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Ausgabe:

1943

Spalte:

87-89

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Balscheit, Bruno

Titel/Untertitel:

Alter und Aufkommen des Monotheismus in der israelitischen Religion 1943

Rezensent:

Möhlenbrink, Kurt

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keit Jahwes sei identisch mit seiner Göttlichkeit, die
allem Nichtgöttlichen gegenübergestellt werde. So bedeute
die Heiligkeit zuerst, daß Gott, im Himmel thronend,
viel größer als alles Geschaffene sei, ferner sei er von
solcher Größe und Erhabenheit, daß er vollkommen und

fjanz anders als alles außer ihm Vorhandene sei; schließ-
ich sei es von allem Unreinen vollkommen frei und besitze
alle Tugenden, die ein Vollkommener besitzen
müsse. Eine Entwicklung des Begriffes wird abgelehnt,
wohl aber ein Wandel der Akzente in der Darstellung
der Heiligkeit für möglich erachtet.

Wie schon die umfangreiche Definition zeigt, wird
hier versucht, Dogmen und alttestamentlichen Befund
in Übereinstimmung zu bringen. Dabei fallen viele gute
Beobachtungen ab. Aber gelegentlich wird das Ergebnis
nur durch Rabulistik erzielt. Eine wirkliche Lösung
der Frage, die etwa über J. Hänels Religion der Heiligkeit
hinausführte, bietet die Abhandlung nicht.
Greifswald Leonhard Rost

Baischeit, Bruno: Alter und Aufkommen des Monotheismus
in der israelitischen Religion. Berlin: A. Töpelinann 1938. (VII,
144 S.) gr. 8° = Beihefte z. Zeitschr. f. d. Alttestamentliche Wissenschaft
69. KAI 8—.

Das verzögerte Erscheinen dieser Besprechung hat
darin seineu Grund, daß das vorliegende Buch dem Rezensenten
erst im Dezember 1940 zuging.

Es überrascht zunächst, daß in dieser Arbeit der herkömmlich
als erster Monotheist in Israel geltende Deu-
terojesaja nur eine beiläufige Erwähnung erfährt (S.
135); Baischeit behandelt überhaupt nur die vor-
exilische Zeit und begründet das damit, daß schon bei
Jeremia und im Deuteronomium seine Definition des
Begriffs Monotheismus im ganzen erfüllt sei. So konstatiert
er, S.123, Monotheismus sei bei Jeremia . . .
„sehr wahrscheinlich", und auf S. 133 wird im Deutero-
nomium gar ein doppelter Monotheismus gefunden, indem
dort ein Monotheismus der geschichtlichen Alleinwirksamkeit
Jahwes und ein gesteigerter „Monarcho-
theismus", der Monotheismus sei, da er Jahwe die „Verfügungsgewalt
über die die anderen Götter" zuerkenne,
nebeneinanderstehen. Das klingt gewiß reichlich abstrakt,
aber B.s Buch hat Partien, die mit größerer Eindringlichkeit
geschrieben sind. In der bis zum Deuteronomium
und bis zu Jeremia reichenden Geschichte eines Hauptproblems
des alttestamentlichen Gottesglaubens, die der
Verf. gibt, sind zunächst seine Behandlung des „Beitrags
der janwistischen Erzählungsschicht" und des „Beitrags
der elohistisehen Erzählungsschicht" (Kap. 6 und 7) mit
Gewinn zu lesen. Es finden sich da gute Beobachtungen
über die Sonderstellung der Urgeschichte beim Jahwi-
sten (S. 93) und die Bedeutung von Schöpfuugs- und
Erwählungsglauben dort; der Schöpfungsglaube wird gesehen
als Ausdruck „des weiter nach rückwärts drängenden
Erwählungsgedankens", da er die „Einheit der Welt,
die Schöpfungstat Jahwes und seine alleinige Existenz
sichern" soll, also nicht eigentlich universalistisch gedacht
ist. Dies ist sicher richtig beobachtet; die iahw istische
Urgeschichte ist ja viel mehr Abfallsgeschichte als
Heilsgeschichte; ihre Spitze scheint mir geradezu antiuniversalistisch
. Gewiß ist B. auch im Recht, wenn er bei
der Besprechung des Elohisten gegen Rudolph und
Volz darauf hinweist, daß die Existenz dieser Quelle
durch die „durchgehenden Linien" der Gedankenführung
, die sich in ihr aufzeigen lassen, gesichert ist. Das
fünfte Kapitel, das die Verwurzelung Israels im Kulturland
nach der Einwanderung in Palästina bespricht,
scheint mir das bestgelungene im ganzen Buch; es wird
herausgearbeitet, wie die Ergebnisse der Landnahme
einen Zuwachs an religiösen „Erlebnismöglichkeiten"
brachten, der für alle Folgezeit entscheidend wurde: Erweiterung
des „Wirkungskreises" der Gottheit, Verwurzelung
der Gottheit im Glauben der breiten Masse, Aufkommen
der Vorstellung von Jahwe als „Himmels-
könig" seien als Hauptmerkmale genannt. Der Vorsehungsglaube
, den der Verf. ebenfalls in dieser Epoche
entstellen läßt, dürfte ältere Wurzeln haben. Auf der anderen
Seite zeigt der beginnende „Identifikationsprozeß"
der Gottheiten und Glaubensvorstellungen die Gefahren
der neuen Lage. Nicht alles sieht der Verf. richtig; daß
z. B. in 1. Kön. 19,9 ein „Protest gegen die alte genuin-
jalnvistische Vorstellung von Ex. 19, 14ff.*' vorliegt (S.
74), ist ausgeschlossen: gerade umgekehrt ist dieser
Text, wie zum mindesten die anschließenden Aufträge
an Elia beweisen, ein Bekenntnis zum dämonischeil Wü-
steugott. Etwas knapp skizziert das achte Kapitel den
„Beitrag des prophetischen Elements" zum israelitischen
Monotheismus. A. Kuenen's These vom „ethischen
Monotheismus" wird übernommen, jedoch vor allem
durch Hinweise auf die „spezielle psychologische Grund-
i richtung der Propheten", womit insbesondere ihre ekstatische
Disposition gemeint ist, unterbaut und so aus
der rein zeitgeschichtlichen "Deutung herausgenommen.
Gute Formulierungen warnen vor der Gefahr der Übcr-
| höhung des prophetischen Goftesbikles: „prophetische
j gaii/.heitliche Ergriffenheit ist noch kein Monotheismus"
j (S. 100); nicht die Frage ,was ist Gott?', sondern die
1 Frage ,was will Gott?' steht bei den Propheten im
; Vordergrund (S. 103). Sehr richtig wird darauf hingewiesen
, wie bei Arnos der Gottesbegriff die Grenzen
i von Raum und Zeit gleicherweise sprengt (110); Vergleiche
mit den anderen Propheten wären hier um!
sonst nützlich gewesen. Man möchte überhaupt diesem
über die Propheten handelnden Kapitel eine breitere exegetische
Grundlage wünschen. Und ebensolches könnte
man mit Gründen vom folgenden neunten Kapitel sagen,
! das den „Beitrag des Deuteronomiums" analysiert. Aber
j im ganzen nimmt man die Anregungen des Verf.s hier
dankbar auf.

