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Ausgabe:

1943

Spalte:

33-35

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Torsy, Jakob

Titel/Untertitel:

Geschichte des Bistums Aachen während der französischen Zeit <1802-1814> 1943

Rezensent:

Meyer, Philippe

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ernsthaft aus Quellen und sonstiger Literatur erarbeitet stermangel und der Überalterung des Klerus. Der zweite
sind, wie es E. Beckers Leistung aufweist. Der II. Band, Faktor, von dem die bischöfliche Arbeit niemals absehen
enthaltend die Schülermatrikel, ist geradezu ein kleines konnte, war das mit dem Konkordal und den organischen
Meisterwerk geworden, das für die Famiüenforschung Artikeln aufgerichtete napoleonische Staatskirchentuin.
des Dillkreises (und darüber hinaus!) seine Bedeutung Napoleon hatte der Kirche wieder eine öffentliche Stel-
hat. (Für die Lehrer bringt B. Analoges im 2. Teil des hing und Schutz für ihre Arbeit gegeben, jedoch nicht um
I. Bandes) ""er Kirche willen, sondern um sicli ihres Einflusses zu
Außer dem Typischen" biete« ü. viel im Einzelnen interessieren- politischen Zwecken zu bedienen. Dieses Staatskirchendes
Material, in der von Melanchthons Schulordnungen (1528 und um scheute sich nicht, mit sehr bestimmten Anweisungen
1543) beeinflußten Zeit war — um nur dem Religionsunterricht Zu- auch in das innerkirchliche Leben einzugreifen. Dali sich
gehöriges zu erwälinen — der Mittwoch ganz dem Religionsunterricht aber in einem Bistum Aachen diese Vermengung von

gewidmet. Nach Einführung des reformierten Bekenntnisses (1570 Religion Und Politik besonders geltend machen mußte
bis 1581) kam 1593 eine neue Schulordnung, «-eiche jeden T«g ,ag auf der Ha„d Schon flfc w hJ Aachens der
Bibellesung (caput Hiblicum publice legatur) und jeden Tag in , jgLu d> Großen lls dessen NachfnWr Nn,X,,, c' 1.
allen Klassen Katechismuslehre (doctrina catechetica!) verlangte. 1729 fnuV+t ,,L R , 'f * • Nach O gel NapolCOll SIC.»
verordnete der Fürst, daß nur der Heidelberger Katechismus gebraucht fühlte, /Um Bischofssitz eines französischen Bistums auf
werden dürfe und läßt „die Fragen desselben, um den Kindern deutschem Boden, deutete auf die politischen Aufgabe
die Wahrheiten auf eine leichte und begreifliche Art beizubringen, ] dieses Bistums hin. Daß, als von Napoleon ernannte Biweise
zergliedern". Dennoch gab Rektor Stent)ing für das Schuljahr i schöfe von Aachen nur Männer in Frage kamen, die die-
1777 die Parole aus: „In der Rektorischen Schule werden die Reli- sem Staatskirchcntum innerlich zugewandt waren ist
gioiiswahrhciten nach Anleitung des Sourinschcn Catechismus mit selbstverständlich. Sowohl Berdolet wie Le Cimus' Wl
Auswahl behandelt. Dies geschieht Mittwochs und Samstags. Den re„ Vertreter des GallikanismUS Und der AufklärUnO
umständlichen und förmlichen Religionsunterricht erteilt der Herr , Re d i f 71If]pm pin arritipr »...,,.„ M" A P'
Oberkonsistorialrat und Pädagogiareh W. H. Seel». Das galt also g"™1" «Sjg"*£KK L^lT* -Pole°»s- DaT&
für die oberen Klassen. In den mittleren Klassen („in der zweiten agen natürlich erhebliche Hemmungen für eine gedeill-
Schule") wird der Katechismus an jedem Tag der Woche „traktiert". iKll« kircnliche Wirksamkeit. Wie das Buch zeigt, ging
Aber für die unteren Klassen verspricht Steubing auf das Jahr 1777: 1 das WeSCIl diesen Männer jedoch nicht in dieser staats-
„Mittwoch wird die natürliche Religion auf eine leichte und | kirchlichen Einstellung auf. Sie und vor allem auch ihr

zu

Herzen dringende Art den Kindern vorgetragen. Samstags gc- j bedeutendster Mitarbeiter, der kluge Uild zielbewußte

schiebt dies wiederum". — Es fallen Lichter auf Herborn (die Johan- Martin Wilhelm Fonck, Waren zugleich Männer nicht

nea 1584—1817), auf die KryptoUalvinisten, auf den Unterricht in o)lne kirchliche Bildung Uild Haltung Ulld bischöfliches

den Realien, in der deutschen Sprache, im Französischen, auf das Pflichtbewußtsein. So blieb ihrem Wirken BUCh fllf kirch-

rsefitASÄ ssftÄS1 ^ * <* kss.

