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Ausgabe:

1943

Spalte:

40-43

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Weigand, Richard

Titel/Untertitel:

Die Anthropologie von Ernst Moritz Arndt 1943

Rezensent:

Knevels, Wilhelm

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auch die Schule von Salamanca, so auch Suarez, sind
Gegner der These, es werde z. B. der Satz „Gott hat die
Trinität geoffenbart" durch ein Urteil der natürlichen
Vernunft vor oder neben dem Glaubensakt anerkannt;
vielmehr wird der Satz „Dies und das hat Gott geoffenbart
" durch ein Glaubensurteil, also mittels des Glaubensaktes
selbst, als gewiß anerkannt. Soweit geht Suarez
mit den übrigen Anhängern des Thomas konform. Er
geht aber über sie hinaus in der Antwort auf die Frage
(und eigentlich schon in der Fragestellung): Wie wird
ein Glaubender, also einer, der der Tatsache „Dies und
das hat Gott geoffenbart" im Glauben gewiß ist, dessen
sich bewußt, daß dies eine göttliche Gewißheit, eben
eine ülaubensgewißheit ist? Zwei Antworten lehnt Suarez
ab; zum ersten: es müsse hier eine Schlußfolgerung des
Glaubenden eintreten; zum anderen: man müsse sich damit
zufriedengeben, daß „der Glaubenshabitus die Glau-
benszustinimung gleichsam gnadenhaft-schöpferisch rein
aus sich heraus ohne Rücksicht auf den Glaubensgegenstand
erzeuge" (Deuringer). Die erste Ansicht vertrat
Marsilius, die zweite Skotus. (Ganz ausgeschlossen bleibt
eine dritte Ansicht: das Geoffenbartsein einer Wahrheit
werde vom Glaubenden nur mit fides humana festgestellt
denn so wäre die Göttlichkeit des Glaubens im
Kerne bedroht.) Gegen Marsilius wendet Suarez ein: eine
Schlußfolgerung müßte sich auf eine andere Offen-
bnnmgserkenntnis, diese wiederum auf eine andere, u. s.
w., stützen, also käme es zu einem regressus in infini-
tum; gegen Skotus wendet Suarez ein: Skotus blickt auf .
das Ontologische der Angelegenheit, es soll und muß
aber auf das Logische geblickt werden. Des Suarez
eigene Antwort faßt Deuringer so zusammen: Im Glauben
an den geoffeubarten Gegenstand ist implicite enthalten
der Glaube an das Geoffenbartsein des Gegenstandes
; beides umfaßt derselbe Glaube in einem ein- '
zigen Akt. Also: Inhalt der Offenbarung und Geoffenbartsein
dieses Inhaltes wird in einem einzigen Akt ge-

§laübt — wohlverstanden: geglaubt! Darin geht nun
uarez über die Schule von Salamanca und erst recht
über die anderen Anhänger des Thomas hinaus, daß er
in seiner Antwort „die logische Gewißheitsbegründung"
von der Frage nach der „ontologischen Verwirklichung
des Glaubens" unterscheidet! „Die Zuspitzung der Spekulation
über den Glauben auf die Frage der subjektiv-
bewußten Vergewisserung und eine Strukturanalyse des
Glaubens, bei der die Eigenart der logischen Gewißheitsbegründung
klar gesehen und deutlich abgehoben ist
von der ontologischen Wirkursächlichkeit der Gnade und
der psychologischen Ausstattung des glaubenden Subjekts
" — das ist nach Deuringer das Neue bei Suarez,
Suarez spaltete „das in sich geglaubte Motiv der thomi-
stischen Schuttraditiou auf und fand darin ein virtuelles
logisches Verfahren vor". Der Glaube bleibt ganz göttlicher
Glaube, aber er ist als solcher logisch, nicht einfach
Tatsache.

Diesen Unterschied zwischen logischer und ontologi-
scher (bezw. psychologischer) Blickrichtung in dem Traktat
De fide des Suarez deutlich (zum mindesten deutlicher
als je (cf. J. Mausbach, Kath. Moraltheologie II
20 ff.) aufgezeigt zu haben, ist das Verdienst Karl Deu-
ringers auf dem theologie-historischen Gebiet. Ein zweites
Verdienst seiner Dissertation liegt darin, daß er das
Verhältnis der 1619 (ed. Alvarez) gedruckten Vorlesung
De fide des Suarez (gehalten 1609/10 und 1613/15) zu
der ungedruckten Vorlesung des Suarez vom Jahre 1582/
15S3 in Rom (vorhanden in zwei Handschriften, deren
eine in Karlsruhe, deren andere in Dillingen a. D. liegt)
nach Umfang und Inhalt verglichen und die Untersuchung
zu dem Resultat geführt hat: Suarez hat als alter
Gelehrter noch dieselbe doctrina de fide vertreten, welche
er schon als junger römischer Dozent vortrug —
und er war hier selbständiger Theologe, kein Nachbeter,
selbständig sowohl dem Thomas gegenüber als auch den
Anhängern des Thomas damals und den Salmantizensern
gegenüber.