Den einleitenden ersten vier Kapiteln vermag ich

; schwerer zu folgen. In den Kapiteln 2—4 untersucht der
Verf. in genügender Breirte, aber ohne daß seine Ausführungen
immer gerade auf seine Zielsetzung hinführen,

j den „Beitrag der Mosezeit", die „Möglichkeit einer Anknüpfung
nach rückwärts" und den „Beitrag der Umwelt
". Schon in der Mosezeit liegt eine Tendenz zum
Monotheismus; indem schon damals die Einheit und
alleinige Gültigkeit des als Führergott gedachten Jahwe
erlebt wird (Henotheismus). A. Alfs Schrift über den

! „Gott der Väter" (1929) hat gezeigt, daß schon die vormosaischen
Sippengötter Züge aufwiesen, die als Vorbereitung
des Jahweglaubens verstanden werden können;
dennoch denkt B. vorwiegend skeptisch über die Möglichkeit
der Anknüpfung Jahwes „nach rückwärts".

'Im ersten Kapitel gibt Baischeit seine Definition
des Begriffs Monotheismus, wobei er mit Recht von der
Voraussetzung ausgeht, daß Monotheismus keine philosophische
Aussage, sondern ein Glaubensverhältnis sei.

; Drei Dinge sind ihm konstitutive Merkmale des Monotheismus
: der Universalismus der Gottesvorstellung; der
Gedanke, daß die eine Gottheit die Allkausalität sei;
die Verneinung der Existenz fremder Gottheiten. In
diesem Sinne grenzt der Verf. den Monotheismus vom
Henotheismus, von Monolatrie, naivem und praktischen
Monotheismus, „Monotheismus der Andacht" u. dgl. unechten
Grenzgebilden ab. Aber geht es wirklich so? Ich
glaube doch, daß die I>efinition, die der Verf. gibt, nicht
ausreicht; sie ist zu eng. Für außeralttestamentliche Gebiete
reicht sie schon garnicht zu; es hat in hellenistischer
Zeit viele gebildete Griechen und Römer gegeben,
die die Götter des Volksglaubens als verschiedene Erscheinungsformen
eines Gottes ansahen, waren das
etwa keine Monotheisten? Es mag im Alten Orient hier
und da dieselbe Einstellung gegeben haben. Ich glaube,
der Verfasser hätte seine Themastellung mit Nutzen

■ freier formuliert und etwa eine „Geschichte der Gottesvorstellungen
im Alten Testament" schlechthin schreiben
sollen; was liegt an der Scheidung der schmalen
Übergänge zwischen „ethischem Monotheismus", „naivem
Monotheismus", „praktischem Monotheismus" und