als einheitliche und ganzheitliehe
das ein Frommer stiftete, oder an der Mauer eines bäuerlichen Eroberung Ganz-Israels aller Generationen unter der Anführung

„Eigenkirchleins". Und aus volkstümlichen Erzählungen lernt man,
daß die Totenbretter mindeste na noch in jüngst1 vergangenen Tagen
das Denken und die Einbildungskraft des Bauern stark beschäftigten.
In den Ausführungen G.s über den bäuerlichen Jenseitsglauben
verdienten die Totenbretter eine Stelle. Hier dürfte eindringende
Forschung noch mancherlei Ergebnisse zeitigen.

Josuas dargestellt. Das ist biblische Geschichtsschreibung! Da gilt:
pars pro toto. Im Teil ist das Ganze gegenwärtig, im Anfang ist die
Vollendung beschlossen" (S. 26). Das ist unwidersprechbar richtig;
und es gesehen und gesagt zu haben, ist ein Verdienst. Die Gefahr
ist nur die, daß solchermaßen nicht nur die großen Gesetze der von
Gott geleiteten Geschichte, sondern auch Einzelentsprechungen gesehen

So sehe ich in G.s Werk einen vielversprechenden Anfang. [ und allzu wichtig genommen werden. Es mag nicht leicht sein, da
G. wird Nachfolger finden, aber teilweise auch Bestreiter. j immer die Grenze zu ziehen. Aber Vorsicht ist jedenfalls am Platze;
In jedem Falle danken wir ihm, daß er als einer der ersten j sonst könnte das, was die Bibel sagt und meint, leicht ersetzt
einen Weg gebahnt hat in ein wenig bekanntes Land. Es wird werden durch Einfälle des betrachtenden Forschers! Der opfcrlose
G. nur recht sein, wenn andere ihm nachgehen, den Weg ver- Altar, an dem das „Problem des israelitischen Gottesdienstes ohne
breitern und neue Wege schaffen. Opfer", also der Weg zur Synagoge sich abzeichnet, mag noch hin-

Großpösna bei Leipzig J. Leipoldt gehen. Bedenklicher ist, wenn die Namensgleichheit Jesus-Josua („der

| erste israelitische Name, der mit Jahwe gebildet ist", S. 29) zu
der Wendung führt, daß ,,es Gott nicht einerlei ist, wie der Christus
heiße" (S. 41), oder wenn die Herkunft Sauls aus Benjamin deswegen
als beachtlich gilt, weil auch der Heidenapostel dieses Namens
aus dem gleichen Stamm sich herleitet (S. 50).

Vom Richterbuch wird die Linie zum davidischen Königtum
gezogen. V. sieht in diesem Buch das geradezu programmatisch und
anfangsweise vorweggenommen, was in Davids Zeit zur Wirklichkeit
wird, und zwar einschließlich der Schattenseiten des Königtums (dde
Könige auf der Gegenseite! Abimelek!). Das Schwanken zwischen

ALTES TESTAMENT

Vischer, Wilhelm: Das Christuszeugnis des Alten Testaments.

II. Teil: Die Propheten. I. Hälfte Die früheren Propheten. Zollikon-
Ziirich: Ev. Verlag A. G. 1942. 570 S., 2 Taf., 3 Abb. im Text, 1 Kte.
gr. 8°. Fr. 17.50.

Der erste Band (=1) des Visclier'schen „Christuszeugnis",
acht Jahre vor dem zweiten (= II) im Verlag Kaiser-Mün>-

