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Ausgabe:

1943

Spalte:

114

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Konfirmation 1943

Rezensent:

Doerne, Martin

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Seite 1

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Theologische Literaturze.itung 1943 Nr. 3 4

114

immer noch, unter anderem Stoffe, den Kindern dargeboten, nun in
der Form der sog. Tahellenmethode. Die Aufklärung konnte zunächst
nur die Methode andern. Schließlich brach sie dennoch auch in den
katholischen Katechismusstoff ein; für die spätere Diözese Rotten-
bürg kommen in Betracht die der Aufklärung huldigenden Katechismen
von Brentano, Wessenberg, Mets u. a. — .daneben besonders
die Katechismus-Theorie von Werkmeister. Die neu errichteten Lehrstühle
für „Pastoraltheologie" wirkten in derselben Richtung —
mit Ausnahme J. M. Sailers, der der katholischen Substanz treu-
bJieh und doch aller modernen Didaktik offen war (Sailers Äußerungen
zum Katechismusprohlem: Vorlesungen aus der Pastoraltheolo-
gk 1. Auflage 1788, 3. Auflage 1812; Ober Erziehung und Erzieher,
2- Auflage 1800; über Canisius: Vorlesungen aus der Pasl.1 II 32f) ff.).
Sailers Schüler Christoph von Schmid verfaßte 183b den berühmten
Schmidschen Katechismus, der sich wieder an Canisius anschloß,
doch mit vielen Veränderungen; Schmids Neffe setzte die Linie fort,
über Fritz geht sie direkt zu Mey. Diese Linie ist kindertümJicher
als Canisius; man hatte von Pestalozzi gelernt. Wirklich epochemachend
wirkten in ganz Süddeutschland die Katechismusgrundsätze,
welche J. B. Hirscher in seiner „Katcchetik" 1831 vortrug: nur der
Stoff, welcher praktischen Wert hat, gehört in den Katechismus,
aber das ist in erster Linie der Stoff der eigentlichen Heilswahrhcilten;
gegen Sokratik, Scholastik, Beweise ist H. skeptisch; die Jugend zur
christlichen Oroßjährigkeit heranzubilden, sie folglich zur glaubensvollen
und liebetätigen Gemeinschaft des in Christus gekommenen
und im Hl. Geiste lebendigen Reiches Gottes zu führen, ist A und
O bei Hrrschcr. Aber der von ihm verfaßte Katechismus (1832)
fiel, trotzdem der Bischof von Rotteniburg dafür war, durch — an
seiner Stelle wurde der vom Domdekan Jaumann, einein alten Jo-
sephiner, 1833 verfaßte eingeführt, welcher dann 1847 auf den Indev
kam. Erst Ignaz Schusters Katechismus von 1845 setzte Hirschers
Theorie in die Praxis um; Schusters Katechismus wurde 1848 Rotterv-
burger Diözesankatechismus (trotzdem inzwischen, 1847, ein Jesuiten-
Katechismus, der Deharbe, vorgelegt worden war). Die Einteilung
bei Schuster entsprach dem kleinsten deutschen Canisius: Apostolikum
— Sakramente — Dekalog und 5 Gebote der Kirche — Vater
unser und Ave Maria. 1840 fand eine Revision des Schusterschen
Katechismus statt: dieser Schustersche Katechismus von 184Q war
nach W. theologisch nun ein Höhepunkt. Aber didaktisch stand
er noch in den Niederungen: zuviel Stoff, zu unkindlich, zu abstrakt;
es muß vieles im Unterricht vorkommen, was nicht im Katechismus zu
stehen braucht. Der Katechet soll den Vorzug vor dem Stoff haben.
Fr. H. Linsenmann redete in dieser Richtung. So wurde die Ausgabe
von 18S7 didaktisch besser. Aber erst die um 1000 mächtig
eingreifende „Münchener katechefische Bewegung" und ihre Auswirkung
trieb die Sache der Didaktik so entschieden vorwärts,
daß die Neuausgabe von 1008 und erst recht die von 1020 nun auch
auf der Höhe der methodischen Erkenntnisse angelangte. Im übrigen
traf die Neuausgabe von 1020 zusammen mit den Bestrebungen,
einen süddeutschen „Einheitskaitechismns" (Deharbe-Linden-Mönnichs)
7u schaffen.

Die Prinzipien, nach welchen W. in der Katechismus-
Sache vorgeht, können auf unserer Seite auch deshalb
Beifall finden, weil es die Prinzipien sind, nach welchen
Luther seinen Kleinen Katechismus schuf. Haben
die katholischen Katechetiker an den katholischen Katechismus
die Forderung, er müsse die Substanz der
katholischen Wahrheit enthalten — so war es Luther
eben um diese (katholische!) Substanz zu tun, nur
daß Luther sie refonnatorisch und nicht traditionssummarisch
feststellte; verlangen jene Katechetiker die Substanz
in der Art der Verkündigungstheologie, nicht der
Schultheologie — so hat Luther seinen Kleinen Katechismus
zum Beten eingerichtet und alles auf die beneficia
und nicht auf die doctrinae als solche abgestellt; kommen
jene Katechetiker immer mehr von der Forderung einer
ausgeklügelt systematischen Einteilung des Katechismus
ab — so nahm Luther einfach die mittelalterlichen Formeln
(Dekalog, Apostolikum, Vaterunser [Taufe, Beichte,
Abendmahl], Tagesgebete) und verkündigte mit ihnen
dje „katholische Substanz", und das ohne die Systematik
dieser Anordnung ernstlich zu pressen (wenn er es auch
gelegentlich möchte!). Bemerkenswert bleibt dabei: in
der Katechismussache sind einmal die Katholiken die
Suchenden und Ringenden und die Lutheraner die Besitzenden
(der Heidelberger Katechismus nähme in dieser
Betrachtung eine besonders interessante Stellung
»n); das hat natürlich didaktische Vorteile für die katholischen
Katechismen, die auf unserer Seite nur wettgemacht
werden können durch die Mobilisierung der

