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Ausgabe:

1943

Spalte:

160-161

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Sperling, Erich

Titel/Untertitel:

Die Gestaltung des Holzgrabmahls 1943

Rezensent:

Kautzsch, Margarete

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Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 5/6

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mäßigen; es gilt einzudringen in die Geheimnisse, die
in der Kunst verborgen sind, „so wie es in den Sakraltexten
eingeborgen ist als innere Stimme und Schrift",
und „dieses Geheimnis ist die Botschaft vom Menschen".
Nicht Interpretationen theologischer Art sollen geboten
werden, sondern es ist Verborgenes, ganz Neues aufzuweisen
, „das noch nie so recht besehen und begriffen
wurde": das allgemein Menschliche nämlich, „aus dem 1
her wie ein sanfter Schein eine Beziehung sich findet
zu Bildwerken anderer Religionen" (S. 17). Denn „in
des Menschen tiefstem Urgrund, dem das schöpferische
Schaffen und somit das Wort entspringt, ist der Menschen
Wahrheit eine einzige, gemeinsame"; Kunstwerke
sind „eine Botschaft von (des Menschen) höheren Zuständen
, denen er befähigt ist". Daher sei es ein schwieriges
Unternehmen, Kunst mit neuen Augen zu sehen
„sie einmal anders ... zu werten als vom Formalem,
vom Ästhetisch-Künstlerischen aus . . ."; grundsätzlich
muß man von der „seit so vielen Jahrzehnten herrschenden
,Kunstgeschichte' abkommen", deren „vielfach einseitige
, ja eigentlich abseitige Art der Kunstbetrachtung" |
so weit wegführte vom „Wesentlichen der Werke, dem
inneren Sinn . . ." Weitere allgemeine theoretische Erörterungen
führen allmählich zum Thema über.

Es würde nicht nötig sein, auf diese grundsätzlichen
Ausführungen näher einzugehen, wenn ohne sie nicht ,
der folgende Text unverständlich bliebe und nicht ge- |
wertet werden könnte; und sie begreifen den Anspruch
des Verf. ein, daß sein Weg zur Kunst der einzig richtige
, nicht „abwegige" sei. Wie dem Buch das mystisch- |
subjektive Erlebnis vorangestellt ist, so durchziehen es j
Gedanken (meist in umständliche Sprache gefaßt und i
nicht immer folgerichtig durchgeführt), die ihren Grund
im subjektiven Erlebnis haben. Eine historische oder
ikonographisch Abfolge ist in der Behandlung der Bilder
nicht angestrebt, sondern die Gedankenwelt des
Verf. ist die Leitschnur. So bleibt Verf. stets in einer
persönlichen Mystik des Kunsterlebnisses, und Mystik
ist immer subjektiv. Es sind persönliche „Gesichte", j
die nicht durch ihre Richtigkeit überzeugen wollen, sondern
nur durch die Tiefe des an der Kunst erschauten
mystischen Erlebnisses beeindrucken könnten. Man I
kann also nur daran glauben oder nicht. Damit steht 1
die Schrift außerhalb einer Betrachtung vom sachlich-wis- j
senschaftlichen her; und es nimmt nicht Wunder, daß
Verf. die Kunstgeschichte - er hätte besser Kunstwis- I
senschaft geschrieben, und damit die gesamte Erkenntnis
suchende Kunstbetrachtung umschrieben — schroff ab- j
lehnt. Wenn auch Verf. (mitunter allerdings nicht allzu
genau) die in über einem Jahrhundert harter Arbeit
durch die Wissenschaft geförderten Ergebnisse als selbst- 1
verständlich und als wie immer bekannt benutzt, so
sind das zwei Welten, die nichts miteinander zu tun i
haben und sich kaum berühren.

Nur wenige Proben aus dein Text seien angeschlossen. Verf.
beschreibt und deutet die einzelnen Figuren und Motive der Ge-
burtshilder also auf seine Weise: „Wohl ist mit Erde jene andere
Erde gemeint, aus der wir gemacht sind; diese bildet den Untier- i
grund unserer irdischen Existenz. Allerdings im doppelten Sinne
des Begriffes Stoff. Wenn nämlich in der Genesis, der Schöpfungsgeschichte
dargelegt wird, daß Adam aus Lehm, aus Ton gemacht
wird, so deutet das Wort durchsichtig wortspielend hinüber
ins Urworthafte, Schwingende, den Urlaut, den jedes Wesen repräsen- ;
tiert. Es ist mit diesem Berge das Innere unserer Natur gemeint, '
das der Bewegung, der Bewegtheit fähig ist." Mit dem Bergmotiv !
in den Gehurtsszenen wird durch einen ,,Lehrsatz . . klargestellt": i
„Natur in ihrer aufgeteilten Erhebung, wo sich ihre irdischstoffliche
und seelische Begrenztheit aufsprengt —" (S. 23). Mit dem
„Stofflichen des Mutterberges" berührt sich eng „der Kristall- >
spiegclfels mit dem Sarkophag der Krippe, die somit dem Unter- ■
grund sinnhaft parallel läuft"; (S. 20). In Joseph, der „Nähr- j
vaterfigur", sah der Mensch der „frühen Zeiten" sich seihst,
„sein Menschentum, das sich am Wege der Entwicklung befindet,
die einfache Menschennatinr, das Gemüt, das heißt die Seelenfähigkeit
, sich von Außen, von der stets wandelnden Umwelt ab- und
dem Innengesichte zuzuwenden." (S. 29).

