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Ausgabe:

1943

Spalte:

104

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Kymeus, Johann

Titel/Untertitel:

Des Babsts Hercules wider die Deudschen 1943

Rezensent:

Clemens, Otto

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Seite 1

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viel Zeit und Mühe gekostet. Mit größter Sorgfalt,
gestützt auf eine Quellen- und Literaturkenntnis sondergleichen
, ist er den Personalien, den erwähnten Schriften
und Drucken nachgegangen, hat er dunkle Ausdrücke
erklärt. Von dem Inhaltsreichtum gibt das Register
von Personen- und Ortsnamen eine gewisse Vorstellung
, jeder bedeutendere Korrespondent erhält beim
ersten Auftreten eine biographische Skizze, die nur wenig
ergänzt zu werden brauchte, um in die in Vorbereitung
befindliche „Deutsche Biographie der Reformationszeit"
aufgenommen zu werden.

Zwickau i. Sa. O. C 1 e m e n

Neu mann, Friedrich Wilhelm: Studien zum polnischen früh-
reformatorischen Schrifttum. T. 1 : Die Katechismen von 154 5
u. 1546 u. d. Polemik zwischen Seklucyan u. Maletius. Leipzig:
Markert & Petters 1941. (XI, 90 S.) gr. 8° = Slavisch-baltische
Quellen u. Frrrschgn. H. 11. RM 6—■

Obwohl nur der erste Teil einer umfangreicher geplanten
Arbeit, ist die Schrift doch eine in sich abgeschlossene
Studie, die die beiden maßgebenden polnischen
Katechismen des Reformationsjahrhunderts einer
gründlichen Prüfung und Beurteilung unterzieht. Der
Verfasser will damit nicht so sehr einen Beitrag zur Geschichte
des polnischen Geisteslebens leisten, das durch
die Reformation erst seinen eigentlichen Antrieb und
Aufschwung erhielt, sondern vielmehr zeigen, was auch
darin das polnische Volkstum der deutschen Kulturarbeit
verdankt (S. 9). In des Preußenherzogs großzügiger
Minderheitenpolitik war auch die religiöse Fürsorge für
seine nichtdeutschen Untertanen mit eingeschlossen, die
sich dann wie selbstverständlich zu einer Betreuung
aller Evangelischen im Nachbarland Polen, der Deutschen
wie der Polen, erweiterte. Bis in die spätesten Zeiten
wurde ja alles, was die Evangelischen in Polen an
Erbauungsliteratur besaßen, in Königsberg gedruckt, mit
Hilfe der gotischen Lettern, die darum schon an sich
dem katholischen Polen als ketzerisch galten. Ein Ergebnis
dieser Bemühungen sind auch die beiden Katechismen
, der des Seklucyan von 1545, der des Maletius
von 1546. Beide sollten im Rahmen der 1544 eingeführten
preußischen Kirchenordrrung auch die polnisch sprechenden
Gemeinden mit leicht verständlichem Material
zur Aneignung der evangelischen Glaubenslehre versehen.
Sie weisen daher im Titel schon darauf hin, daß sie
„für das einfache Volk" (Seklucyan), „für einfache
Leute" (Maletius) bestimmt sind. Sic bringen auch
nur im Wesentlichen den Text der 5 Hauptstücke ohne
Erklärungen oder sonstigen Kommentar. Beide Texte
sind dankenswerter Weise in vollem Wortlaut und in
der originalen Orthographie abgedruckt. Die Polemik
ihretwegen wurde nicht nur zwischen den beiden Verfassern
geführt, sondern begann eigentlich zwischen Ra-
pagelan, Professor der Theologie an der Königsberger
Universität, der den Katechismus des Seklucyan befürwortete
, und Speratus, dem Bischof von Pomesanten,
der die spätere Fassung des Maletius angeregt hatte
und diese amtlich einführen wollte. Er wurde damit
der eigentliche Urheber der beiden Streitschriften, die die
Verfasser gegeneinander veröffentlichten, wobei übrigens
keiner Sieger blieb, denn schließlich wurde keiner der
beiden Katechismen amtlich verpflichtend. Die alte Gegnerschaft
flammte noch einmal 1551/52 auf, als sich
beide Männer um die polnische Ubersetzung des Neuen
Testamentes bemühten.

