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Ausgabe:

1943

Spalte:

32-33

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Becker, Emil

Titel/Untertitel:

Die Dillenburger Lateinschule in der nassauischen Zeit 1943

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 1/2

fei und Glaube, 1937; Leitfaden zur christlichen Lehre,
1938) völlig überholt. Die Auslassung von Hirsch ist ein
schwerer Fehler. Er hätte in das 6. Kapitel gehört,
neben Tillich. Die jetzige Zusammenstellung der fünf
Theologen dort wirkt als etwas zufällig. Schon durch die
auch in anderen Abschnitten geübte, wenig glückliche Anordnung
nach dem Geburtsjahr des Autors! So kommt
Adolph mit Abschnitten aus einer Schrift von 1936 vor
Tillich mit seinen im Durchschnitt 10 Jahre älteren programmatischen
Äußerungen zu stehen, nur weil Tillich
ein Jahr jünger ist als Adolph! Auch sonst überzeugt
die Auswahl in diesem Kapitel nicht.

Niehl verschweigen darf ich zum Schlüsse, daß die vielen
Selbstzrtatc des Herausgebers, in Anführungszeichen und mit Verweisungen
auf die Quelle, stören. Daß er auf seine früheren Äußerungen
zurückgreift, versteht jeder. Aber warum, wenn man nicht neu
formulieren will, nicht getrost sich selber wiederholen, ohne Anführungszeichen
, die nun einmal auf einen anderen Autor weisen?
Erlangen P. Alt h ans

Heinrich, Dr. Hellmut: John Miltons Kirchenpolitik. Puritanische
Ideen zum Problem Staat und Kirche. Berlin: Junker u. Dünnhaupt
1942. (132 S.) gr. 8° = Neue Deutsche Forschungen. Abt- Religion
«- u, Kirchengesch., hrsg. v. E. Ben/ u. E. Seeberg. Bd. 9,

RM 5.80.

Das hochinteressante und wichtige Thema der unter
diesem Titel erschienenen Arbeit ist offenbar zu weit
gefaßt. Im Vorwort heißt es: „Die Kirchenpolitik Miltons
nicht in ihren äußeren Ereignissen, sondern in ihrem
Ideengehalt darzustellen, ist die Aufgabe vorliegender
Untersuchung." Dazu gehörte natürlich nicht, daß unter
den so zahlreichen Schriften des Dichters alle, in denen
seine kirchlichen Gedanken irgendwie zum Ausdruck
kamen, verwertet werden. Aber es hätte doch das für
Miltons Denken über Kirche und Staat Durchschlagende
berührt und gewürdigt werden müssen. Das hätte
aber fast in jedem der 3 Teile der Schrift eine umfassendere
Darstellung und Vertiefung in den Stoff erfordert
.

Im ersten Abschnitt: „Der Puritanismus in seinen
hauptsächlichen Erscheinungsformen nach dem ersten
Bürgerkrieg" begrüße ich es, daß der Verf. jede zusammenfassende
Beschreibung des Wesens des Puritanismus
unterläßt, und dafür seine hauptsächlichsten
Gruppen charakterisiert. Schade nur, daß er mein 1941
erschienenes Buch: „Puritanismus und Pietismus; Studien
zu ihrer Entwicklung von M. Butzer bis zum Methodismus
", nicht mehr hat benutzen können. Er hätte
hier eine weitere Gruppe, die puritariisch-pietistische,
kennen gelernt, von der schon um deswillen vermutlich
ein Einfluß auf Milton ausgegangen ist, weil er seine
theologische Bildung im Christ College in Cambridge,
dem College des dort sicher nicht ganz vergessenen
Perkins, empfing. Daß Heinrich dann drei einzelne Gestalten
, Amesius als reformierten Theologen und Vertreter
des Naturrechts, J. Goodwin als Independenten
und Roger Williams als Vertreter des „Separatismus"
vorführt (S. 16—41), hat manches für skh, hätte aber
sowohl im allgemeinen, wie inbezug auf die Auswahl gerechtfertigt
werden müssen.

Im 2. Abschnitt (S. 42—75) sollen „die für Miltons
Anschauung über das Verhältnis von Staat und Kirche
entscheidenden religiösen Grundgedanken" behandelt
werden. Nach einander werden die Gottesanschauung,
die Christologie, die Anthropologie und Natur, Recht,
Vernunft erörtert. Daraus zieht H. den Schluß, daß
in dem allen, „besonders in dem Sündenbegriff, in dem
dogmatischen Relativismus, in seinem Toleranz- und
Freiheitsgedanken . . ., in seiner Ketzervorstellung . . .
und in seinem Geistgedanken ein rationalistischer Spiritualismus
in entscheidender Weise wirksam ist." Unter
den betrachteten Gegenständen vermisse ich die Grundlehre
der Reformation, Rechtfertigung und Heiligung.
Von ihr aus ist doch der Kirchenbegriff Milton's in
erster Linie zu verstehen; von ihr aus zu entscheiden, ob
der Spiritualismus und Rationalismus bei ihm mehr ist

als eine Nebenlinie, die unter der Einwirkung der Zeitverhältnisse
und seiner eigenen Erfahrungen emporschoß,
oder ob er wirklich in den Kern sreines protestantischbiblischen
Denkens eingedrungen ist. Im Zusammen-
hang hiermit hätte die Prädestinationslehre gründlicher
| erörtert werden müssen, als dies durch die kurzen Bemerkungen
S. 45 geschieht.