Diese Gedankengänge gehören in die rein private

Sphäre und bedürfen keines weiteren Urteils oder einer
Analyse: Vielleicht findet Verf. eine Gemeinde, die Erbauung
und Erleuchtung durch seine Worte erhält. Daß
sie zu einem tieferen Verständnis der Kunst führen,
muß aber auf das nachdrücklichste bestritten werden:
Es bleibt ein rein persönlicher Weg, den in unzähligen
Varianten schon viele vor dem Verf. beschritten haben.
Dieser Weg ist keinesfalls neu. Aber er wird für die
Umwelt deshalb nicht verbindlicher; und nicht umsonst
ist dem Menschen die Gabe des Vergessens gegeben.

Man würde das Buch ohne Worte aus der Hand
legen, wenn man nicht ein unbehagliches Gefühl hätte;
daß Verf. wie viele, viele Namenlose und Unbekannte
um das Verständnis und Erlebnis der Kunst ringt,
spricht aus jedem Satz: aber ist damit schon ein so
hoher und selbstbewußter Anspruch auf Wert und Gültigkeit
und der Glaube an die eigene Erleuchtung als
Offenbarung gerechtfertigt? Und so erhebt sich auch
hier wieder die Frage, ob denn tatsächlich Alles, was erdacht
wird, gedruckt werden muß; es ist beängstigend,
wie auf diese Weise der Markt mit Kunstbücheni überschwemmt
wird, die das Publikum geduldig kauft —
ob es auch das Alles liest? Hoffentlich nicht.

Korn Friedrich Wilhelm D c i c h in a n n

Sperling, Erich (Direktor der Staatl. Schnitzschule Enipfeitsh.uisen'
Rhön): Die Gestaltung des Holzgrabmals. 67 Entwürfe u. ausgeführte
Holzgrabmale aus d. Staatl. Schnitzschule Empferts-
hausen. Nürnberg: Ulrich & Co. I'J41. (2 S. Text, 23 Taf.)
21:30 cm. In Mappe RM 7.50.

Das Holz-Mal im Totenkult und Totengedenken hat
in Deutschland wie in anderen europäischen und außereuropäischen
Ländern seit Jahrhunderten seinen festen
Platz. Von Ostpreußen bis nach Tirol keimen wir im
Reich Holzgrabzeichen oder Totenbretter, die nicht seilen
bis ins 18. Jhdt. zurück erhalten sind. Vorwiegend
im Bereich der Volkskunst entstanden, sind sie meist
sehr ursprüngliche Zeugnisse landschaftlicher Formeigenheiten
und -unterschiede, volkstümlichen Verhaltens
zum Tod und echten Volksglaubens. Es ist sehr
bezeichnend, daß die Fehlentwicklung der Grabmalge-
staltung in der 2. Hälfte des 19. und zu Beginn des
20. Jhdts. das bescheidene Holzgrabmal zu Gunsten des
anspruchsvolleren — „repräsentativen" Steinmales —
auch für bescheidene Verhältnisse und zumal auf den
großen Grabfeldern der Stadtfriedhöfe fast ganz
aufgegeben hat. Mit der Besinnung auf gediegenes
Handwerk und echte Form auch auf diesem Gestaltungsgebiet
seit der Jahrhundertwende tauchten neue
Vorschläge für das gute Holzgrabmal auf. So steht
die Veröffentlichung Sperlings in einer Reihe mit ähnlichen
Mappenwerken und Arbeiten, die die Bemühungen
um eine neue Würde und Echtheit der Friedhofsund
Grabmalgestaltung spiegeln. (Mappe der Holzschnitzschule
Warmbi ium Schlesien; „Das schlichte deutsche
Grabmal" hrsjg. von Schulte-Frohlinde, Arbeiten
von Th. A. Winde/Dresden; neuerdings „Das Grabmal
aus Holz" von E. Lörcher, schon sehr früh eine Mappe
„Grabmäler im Stein, Holz und Eisen", hrsg. von Walter
Riegler 1909 (!); ferner kürzlich 2 Mappenwerke
des Reichsinnungsverbandes des Bildhauer- und Stein-
metzhandwerks von 1941.)

Sperlings Gestaltungsvorschläge sind am überzeugendsten
, wo es sich um zurückhaltendes Ornament,
Zeichen und Schrift handelt - von einzelnen manirierten
Schriftgestaltungen abgesehen (Bl. 3). Die vielen Male,
die im Sinne der Antike den oder die Verstorbene in
stiller Gelassenheit oder einer alltäglichen, ruhig-bezeichnenden
Tätigkeit in plastischer Arbeit zeigen, verlangem
dem bescheidenen Werkstoff fast zuviel an bild-
künstlerischen Gewicht ab. Hier spürt man den freien
Bildhauer in Sperling, dessen erste Beiträge zu diesem
Thema Einzelmale aus den Jahren um 1929,30 waren.
Natürlich kann und wird der heutige Gestalter über die
Oberlieferung und die Vorbilder des Holzmales in der