Berlin Leonhard Fendt JJjSf Volksrcligiositat der Erfolg nicht ganz

j Die vorliegende Darstellung gliedert sich in zwei
Torsy, Dr. Jakob: Geschichte des Bistums Aachen während Teile. Der 1. Teil, dem auch kurze Lebensbilder der beider
französischen Zeit (1802—1814). Bonn: Hanstein 1940. i den führenden Männer eingefügt sind, geilt dem Netiauf-
(342 S., l Titelb., i Kt.) 8°. RM 10.S0; geb. RM 12.50. j oau der Organisation und Verwaltung des Bistums nach.
Durch den Fl ieden von Luneville war das linke Rhein- J Am meisten Beachtung verdient hier die von Berdolet
ufer, das die Franzosen seit 1794 besetzt hatten, Be- j auf Veranlassung der Regierung In kurzer Zeit vorgestandteil
der französischen Republik geworden. Infolge- , nommene Neuumschreibuug der Pfarreien, die in ihren
dessen fiel es mit unter die Bestimmungen des französi- Grundlagen bis in die Gegenwart erhalten geblieben ist.
sehen Konkordats von 1801, das eine Neuumschreibuug Der 2. Teil wendet sich der inneren kirchlichen Tätigkeit
aller Bistümer vorsah. Die Neuumschreibung schloß sich , der Bistumsleitung zu, schildert die Bemühungen' um
überall an die Departementsgrenzen an. Dabei wurden ! Klerus, Ordenswesen, Gottesdienste, Sakramentsspen-
das Roer- und das Rhein-Mosel-Departement, die Köln ; dung usw., religiöse Jugenderziehung und zeigt den Nie-
und das linksrheinische Gebiet der Erzdiözese und Teile derschlag der napoleonischen Politik im kirchlichen Leder
Erzdiözesen Trier und Mainz sowie der Diözesen Ut- ben. Ein kurzes Schlußkapitel behandelt das Ende der
recht, Roermund und Liittich umfaßten, zu einem Bistum ; französischen Herrschaft und die Bedeutung des Bistums
vereinigt, dessen Bischofssitz nicht Köln, sondern Aachen Aachen für die Zukunft.

wurde. Das Bistum, das durch die Bulle „De salute j Dem Verfasser steht für seine Darstellung ein rei-
animarum" wieder unterdrückt wurde, hat nur bis 1825 eher Stoff zur Verfügung, der aus eingehenden Studien
bestanden. in staatlichen und kirchlichen Archiven des Rheinlandes
Das vorliegende Buch behandelt die Geschichte des > und aus der Durchsicht einer umfangreichen Literatur geBistums
von 1802 bis 1814. Der Zeitabschnitt ist durch '. wonnen ist. Die Darstellung ist sachlich. Oft läßt der
das Inkrafttreten des Konkordats und das Ende der Verfasser die Quellen selbst reden. Das Urteil ist vor-
französischen Herrschaft scharf abgegrenzt. Er deckt : sichtig und zurückhaltend. Liegt die Bedeutung des Busich
mit der Amtszeit des Bischofs Marc Antonie Berdo- ches naturgemäß zunächst auf territorialgeschichtlichem
let (1802—1809) und seines Nachfolgers Jean Denis Gebiet, so wird doch auch die gesamtdeutsche Kirchen-
Francois Le Camus (1810—1814), der wegen Ausblei- geschichte aus ihm Nutzen ziehen. Vor allern bereichert
bens der päpstlichen Bestätigung nur als Administrator das Buch unser Bild von dem neuen Staatskirchentum,
des Kapitels neben zwei Generalvikaren fungierte. Be- ! das Napoleum als erster zu verwirklichen strebte und das
stimmend für die besonderen Aufgaben, denen sich die hier im Rheinland zum ersten Mal auf deutschem Boden
Bistumsleitung in diesem Zeitraum gegenübersah, war, j auftrat, durch manchen beachtenswerten Zug. Hier sei
abgesehen von den mit jeder Neuorganisation eines Bis- nur auf einige Züge des Napoleonskults hingewiesen,
tums gegebenen Erfordernissen, einmal die Nachwirkun- Vor dem Hauptportal des Aachener Karlsmünsters ließ
gen der Revolution. Als die Franzosen das Gebiet des Bischof Berdolet bereits 1802 eine Büste Napoleons als
Bistums besetzt hatten, war der von der Revolution ge- „des Retters Frankreichs" aufstellen. 1803 tauchte im
gen Kirche und Religion geführte Kampf noch in vollem Kalender ein neuer Heiliger auf: der hl. Napoleon (Neo-
Gange gewesen. Hatte auch Napoleon grundsätzlich polis, Neopolus, Napoleo, Märtyrer unter Diokletian und
einen Wandel gebracht, so stieß die Bistumsleitung doch ' Maximian in Alexandrien). Seit 180b wurde als nationa-
überall noch auf die Nachwirkungen. Auch die rheini- 1er Festtag zugleich mit dem Fest Mariae Himmelfahrt
sehe Kirche litt — um nur einige Symptome zu nennen (15. August) begangen: dies erecti concordati, dies nata-
— an den durch die Eidfrage entstandenen Spaltungen, Iis Napoleonis imperatoris, festum S. Napoleonis Marder
Lockerung der kirchlichen Disziplin bei Klerus und ; tyris, festum restitutae in Gallia religionis catholicae, mit
Laien, dem durch fehlenden Nachwuchs veranlaßten Prie- Prozession, Predigt und Tedeum. Ein weiteres National-