Katecheten nach dem Grundsatz Linsenmanns (Weber
S. 188): Nicht Querulieren über die Katechismusnot sei
Sache des Katecheten, sondern fleißiges und selbständiges
Arbeiten.

Berlin Leonhard Fendt

Konfirmation. Ein Studienbuch zur Frage ihrer rechten Gestaltung,
hrsg. von Wilhelm Rott. Berlin-Dahlem: Burckhardthaus-Verl. 1041.
(172 S., 1 Tab) 8". RM 3.50.

Die Beiträge, die die Autoren dieses „Studienbuches"
zu der für die Dauer unumgänglichen Neuordnung der
kirchlichen Konfirmationspraxis geben, sind von unter-
: schiedlichem Wert. W. Rott, der Herausgeber, beginnt
i mit einer stoffreichen und soliden Studie über „Motive
! der Einführung und liturgische Form der Konf. im
16. Jahrh.", die auch die reformierte Entwicklung ausführlich
behandelt, freilich die beiden geschichtlichen
Wurzeln der Konf., den „Katechismus" und die Abendmahlszulassung
, nicht klar genug in ihrer inneren Verbundenheit
erkennt. — Joh. Schönfelds Abhandlung über
die „Motive" der heutigen Konfirmationsordnungen arbeitet
mit einer unmöglichen Auseinanderreißung von
Unterricht und Verkündigung und überrascht im einzelnen
durch gewagte Behauptungen wie z. B. die These,
der Pietismus sei ein „Gewächs der Aufklärung" (93).
I Welche eigene Sicht der Konf. hinter seiner radikalen
I Kritik an der „pseudosakramentalen Einsegnungsfeier"
i der lieutigen Ordnung steht, katin man aus dem Aufsatz
nur mit Mühe erraten. — Die heute zentrale Frage,
ob Bekenntnis oder Versprechen wesentlich zur evangelischen
Konf. gehören, wird von E. Greifenhagen
(Taufe — Abendmahl — Konfirmation) unter Berufung
auf die prädestinatianisch gefaßte Souveränität des Heil.
Geistes verneint (die Konf. ist hier lediglich Abschluß
der Kinderunterweisung, auch ohne Zulassung zum
Abendmahl), von M. Albertz (Das Amen Gottes und das
Amen der Gemeinde) mit biblisch-theologischen Überlegungen
und unter Bezugnahme auf die reformierten
Kirchenordnungen bejaht. — Das Positivste des ganzen
Buches bringt dann das ,',Nachwort" von G. Dehn:
gleichzeitige Beziehung der Konf. auf Taufe und Abendmahl
, von da aus Begründung von Bekenntnis und Gelübde
, Absage an eine Betrachtung, die das Konfirmationsproblem
lediglich von den Nöten des einzelnen Pfarrers
in der heutigen Volkskirche aus sieht. Freilich
drängt auch nach D. die gegenwärtige Lage uns weithin
den Rückzug auf das Minimum der sog. katechetischen
Konfirmation auf; aber die „echte evangelische Konfirmation
", zu der die künftige Gestaltung der kirchlichen
Gesamtlage uns von selbst hinführen werde, dürfe darüber
nicht aus dem Auge verloren werden.

Es ist schade, daß das Buch geschrieben wurde, als
Wilh. Maurers Untersuchung „Gemeindezucht, Gemeindeamt
, Konfirmation" (1940) den Verfassern offenbar noch
nicht vorlag. Maurer hat uns in gründlicher historischer
und theologischer Besinnung das evangelische Recht
wie auch die kirchliche Notwendigkeit einer Konfirmation
mit Bekenntnis und Gelübde gezeigt und damit die
Grundthesen des „Neubaus der Konfirmation", mit dem
Rezensent 1936 die Konfirmationsfrage neu aufrollte,
wirksam erhärtet. Freilich, gerade dieses Verständnis
der Konfirmation (dem auch Dehn im wesentlichen beitritt
) läßt die Nöte und Zweideutigkeiten der gegenwärtigen
Praxis doppelt schwer empfinden. Wie diese
Spannung zwischen der gemeindebauenden Funktion der
i echten Konfirmation und der heutigen katechetisch-er-
zLeherischen Lage gelöst wird, das ist zur Stunde das
praktische Kernproblem, zu dessen Klärung lediglich die
letzten Abschnitte des Dehnschen Beitrags einige Gesichtspunkte
bieten. Die Konfusion der heutigen Praxis
schreit nach neuer gesamtkirchlicher Prüfung und Abhilfe
. Diesen Notschrei noch einmal hörbar gemacht zu
haben, ist ein Verdienst des Buches.

Markkleeberg-Lcipzig Martin I) o e r n e