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Ausgabe:

1943

Spalte:

48-50

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schwamm, Isidor

Titel/Untertitel:

Die Heilige Schrift in den Predigten Prokops von Templin 1943

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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48

Universität als „Bildungskirche"). Besonders eindrucksvoll
ist die Schilderung, wie der im Raum dieser Geistigkeit
unterrichtete junge Mensch beim Hinaustritt ins
wirkliche Leben die ganze Untauglichkeit dieser Bildung
und Schulung erfährt.

Die kritische Haltung überwiegt nun freilich auch in
dem dritten großen Abschnitt des Buches über die „Aufbaugedanken
. 13er Weisheit letzter Schluß ist auch
hier immer wieder ein Appell zur Kritik, vor allem zur
Selbstkritik. Der Vfr. spricht es selber aus, daß die
„Bauvorschriften" noch in der Form von Verboten verzeichnet
sind; es sei aber zu hoffen, daß, sobald man
sich wirklich auf den Bauplatz der Zukunft begibt,
der positive Sinn dieser Verbote ans Licht tritt. Hier,
beim Übergang von der Kritik zu positiven Aufbaugedan- j
ken zeigen sich die Schwächen des Buches am deutlichsten
. Diese Schwächen haben ihren Grund z. T. darin,
daß vorher von der Vergangenheit und Gegenwart ein
Bild entworfen wird, welches eigentlich den Glauben
au künftige Aufbaumöglichkeiten schwinden läßt und die
„Verlegenheit" des Menschen als ein bleibendes
Verhängnis menschlicher Existenz in Sicht bringt; letztlich
wird ja die ganze bisherige Geschichte Europas als
ein fortdauernder Sündenfall aufgezeigt: der Mensch
überschritt immer seine Grenzen und reihte so Zusammenbruch
an Zusammenbruch. Eine solche Schilderung
läßt den neuen Aufbau gleichsam als die unmögliche
Aufgabe einer Schöpfung aus dem Nichts erscheinen.
Der Vfr. muß deshalb nachträglich die Kontraste etwas
mildern; so erfahren wir, daß das „Ruinenfeld" selbst
„das Baumaterial für das Neue" liefert. Wie kann man
aber mit brüchigen Steinen etwas Dauerndes bauen?
Nun sollen aber nicht die Steine, die Ideen, sondern
nur die Art ihrer Verbindung, das System, brüchig ge-
Wesen sein. Ist aber den Ideen das System nicht un-
trennbar immanent? Aber wie dem auch sei, jedenfalls
wird sichtbar, daß auch Grisebach irgendwie eine Kontinuität
zwischen Vergangenheit und Zukunft annehmen
muß. Er spricht in diesem Zusammenhang von „Findlingen
" und „Natursteinen", ohne sich aber durch diese
Bilder zur ernstgeiioiimienen Frage führen zu lassen, wie
weit die natürlichen Ordnungen und Kräfte des
Lebens (Blut und Boden, Rasse und Volk) echten Baugrund
und notwendiges Baumaterial liefern. Der Vfr.
scheint die Mächtigkeit der natürlichen und seelischen
Elemente und Prinzipien allzusehr zu unterschätzen
(283 f.); er ist mit einem Sprung gleich immer wieder
beim „Geist". Von der „Heimat" und auch von der
„Heimat des Europäers" muß man doch etwas anders
reden als es Grisebach tut, bei dem mau nicht recht
sieht, ob dieser Heimatgedauke auch eine natürlich-
völkische Seite hat oder nur geistige Beziehungen umfaßt
; auch die „Sprache" sehen wir tiefer im Naturgrund
des Lebens verwurzelt, ohne sie deshalb weniger
hoch in den Raum echter Geistigkeit und Gemeinschaft
emporragen zu sehen. Mit diesen Hinweisen wollen wir
Grisebach nicht zu Ideologien bekehren, sondern vor
Wirklichkeiten stellen, welche heute das Leben Europas
neu bestimmen; fordert er doch selbst immer wieder
„Wirklichkeitssinn" und gibt zu beachten: „Der gemeinsame
Weg zum realen Aufbau des zukünftigen Europa
führt auf der Erde entlang und nicht in den Wolken"
(275). Die positiven Grundkräfte, durch welche nach
Grisebach die Brücke in die Zukunft geschlagen wird,
nämlich das kritische Gewissen, der Glaube und der
Wirklichkeitssinn, umfassen und enthalten mehr als hier
sichtbar wird, vor allem der „Wirklichkeitssinn". Vor
Augen stehen vor allem die Werte und Tugenden»
welche die Jugend Europas heute auf den Schlachtfeldern
im Kampf gegen den Bolschewismus leuchtend
vorlebt. Man kommt bei dem Buch aus zwiespältigen
Eindrücken nicht heraus, auch wenn hier und dort immer
wieder bedeutsame Einsichten fesseln und überzeugen.
Vortrefflich sind z. B. die Ausführungen über den Historismus
(139), interessant die Schilderung des eigenen

