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Ausgabe:

1943

Spalte:

69-80

Autor/Hrsg.:

Wendland, Walter

Titel/Untertitel:

Arbeiten zur Kirchengeschichte Ostdeutschlands in der Neuzeit 1943

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69 Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 3/4 70

in der die zelotische Kijvoos-cpööo; -Frage so in der Luft : haKung des überkommenen Jesuswortes, das für -eine
liegt, wird ihm, um den die Vollmacht-Erörterungen scliwir- eigene Haltung primär bestimmend war, zu bestätigen
reu, diese Frage gestellt und gibt er Antwort. Daran scheint und daß sie in dessen Anweisung zum praktischen Ver-
mir' nach wie vor jede Möglichkeit der von Dibelius halten gegen die Obrigkeit einmündeten. Ob es freilich
wieder aufgenommenen ironischen Deutung des Wortes D. gelungen ist, solche Zusammenhänge mit der paräne-
über den Kaiser rettungslos zu zerbrechen („es ist Leicht tischen Tradition wirklich wahrscheinlich zu macheu, ist
zu sehen, daß dieser Parallelismus ironisch gemeint ist"; mir zweifelhaft; außer dem einen Wort über das Gehor-
ohne weitere Begründung). In dieser Situation ist kein samsgelübde des Essener bei Jos. Bell. 2,140 scheinen
Raum für eine Antwort, deren harmlose Pointe darin ihm selbst die angeblichen Parallelen „meist eine andere
besteht, daß man um des'Interimistikums willen den Kai- Ausrichtung" zu haben (vgl. die von mir Th. L. Z. 1Q42
ser mit seiner unwesentlichen — Steuerangelegenheit Sp. 150 f. angemeldeten Bedenken, die Dibelius z. B.
gewähren lassen möge. In dieser Situation gibt es keine in Bezug auf das Wort des R. Chanaja Aboth 3,2 gleich-
unwesentliche, harmlos beiseitezuschiebende Steuerange- falls wenigstens anklingen läßt). Jedenfalls dünkt mich
legenheiit sondern nur ein Entweder-Oder. nach wie vor der Zusammenhang von Pauluswort und
3. Aus diesem entgegengesetzten Verständnis des Jesuswort sehr viel sicherer und begründeter. Es spricht
Jesuswortes folgt mit Notwendigkeit eine ebenso ver- für ihn: 1) die gemeinsame Grundhaltung (bei richtiger
schiedene Sicht seiner Nachwirkung bei Paulus und Auslegung des Jesuswortes), 2) die Anwendung der
weiterhin. Wenn man, wie D. es tut, das Jesuswort Grundhaltung auf die spezielle Frage des ipöoo?, J) die
wesentlich staatsuegierend faßt, bleibt ja keine andere eigenartige, in beiden Fällen den Satz bildende Präg-
Wahl als die Annahme, die Jesusperikopc sei im ältesten nanz des Ausdruckes, 4) die sonstige Häufung von An-
Christentum unbeachtet und wirkungslos geblieben und klängen an Jesusworte im Kontext der Kapitel Rom.
die mit Paulus einsetzende staatspositive Haltung müsse 121'. I). wendet ein, die Worte des Paulus „verraten
aus anderen Quellen erklärt werden, nämlich aus der keine Kenntnis des zweiteiligen Wortes Jesu, in dein
hier einsetzenden jüdisch-hellenistisch-paränetischen Tra- neben die Staatspflicht ein anderes, höheres Gebot ge-
dition. Der von mir (übrigens im Anschluß an H. J. stellt wird". Damit ist aber jener abwertende Ton in der
Holt/mann) angenommen Rückgriff in Form einer freien zweiten Hälfte des Jesuswortes vorausgesetzt, der in
Zitation des fesuswortes durch Paulus muß dann na- Wirklichkeit eine Eintragung ist. Weil für das echte Ver-
türlich abgelehnt werden. Nun brauchte gar nicht bestrit- ständnis des Jesuswortes dessen beide Hälften nicht ge-
ten werden, daß ein Teil der paulinischen Aussagen, geneinander standen, brauchte der Nachdruck nicht auf
wie etwa die vom gottgesetzten Charakter jeder Obrig- der Zweiteiligkeit zu liegen, und kam niemand, wenn
keit, seine außerchristHchen Parallelen hat. Wesentlich der zweite Teil zitiert wurde, auf dem Gedanken, damit
wäre dann nur, daß, soweit Paulus au solche Traditionen könne der erste Teil in Frage gestellt sein, dessen Selbstangeknüpft
haben könnte, sie ihm dienten, die Grund- Verständlichkeit der Christenheit zu allen Zeiten galt.

