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Ausgabe:

1943

Spalte:

149

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Thurm, Helmut

Titel/Untertitel:

Das Dominikaner-Nonnen-Kloster Cronschwitz bei Weida 1943

Rezensent:

Schneider, Friedrich

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14!)

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Türkenpolitik des Papstes einheitlicher und idealistischer
als sie in Wirklichkeit gewesen ist. Auch sonst wären da
und dort ein paar kleinere Abstriche zu machen; die „untadelige
Treue", die, nach mehrmaliger Versicherung
der Vf., Enea seinem jeweiligen Herrn bewiesen hat,
hat er wenigstens 1455 dem Kaiser nicht bewährt (vgl.
Voigt 2, 160 ff.). Wo die Grenzen des Themas überschritten
werden, verläßt die Vf. mitunter die Sicherheit
der historischen Kenntnisse. Ihre Vorstellungen über
die griechischen Theologen und ihr Verhalten gegen
Häresien (S. 44), über die Entwicklung des Vassallen-
verhältnisses (S. 106) sind höchst fragwürdig; die
Schwarzweißmanier, in der abendländischer Wagemut
und 1 apferkeit der Kreuzfahrer und griechische Schwäche
und Heimtücke einander gegenübergestellt werden (S.
45), ist einfach falsch. Die Darstellung ist gewandt, doch
spürt man der Sprache eine gewisse gekünstelte Geziertheit
an, die aber nicht vor gelegentlichen Entgleisungen
^ in Greuelbildungen wie „Neapelpolitik", „diesbezüglich
", „rauhe Mengen" und dgl. schützt. Im Ganzen aber
hat die Vf. ihre Aufgabe, einem größeren Leserkreis
gefälliger Form das Leben des Papstes nahezubringen,
mit anerkennenswertem Geschick durchgeführt.

Tübingen H. Uannenbauer

Thurm, Dr. Helmut: Das Dominikaner-Nonnenkloster Cron
schwitz bei Weida. Jena: Gustav Fischer 1942. (XII, 347 S., 1 Kle
3 Taf.) gr. 8° = Beitr. z. mittelalterl., neueren u. allgemeinen Gesch.
"rsg. v. fr. Schneider, Bd. 22. RM 1 5 —

Der Band ist auf Grund ausgedehnter archivalischer
Studien entstanden und somit ein wichtiger Beitrag
zur klösterlichen und allgemeinen Geschichte Ostthürin-
gens und schließt sich den Klostergeschichten von Saal-
",Urg (Ronneberger) und Mildenfurth (Diczel) an.
Gleichzeitig ist er eine Fundgrube zur Familiengeschichte
. Mit hingebendem Fleiß ist die bis ins einzelne
getreue Geschichte des Klosters Cronschwitz von seiner
Gründung 1238 bis zum Verkauf an den Coburger
Hauptmann von Wallenrod im Jahre 1544 erzählt. Damit
wird ein Stück mittelalterlicher Geschichte des Vogtlandes
lebendig, zumal des Adels, dessen Töchter meist
jn das Kloster eintraten. Alle Seiten des klösterlichen
Lebens und seine Beziehungen nach außerhalb sind berücksichtigt
und in sauberer wissenschaftlicher Arbeif
geschildert. Möge dem Bande die verdiente Verbreitung
werden als Lohn für Fleiß und Mühe inmitten der
Kriegszeit und während des Kriegsurlaubes des Verfassers
.

Jen;i, /. Zt. hei der Wehrmacht Friedrich Schneider

J^IR( IIi:GESCHICHTE: REFORMATION
UND GEGENREFORMATION

**e'ter, Dr. med. Paul J.: Martin Luthers Umwelt, Charakter
und Psychose, sowie die Bedeutung dieser Faktoren für seine Entwicklung
und Lehre. Eine historisch-psychiatrische Studie. Bd. I:
Die Umwelt. (402 S., 5 Tafelabb.) er. 8". Bd. II: Luthers Persönlichst
, Seelenleben und Krankheiten. (633 S., 17 Tafelabb.) gr. 8°.
Kopenhagen : Mutiksgaard 1937 U. 1941. Dan. Kr. 15- u. 35—.

Die Krankengeschichte des Reformators hat trotz
(fo ""ifangreichen Monographie von Fr. Küchenmeister
U881j bisher an der Peripherie der Lutherforschung ge-
t-landen. Ihre stärkere Betonung, etwa durch Preserved
I ""th fl911), und die Sonderuntersuchung von N. Söder-
Pn'n C~lumor ocn Melankoli och andra Lutherstudier
j. u) haben keine größere Wirkung ausgeübt, Adolf
«iiisrath, der für den im Kloster ringenden Luther
le physische Bedingtheit stark unterstrich (in vorliegendem
Werke daher begreiflicherweise besonderer Aner-
«eiinunp. sich erfreut), fand in Scheels großem Luther-
luie keinen Nachfolger; wo man auf dieses Gebiet
gen überhaupt einließ auf theologischer Seite, hatte die
Darstellung von W. Ebstein: Dr. Martin Luthers Krankten
und deren Einfluß auf seinen körperlichen und