Bildungsganges, welche das Denken und Sinnen unserer
letzten Vergangenheit wirklich lebendig macht. Die
scharfe Kritik am verflossenen Zeitalter, auch an der
modernen Religiosität in Theologie und kirchlicher Praxis
ist weithin zutreffend (z. B. an der „christlichen Soziologie
" der anglikanischen Kirche, 262). Sehr eindrücklich
sind die Worte über Christus und sein Kreuz (109).
Man könnte U. a. auch auf die schönen Ausführungen
über das Arbeitsethos des Europäers, über den Zusam-
manhang von Arbeit und Feierabend (299) und auf das
Wort über die Arbeit selbst hinweisen: „Arbeit betätigt
sich an einem natürlichen oder ideellen Material, das
uns zur Bearbeitung für die Gemeinschaft aufgegeben
ist" (300). Auch die Andeutungen einer Logoslehre enthalten
fruchtbare Ansätze und decken den sittlich-religiösen
Verantwortungsgrund aller wissenschaftlichen Arbeit
auf. Dafür ist dem Vfr. zu danken. An entscheidenden
Punkten verengt er aber seine Betrachtung, der
eigenen Grundforderung zuwider, auf den akademischen
Raum und lenkt sie ab in die Abseitigkeit einer akademischen
oder individualistisch-privaten Sicht. Wenn man
an den Kampf um die Schicksalsfrage Europas auf den
Schlachtfeldern des Ostens denkt — und welcher Europäer
mit Wirklichkeitssinn muß das heute bei dem
Thema, das der Vfr. sich gestellt hat, nicht tun ,
dann wünscht man bei der Lektüre seines Buches immer
wieder, daß es von der Wahrheit des Satzes viel mehr
durchdrungen wäre: „Durch Wissenschaft wird die
Schicksalsfrage nicht gelöst" (208).

Wien H. W. S c h in i il t

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Schwamm, P. Isidor: Die Heilige Schrift in den Predigten

Prokops von Templin. Mit bes. Berückt, s. Kircher. iahnprediKtra.
Eine homilet.-theol. Unters. üIkt tl. Preilijrtjfcsch. im 17. Jh. f)iss.
Münster i. W. Passau: Buch*. AO. Pass;ivia 1941. (227 S.) $°.

In dieser der kath.-theol. Fakultät der Universität
Münster vorgelegten Dissertation handelt es sich um die
katholische Predigt in der Barockzeit. Statt allgemein
gewordene Redensarten nachzusprechen, vielmehr um zur
Bekräftigung oder Widerlegung bisheriger wissenschaftlicher
Untersuchungen beizutragen, wählte Schwamm den
Weg, einen der bedeutenderen Barockprediger zu studieren
, nämlich den Prokop (Andreas) von Templin (geboren
1609 oder 1607 zu Templin in der Nähe von Berlin
, etwa von 1620 bis 1625 in Berlin wohnhaft, 1627
zu Prag zur katholischen Kirche übergetreten und Kapuziner
geworden, als solcher dann Prediger in Südböhmen
, Wien, Passau, Herausgeber zahlreicher Predigtreihen
, Dichter von Liedern, davon 12 später in „Des
Knalien Wunderhorn" Aufnahme fanden, gestorben 1680)
und nun die Predigten des Prokop gerade auf ihr Verhältnis
zur Bibel zu untersuchen. Über diesen Prokop
von Templin hatte Veit Qadient 1912 gehandelt (Deutsche
Quellen und Studien ed. W. Kosch, Heft 3), in der
Zeitschrift „Die Kultur" von 1913 Kober, im „Eupho-
rion" 1914 und 1915 Kober; Wieser hatte 1916 ein
Buch über Prokop (und 1911 13 Artikel in der „Gottesminne
") veröffentlicht; im Katholischen Kirchenblatt von
Berlin waren 1938 Artikel zu Prokop erschienen und
1939 hatte Eder in der Linzer Quartalschrift die Aufmerksamkeit
auf Prokop gelenkt. Die Barockpredigt
ihrerseits hatte in neuester Zeit nicht nur bei den Bearbeitern
der Predigtgeschichte, sondern auch bei Bearbeitern
der Literatur- und Kulturgeschichte Interesse erweckt
(siehe Schwamm S. 11 13). Sogar eine Homiletik
der Barockpredigt gibt es: M. Neumavr „Die Schrift-
predigi im Barock auf Grund der Theorie der katholischen
Barockhomiletik", 1938.

Schwamm untersucht nun die Predigten des Prokop
zuerst auf ihren Bibelcharakter überhaupt. Wie in der
Barockpredigt sonst ist auch bei Prokop zu konstatieren:
er hält seine Predigt schon für biblisch, „wenn er das