Arbeiten zur Kirchengeschichte Ostdeutschlands in der Neuzeit

(10 Jahre Territorialkirchengeschichte Ostdeutschlands, 3. Teil)
Von Walter Wendland, Berlin

Dieser dritte Bericht, der sich auf die neuere K. G. in eingehenden Untersuchungen. Leider sind diese Stubezieht
, stellt heraus, was die kirchengeschichtlichen Ver- dien nicht in einem Buch vereinigt herausgegeben wor-
eine in ihren vielen kleinen und größeren Aufsätzen ge- den, sondern das Werk mußte in kleine Aufsätze zerleistet
haben. Da in der Zeit nach dem 30 jährigen Krie- rissen und an verschiedenen Stellen gedruckt werden. Die
ge infolge der allgemeinen Säkularisation das kirchliche evangelische Kirche hat nicht das Geld aufbringen kön-
Lebeu nicht mehr der tragende Grund der allgemeinen neu, um diese Arbeit in einem Buch herauszubringen. Es
Kultur war, so hat der Profanhistoriker nicht das Leben ist nicht möglich, festzustellen, welche Melodien man
der Kirche in den Vordergrund zu stellen, sondern unbedingt als Crügerschc Choralmelodien bezeichnen
es tritt vor der Behandlung des politischen Lebens mehr darf. In seinen jüngeren Jahren hat er sich eng an
in den Hintergrund und der Historiker erwartet, daß Schein angeschlossen, er hat fremde Melodien über-
die Vertreter der Kirche ihm die Untersuchungen über nonunen und sogar sein 1. C. unter solche gesetzt. All-
die Entwicklung des kirchlichen Lebens abnehmen; er mählich wurde er selbständiger, bis vielleicht unter dem
berücksichtigt das kirchliche Leben nur dann stärker, Einfluß seiner zweiten Frau das schöpferische Lied in
wenn Darstellungen auf Seiten der Kirche vorliegen, ihm zur Reife gekommen war. So muß Elisabeth Fi-
oder wenn große Persönlichkeiten aus dem kirchlichen scher jede einzelne Melodie daraufhin prüfen, welche
Kaum heraus in das öffentliche Leben hineinwirken. Vorbilder ihr zu Grunde liegen, ob die Melodie leichter
Die kirchengeschichtlichen Vereine haben, wie ein Ber- oder stärker überarbeitet ist, oder ob eine wirkliche Neu-
liner Historiker sagte, „mit geringen Mitteln und durch Schöpfung vorliegt. Das ist ein außerordentlich mühe*
amtliche Unterstützungen wahrlich nicht verwöhnt", in voller Weg, der aber allein zur Klarheit führt; daß sie
der Stille fleißig gearbeitet und haben durch ihre sach- diese Einzelarbeit nicht gescheut hat, kann nicht aeniig
liehen Aufsätze das Vertrauen und die Unterstützung anerkannt werden. Auf Grund dieser Untersuchungen
der Historiker gefunden, auch zum Teil durch ihre Ver- konnte Otto Brodde - ein kleines Heft über Johann Crü-
öffentlichungen dem Kulturhistoriker das Material zur ger herausgeben, das die Resultate der Forschung wei-
Verfügung gestellt, so daß dieser in seiner allgemeinen teren Kreisen zugänglich machte. Leider gibt er in der
Darstellung die Kirche berücksichtigen kann. Literatur nicht an, wo die Aufsätze der klugen, kenntnis-

Neuerdiugs scheinen die Kirchenbehörden dieser ter- reichen Verfasserin zu finden sind. Er hätte auch bis-

ritorialeu K.G.-Forschung stärkere Aufmerksamkeit zu weilen nicht von der Darstellung der E. Fischer abwei-

schenken. chen dürfen. So ist hei Fischer zu lesen, daß die Ber-

Bra nde ii bürg liner Domkirche damals auch Dreifaltigkeitskirche eine

Zeit des Großen Kurfürsten. Johann Crü- Zeitlang hieß. Er macht zwei verschiedene Kirchen
ger, der große Schöpfer der Chorahnelodien ist endlich

durch Elisabeth Fischer-Krückeben?1 eewürdiet worden P**»™ eM. i')3i, S. 27-52. — CbcmrimekxMca,

n PW^H. a * ■■* tbd- U)33, S- 31_98- ~ Zeitschrift für Musikgeschichte, Jahrg.

1) folgende Aufsatze von Elisabeth Fischer-Krückeberg sind zu 1Q3I—32. - Mitteilungen des Vereins für Geschichte Berlins 1932

beachten: Zur Geschichte der reformierten Gesangbücher des Berliner | 2) Otto Brodde, Johann Crüger. Sein Weg und sein Werk

Kantors Johann (.ruger.. Jb. Brandenburg I93Ö, S. 156-180. (Heft 13 der Sammlung: Welt des Gesangbuches, Hamburg 1936