Der 3. Abschnitt (S. 76 -129) wendet sich dem
; eigentlichen Thema der Arbeit zu: „Das Verhältnis von
Staat und Kirche bei Milton dargestellt im Zusammen-
| hang mit seiner Entwicklung". Drei Stufen der Entwicklung
werden unterschieden: die presbyterianische,
independentische und separatistische Epoche. Bei der
ersten, dem Presbyterianismus, hätte wohl neben der
Zucht noch hervorgehoben werden müssen, daß Milton
ähnlich wie Cartwright den Presbyterien und Synoden
! göttliches Recht zuschreibt, da sie im N. T. vorgebildet
und sozusagen eingesetzt sind. In bezug auf die zweite
Epoche wäre es gut gewesen, wenn der Verf. sich zunächst
klar gemacht hätte, was als die entscheidenden
' Charakterzüge des independentischen Kirchenbegriffs an-
| zusehen ist. Dann wäre er wohl auch hier mit der
j Konstatierung von Spiritualismus vorsichtiger gewesen.
, Ob eine letzte „separatistische" Periode für die Schriften
| der Altersjahre abzutrennen ist, ist mir sehr fraglich,
j Daß der kranke Greis für seine Person keiner bestimm-
j ten Denomination sich zurechnete, kann dafür doch
i nicht entscheidend sein. Warum soll seine letzte kir-
I chenpolitische Schrift: of true religion, heresy, schism
| etc. nicht der independentischen Epoche zugezählt wer-
f den? M. E. liegt in ihrem Inhalt keinerlei Hindernis.
Die Arbeit H. Heinrich's geht von Anfang an, vielleicht
verführt durch den Abschnitt Milton in der Schrift
; Mich. Freunds, die Idee der Toleranz im England der
! großen Revolution, Halle a. S. 1927, die auch ich für
' wohl gelungen halte, die aber ihrem Thema entspre-
| chend eine gewisse einseitige Linie inne halten mußte,
zu sehr darauf aus, in Milton's Lehre spiritualistische
und rationalistische Tendenzen zu finden. Dagegen ist
I nach meiner Auffassung Milton bis zu seinem Ende in
den Grundzügen ein guter calvinistisch-reformierter
I Theologe geblieben. Nur war er seiner Zeit und seiner
persönlichen Charakteranlage entsprechend von einem
i überschwäiiglichen Freiheitsdrang beseelt, und das hat
! ihn zumal nach seinem Kampf um die Ehescheidung zu
! den bekannten Abweichungen getrieben. Den Kern sei-
j ner Frömmigkeit berühren sie nicht. Nur so wird der
Kirchenpolitiker zugleich als der Verfasser der biblischen
j Poesien, als der größte protestantische Dichter ver-
, ständlich.

Halle a. S. A. L a n g

Becker, Studiendir. E.: Die Dilknburger Lateinschule in der
nassauischen Zeit. Ein Beitrag z. Schuleesch, aus Anlaß d. 400 jähr.
Bestehens d. bisherigen staatl. Qymnasiums 1938. Teil I. (VII,
104 S., 6 Taf.) gr. 8°. Teil II: Die Schülennatrikcl. (VI, S.
105—247.) gr. 8°. Geschichtsverein Dillenburß 1939.

Den Anlaß zu dieser Schrift gab das vierhundertjäh-
; rige Bestehen des Gymnasiums zu Dillenburg (1538 bis
> 1938), das Lateinschule, Pädagogium, Progymnasium ge-
! wesen war, 1874 Gymnasium und 1937 Oberschule
: wurde. E. Becker war bis 1937 der Leiter dieser
j Anstalt. Er schrieb 1924 eine Festschrift über sein Gym-
| nasium und behandelte es auch in Aufsätzen (siehe das
j Literatur-Verzeichnis p. VII). In dem uns vorliegenden
I Werke bietet er nun die Schulgeschichte seiner Anstalt
! im Großen, von den Anfängen (die Beweise für das Jahr
! 1538, S. 9—12) bis zum Jahre 1866, wobei die Zeit bis
| 1817 eingehend, die Zeit 1817—1866 kürzer behandelt
! wird (für die Zeit von 1874 — 1924 wird auf die ge-
j genannte Festschrift von 1924 verwiesen). Die beiden
| Bände sind geeignet, das Typische der Schulgeschichte
I erneut mit konkreten Beispielen zu belegen; dafür kann
die Schulgeschichte nur dankbar sein, besonders wenn
| die konkreten Beispiele so sauber und wissenschaftlich