chen herausgebracht, hat damals großes Aufsehen erregt und I Pro und Contra, wie es besonders in den Anfängen der Königsbedeutete
einen temperamentvollen Schritt hin zu einer theo- geschiente nach I. Sam. zutage tritt, Mist sich erst im messianischen
logischen Interpretation des AT. (vgl. ThLZ. 1936, S. 435 ff.). ; Königtum. Grundlegend ist bei dieser Darlegung die Alt'sche Unter-
Der zweite Band ist in der Schweiz erschienen und wird schon ' scheidung von nagid und melekh. Das echte Königtum ist „von
daher nicht die Möglichkeit zu einer so ausgebreiteten Wirkung ! Oo««s Onaden"; in dem Nelieneinander und Gegeneinander des Ver-
haben, tritt aber auch an Bedeutsamkeit hinter dem ersten ' worfenen und des Erwählten wird das gut herausgebracht (S. 201).
zurück. Bei allen Anständen, die man erheben konnte, war : Dabei wird nicht verfehlt, immer wieder die Linie zur späteren Zeit
I ein „Wurf". II ist es nicht in dem gleichen Sinne. Eigentlich i zu ziehen. Doeg erinnert an den „Edomiter" Herodes, der auch
überraschend! Denn in I ging V. Schritt für Schritt durch die I durch die Praxis der Ausrottung seine fleischliche Herrschaft sichern
einzelnen Kapitel der Thora hindurch, höchstens beim Deu- wlU (s- 220)- Das judaische Königtum fängt an und hört auch
teronomium das Ganze zu einer Gesamtbetrachtung zusammen- wieder auf (im Jahre 73 n. Chr.) mit einer „Treibjagd in der Wüste
fassend. Es handelte sich da mehr um eine Art Kommentar, Juda" (s- 223)- Die Siegesbotschaft der Philister bringt erstmalig
was dadurch verstärkt wurde, daß ganze Stücke des Textes das Wort etwYveM^ecffJcu: das Evangelium von dem gepfählten
übersetzt waren, In II ist es anders. Zuerst geht V. buch- Kon'g ,sra«ls (S. 234)! Ahitophel ist der Judas des AT. (S. 271).
weise vor (Josua, Richter), um dann in den Büchern Sa- J Wesentlicher als solche Einzelentsprechungen ist es V., herauszuarbei-
muel und Könige eine sachliche Anordnung vorzuziehen (Sa- • ten. Wle ».der von Gott erwählte Davidsohn unter allen Söhnen
muel, Saul, David, Salomo, Jerobeam, Elia, Elisa); am Schluß Davids der am wenigsten legitime ist ... das wirft ein Licht auf
finden sich dann, ganz losgelöst von den Buchüberschriften, den .Stammbaum Jesu Christi, des Sohnes Davids' ... Die vier
die Kapitel „Das Ende Israels" und „Der Rest". Man gewinnt , Stammütter, die dort namentlich aufgeführt werden, an vierter Stelle
den Eindruck, Leitfaden sei weniger das jeweilige biblische Buch >die Frau derUria', biegen jede in ihrer Weise die rechtmäßige Linie
als vielmehr die Geschichte Israels, und zwar, je weiter es ! durch die Gnade um" (S. 274 f.).

dem Ende zugeht, um so deutlicher. Dennoch ist II, obwohl Bei Salomo, der ah „Ordner, nicht Mehrer des Reiches"
seine Anlage es vermuten lassen könnte, nicht in dem Maße charakterisiert wird, fehlt es nicht an Ausblicken von der „Hcrr-
wie I ein in sich geschlossenes Werk. j lichkeit" des Königs auf die Herrlichkeit der zukünftigen Welt; doch
Das liegt vielleicht auch daran, daß das Buch oft breit ist der „Mißklang", das „Seufzen der Kreatur" dabei nicht verausladend
biblische Geschichten nacherzählt und dann wieder stumimt gewesen (S. 309). In der salomonischen Weisheit — als
seitenweise die israelitische Geschichte darlegt. Natürlich tut > „praktische Vernunft" beschrieben (S. 313) — zeigt sich ebenfalls die
das V. nicht, um seiner Arbeit einen gelehrten Anstrich; ] „unüberbrückbare Kluft" „zwischen der Welt des Seins und der Welt
zu geben, sondern um die Solidität des Unterbaus darzutun, des Sollens". „Das macht die Welt zu einem Rätsel, das keiner
auf dem die Darstellung aufruht. In der Tat kann nur der, j lösen kann. Der Prediger Salomo und Hiob ringen mit diesem
der die geschichtlichen Tatbestände berücksichtigt, den An- j Rätsel. Der Christus Jesus löst es, indem er stirbt und leiblich
Spruch erheben, auch theologisch Gültiges zu sagen. — Wie | aufersteht. In seinem Leibesleben schlägt er die Brücke zwischen der
'".i'j^iu » . ew/ Unclr Ergehnisse A. Alts jiusgiebig j Welt, wie sie ist, und der Welt, wie Gott sie will" (S. 317).

Vom Tempel sagt V., daß er ,,nicht für ein Numen, sondern für ein

gemacht worden war. j Nomen gebaut" sei (S. 332); dennoch sei hier die „Gefahr heid-

und dankbar verwertet. Weggefallen ist der starke Gebrauch,
der in I von Luther- und Calvinzitaten gemacht worden war