Wie Neumann an Hand des Wortlautes der Streitschriften
, besonders der des Maletius nachweist, geht es
beiden Verfassern nicht so sehr um theologische Gegen-
Gegensätze, als vielmehr um die leichtere sprachliche
Verwendbarkeit und Richtigkeit des Katechismus. Beide
Arbeiten sind nämlich, jede in ihrer Art, wertvolle
Sprachdenkmäler der polnischen Literatur, die von Neumann
mit allen ihren Eigenarten gründlich besprochen
werden. Seklucyan, dessen Zugehörigkeit zum Deutschtum
Neumann erfreulicherweise wieder stark betont,
hat das Polnische nie völlig beherrscht und leistet sich

darum in seiner Schrift eine Reihe grober Sprachschnitzer
, ist aber andererseits bemüht, alte, dein Volk
vertraute polnische Wendungen wieder aufzunehmen, also
ganz im Sinne Luthers „den Leuten aufs Maul zu
schauen". Der aus Südpolen stammende Pole Maletius
dagegen ist vernarrt in die tschechische Sprache und behauptet
, daß man ohne Anlehnung an diese elastischere
und differenziertere Sprache überhaupt keine religiöse
Literatur in reinem Polnisch schaffen könne. Im Angriff
auf die schlichtere, aber hier und da in der Wahl
des gelehrten Ausdrucks vorbeigreifende Fassung des
Seklucyan verteidigt er darum seine zahlreichen Bohemis-
men, die doch tatsächlich dem polnischen Landvolk in
Preußen, das mit der tschechischen Kultur und Sprache
gar keine Berührung hatte, völlig unverständlich bleiben
mußten. Nebenher versucht namentlich Maletius dem
Seklucyan z. B. wegen der Anordnung der Hauptstücke
und anderer kleinerer Abweichungen auch in den Sprachformen
theologische Irrtümer und Ketzereien nachzuweisen
, Vorwürfe, die Sklucyan in vornehmster Art zurück-
| weist.

So zeigt auch dieser Schriftwechsel etwas von der
. verhängnisvollen Art der gesamten reformatorischen Bewegung
in Polen, die über kleineren Streitereien das
Wesentliche übersah. Zugleich wird von neuem bestätigt
, wie treu Herzog Albrecht, Bischof Speratus und
andere deutsche Kreise sich um die religiöse Versor-
j guiig der polnischen Landeskinder mühten,
i Posen 1. R Ii o d c

I Ky m e u s, Johannes : Des Babsts Hercules wider die Deudschen.

Wittenberg 1538. Als Beitrag zum Nachleben d. Nikolaus von
Cues im 10. Jh. eingel. u. hrsg. v. Ottokar Menzel. Heidel«

I berg: Carl Winter 1941. (88 S., 1 Taf.) gr. 8" = Cusanus-
Studien (t Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad. d. Wiss. Phllot.-

I hist.-Kl. Jg. 1940/41. Abh. 6. RM 4.50

Menzel will diese Neuatisgabe einer antirömischen
I Flugschrift, die „ein Zeugnis für das Nachwirken des
I cusanischen Werkes im Bereich des Kirchlich-politi-
| sehen" ist, angesehen wissen als einen „Baustein für
! eine von späterer Zeit, auf einem anderen Stand der
I Forschung zu leistende Geschichte des geistigen Nach-
i lebeus des Nikolaus von Cues, eine Geschichte, die den
j großen, oft bestimmenden Einfluß des Cusaners auf
' den deutschen, ja den europäischen Geist in seinen
mannigfachen Strömen und Formen zu erweisen hätte".
Die Flugschrift des Kymeus von 1538 - ob er bei dein
; Erscheinen derselben schon Superintendent in Kassel
war? - war eine Entgegnung auf eine Schrift des Joh.
Cochläus, Von der Donation des Keysers Constantini
. . . 1537, mit der dieser den Zornsausbruch Luthers
in seiner Schrift: Einer aus den hohen Artikeln päpstlichen
Glaubens, genannt Donatio Constantini, . . . 1537
abzuwehren gesucht hatte. Menzel meint S. 15 der Einleitung
, daß Kymeus die Bezeichnung des Nikolaus
von Cues als Herkules des Papstes wider die Deutschen
den von ihm viel benutzten, von Caspar Hedio verfaßten
Paralipomena zur Chronik des Burchard von Ursbefg
entnommen habe, die in diesem Punkte auf die Geschichte
des Basler Konzils des Äneas Sylvins Piccolomini
zurückgehen; dort wurde der Cusaner als Herkules
. . . omnium Eugenianorum (d. i. aller Anhänger des
Papstes Eugen IV.) gekennzeichnet. Vielleicht Rat sich
Kymeus aber auch des Luther als Hercules Germanicus
darstellenden, in der 2. Hälfte des Jahres 1522 bei
Joh. Frohen in Basel erschienenen, nach einer Zeichnung
Holbeins angefertigten und von Erasmus inspirierten
Holzschnitts e rinueit (vgl. Daniel Burckhardt-Werthniann
in der Basler Ztschr. f. Gesch. u. Altertumskunde 4,
18 ff., Theophil Burckhardt-Biedermann ebd. S. 43 ff.).
Das „wider die Deutschen" klingt wie eine Abänderung
des „Germanicus". Die Textgestaltung der Neuausgabe
ist untadelig, die Bestimmung der von Kymeus benutzten
oder angeführten Stellen aus den Schriften des Cusanus
und der sonstigen Citate sehr sorgfältig.

Zwickau i. Sa. Otto Giemen