Uahei fallen allerhand Nebenfrüchte an. D. hält es wegen der vor»
Suarez gezeigten Selbständigkeit gegenüber Thomas für möglich, daß
die später „Malinismus" genannte Jesuitentheologie eine echte Fortsetzung
der Tradition von Salamanca sein könnte, und daß erst der
„Thomisinus" der Gnadcnstrcitigkcitcn die Verengerung ,,der ursprünglich
freieren und unverbindlicheren Haltung gegenüber Thomas" geworden
sei. — Der Tractatus de fide als Vorlesung wurde so eitrig;
von dem deutschen Studenten der Karlsruher Handschrift (die Dillinger
ist spätere Abschrift eines Kollegheftes) nachgeschrieben und reingeschrieben
(Suarez diktierte!), „wegen der Wichtigkeit dieser Partien
für die Seelsorge in den im Glauben gefährdeten Gebieten Deutschlands
" und wegen der „Bedeutung derselben für die Auseinander-
setzung mit den Protestanten". Dazu eine bissige Handnote im Karlsruher
Manuskript: „irti daemones utuntur scripturis ad deeipiendoa
homines, sie quoque h;:eretici ex patre diabolo nati sunt!" — Die
Hibolr/itaite bei Suairez sind weder in den Handschriften noch in der
gedruckten Vorlesung nach der Vulgata, troizdem die Vulgata bei der
Alvarez-Ausgabe schon vorlag. — Suarez steht trotz allem „auf dein
Boden der scholastischen Lehrtradition" „und im bewußten Gegensatz
zum Humanismus eines Erasmus". — Zur „suhjektiv-ht wußten
Vergcwisserung" notiert Deuringer: Auch in der spanischen Mystik
der 2. Hälfte des IG. Jahrhunderts (vor allem bei Teresa) wird „die;
letzte Innigkeit des Gott-Secle-Verhältnisses nicht nur tatsächlich erlebt
, sondern auch beobachtet", reflexiv wird „Weise und Wirkung
mystischen Erlebens analysiert und das seelische Geschehen bis in seine
feinsten Regungen hinein bloßgelegt".

Die Kenntnis der Scholastik des 16. und 17. Jahrhunderts
wird durch die Dissertation Deuringers entschieden
geklärt und erweitert. Wir schließen uns dem
Wunsche an, daß auch die (schon druckfertigen) Texte
bald der Öffentlichkeit vorgelegt werden können.
Berlin Leonhard Fendt

Weigand, Dr. Richard: Die Anthropologie von Ernst Moritz

Arndt. Berlin: Junker u. Dfinnhaupt 1041. (99 S.) «r. 8° iNcue

dt. Forschungen. Abt. Charakterologie, psycho!, u, philo.», Anthropologie
. Bd. 15 = Bd. 305 d. Gesamtreihe. RVt 4.50.

Die Schrift stellt den äußerst interessanten Versuch
dar, vom Standpunkt der neuesten völkisch gebundenen
Anthropologie (Oswald Kroh!) das Menschenbild Arndts
zu erheben, zu verstehen und eine Begegnung mit ihm
zu vermitteln, die nicht nur durch die Parallelität geschichtlicher
Wiederholung, sondern auch durch die allem
Echten und Verwurzelten anhaftende un„wandel"barc
Wahrheit fruchtbar sei. Weigand geht ganz bewußt mit
seinem System menschenkundlicher Forschung an Arndt
heran. Er zeigt sowohl die geschichtlichen Zusammenhänge
als auch die individuelle Eigenart des Menschenbildes
Arndts und baut die Anthropologie Arndts so
auf, daß gegenwärtiges anthropologisches Wissen in ihm
Bestätigung findet (S. 14). Das bedingt natürlich eine
Einseitigkeit. Weigand behandelt bei Arndt das, was ihm
von seinem System und seiner Methode her wichtig erscheint
, und läßt anderes außer acht: Es sei „nicht alles
von Belang, was uns bei der Sichtung aufstößt, sodaß
es sich von selbst versteht, nur dort einzusetzen, wo
Ansätze von geistesgeschichtlichem Interesse gefunden
werden" (S. 15). Er scheidet zwischen dem, was ihm
bei Arndt wertvoll, und was ihm weniger bedeutsam
erscheint. Ganze Gebiete wie den „Paneiitheismus"
Arndts und seine Staatslehre (mit Ausnahme des über
soziale Gliederung Gesagten) schaltet er bewußt aus.
Und dasselbe Verfahren ist es letzten Endes, wenn er
an Arndt den Maßstab eines ,Menschen der Schwelle'
anlegt, „der, im Alten wurzelnd, in eine neue Zeit hineinragt
, ohne die Sicht- und Denkweise seines Ursprungs
ganz abstreifen zu können" (S. 16); das ,Neue' ist ja
in vielem gerade das Alte und das ,Alte* weithin neu.
Endlich sucht Weigand bei Arndt natürlich besonders die
Ansätze der in der neuen anthropologischen Forschung
für so wichtig gehaltenen mythologischen und mutter-
tümlichen Denkweise. Wir halten eine solche Einseitigkeit
an sich keineswegs für einen Mangel, sondern ziehen
sie der sonst geübten (vermeintlich) „objektiven" Forschung
vor. Ausschlaggebend ist lediglich, ob dadurch
ein überzeugendes und einheitliches Gesamtbild erreicht
wird, in das sicli auch das zunächst nicht Herangezogene
oder als unwesentlich Betrachtete irgendwie einfügt.