geistigen Zustand (1908) Autoritätsrang gewonnen, da
sie von medizinischer Seite kam und die gewaltige
Überlegenheit des Geistes über den unsäglich geplagten
Körper zu beweisen schien. Nun hat aber die Psychiatrie

i in der inzwischen vergangenen Zeit gewaltige Fortschritte
und sachliche Änderungen durchlebt, es sei
nur an die Namen Kraepelin, Bleuler, Kretschmer, Freud,
Jung erinnert, die gewaltigen politischen Bewegungen
der Gegenwart fußten zum guten Teile auf dem Problem
der Bedingtheit der Volksgestaltung durch die physische
Erbgrundlage von Blut und Boden, kann es Wunder
nehmen, daß bei dem allgemeinen Aufschwung der Charakterologie
, Psychologie und Biologie nun auch
Luther, dem Niemand die Bedeutung des großen Deutschen
abspricht, der neuen Problematik und Methodik
unterstellt wird? Das Buch von Reiter, Chefarzt der
Psychopathenanstalten in Herstedvester (Dänemark), ist
daher durchaus zeitgemäß. Es wird einmal ein Exempel
vorgeführt der neuen Methodik; ob es freilich so wirken
wird, wie der Verfasser glaubt, ist eine Frage für

i sich. Es ist durchaus ernst zu nehmen, und man muß
dem Verfasser den vollen Willen, Luther verstehen und

j erfassen zu wollen, soweit das überhaupt möglich ist,
ohne weiteres zubilligen. Daß er nicht immer aus
erster Hand schöpft, kann billigerweise bei diesem Stoffe
ihm nicht zu schwer angerechnet werden, auch daß er
die für ihn bequemer erreichbare Erlanger Lutherausgabe
stärker benutzt als die Weimarer. Bedenklicher muß

j stimmen, daß sich Grisar besonderer Gunst bei Reiter
erfreut; das hängt jedenfalls damit zusammen, daß ein

; Jesuit ihm beim theologischen Teil des Werkes geholfen
hat. Dadurch ist etwas von der unfeinen Manier
der Verdächtigung — „es ist zwar nicht zu beweisen,
aber es ist immerhin möglich, es könnte doch sein" —
in die Darstellung hineingekommen, und wir haben uns
zu früh gefreut, daß diese unsaubere Art durch Lortz
ein für alle Mal aus dem katholischen Lager verschwunden
wäre (ich nehme an, daß Reiter Katholik ist, obwohl
es nirgends gesagt ist). So taucht denn die
cl(oaca) des Turmes für das entscheidende Erlebnis
im Kloster oder die Syphilis auf Grund des bekannten
Briefes des Ulmer Arztes Wolfgang Rychard
wieder auf. Beide Male wird versichert, daß die Frage
„geringeres praktisches Interesse habe", es wird gesagt
, „daß es schwer fällt, auf dieser verhältnismäßig
schwachen Grundlage das Vorhandensein der Syphilis

I bei Luther festzustellen", der Arzt kann aus den Krank-

j heitLsymptomen nichts entdecken, was für diese veneri-

, sehe Krankheit spräche, und sagt das auch, aber es heißt
dann doch: „es liegt eine gewisse Möglichkeit vor,
die durch ein verläßliches gleichzeitiges Zeugnis belegt
ist, daß Luther die Syphilis gehabt hat" (Ii S. 57),
wobei von einer „Verläßlichkeit" insofern keine Rede
sein kann, als Rychard in fragender Form an die Hand
gibt, si (ob) cum hoc dolores mali Franciae somno im-
pedimento fuerint (Conjunktiv!); das soll der Mediziner
, der ihn gefragt hat, untersuchen, wie es einfach
medizinische Pflicht war. Die Deutung des cl auf cloaca
hält R. für wahrscheinlich. Es ist auch eine Reihe von
Fehlern und Ungenauigkeiten untergelaufen, von denen
ich unten einige zusammenstelle.

Methodisch vollkommen korrekt behandelt Reiter
Luther wie einen zu untersuchenden „Fall". Die Anamnese
greift zurück, zeitgemäß, auf die ganze Uinweirt
in Blut und Boden, sehr breit, wie überhaupt das ganze
Werk sehr weitschichtig angelegt ist, von Wiederholungen
nicht frei. Der ganze erste Band will die Verwurzelungen
aufdecken, die es erklären, „warum die geschichtlichen
Gegebenheiten gerade bei diesem Mann
das allbekannte Ergebnis gezeugt haben, während sie
bei anderen . . . Persönlichkeiten etwas ganz anderes
bewirkten", oder „die großen Linien aufzeichnen, die
den Hintergrund der Reformation bilden", aber er bietet
nichts sonderlich Neues, vielmehr im Wesentlichen eine
Zeichnung des Vorabends der Reformation, wie man sie