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Ausgabe:

1943

Spalte:

27-29

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Reinhardt, Hans

Titel/Untertitel:

Kaiser Heinrich II. und das Basler Bistum 1943

Rezensent:

Gloege, Gerhard

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mcssene untadelige Form erhält, die der verdienstlichen
Arbeit des Herausgebers den uneingeschränkten Dank
der Benutzer sichert.

Tübingen H. Oannenbauer

Reinhardt, Hans: Kaiser Heinrich II. und das Basler Bistum.

Basel: Helibing u. Lichtenhahn in Komm. 1942. (32 S., 15 Abb.
auf 8 Taf.) 4<> = 120. Neujahrsblatt, hrsg. v. d. Oes. z. Be-
förderg. d. Outen u. Gemeinnützigen. RM 1.50. i

In einer kleinen, gehaltvollen Untersuchung versucht
Vf. die bekannten Beziehungen des letzten sächsischen
Kaisers zum Basler Bistum durch eingehende Besprechung
der noch erhaltenen bzw. wieder-entdeckten
Kunstdenkmäler der Zeit neu zu beleuchten. Zugleich
unternimmt er es, den notwendigerweise begrenzten Ausschnitt
seines Forschungsgebietes rück- und vorlaufend
in die Gesamtgeschichte der Beziehungen zwischen dem
Reich und Hochburgund (später Eidgenossenschaft) einzuordnen
. Dabei werden geschichtliche und kunstge-
geschichtliche Betrachtung methodisch glücklich miteinander
verwoben.

Die Studie beginnt mit einem knappen geschichtlichen
Aufriß der Beziehungen der deutschen Krone zum hoch-
burgundischen Königreich seit der ersten Teilung des
karolingischen Reiches (Verdun 843) bis auf Rudolf III.
(zunächst bis 1018). Hier verdienen die Hinweise auf
aas Interesse der deutschen Herrscher am Kult des
heiligen Mauritius Beachtung: seine Hauptreliquiien wurden
' bekanntlich durch Otto d. Gr. von Äugunum im
Wallis nach Magdeburg überführt; seine Gestalt, „zum
Paladin des großen Karl, zum Roland" erhoben, wurde !
(nach W. Möllenbergs Entdeckung) als Patron Magde- ;
burgs zugleich der Hüter des deutschen Rechtes im Ostraum
des Reiches; die zu den Reichsinsignien gehörende
Lanze — nicht zu verwechseln mit der „heiligen Lanze", !
die Otto in der Ungarnschlacht auf dem Lechtfelde (955)
führte! — wird als ehedem burgundische Mauritiuslanze I
angesehen. Mit dem Jahre 1006, in dein Heinrich II.
Basel als Pfand für die spätere Abtretung Burgunds
unter seine Herrschaft nahm, wendet sich Vf. seinem
eigentlichen Thema zu: der Darstellung der spannungsvollen
Beziehungen der Herrscher und ihrer Reiche.
Der glücklichen Taktik Heinrichs, durch Geschenke die
Sympathien in dem erstrebten Gebiete zu gewinnen, verdankt
Basel das Interesse des Kaisers am Münsterbau
und dessen kostbarste Gaben: den goldenen Altarvorsatz
und das goldene Reliquienkreuz. Nach rekonstruierender
Beschreibung der baulichen Anlage des ursprünglichen
Münsters widmet Vf. der bereits von Rud.
Burckhardt und Wilh. Wackernagel grundlegend erläuterten
goldenen Altartafel eine besonders liebevolle Analyse. :
In diesem im Musee de Cluny zu Paris aufbewahrten und als i
Antependium gedachten Kunstwerk erbückt er ein unmittelbares Geschenk
des Kaisers, ursprünglich garnicht für das Münster bestimmt, !
sondern für ein Benediktinerkloster, dessen Patron er bei seiner hau- |
figen Krankheit besonders geliebt hat. Auf den Gestalten der drei '
Erzenge! und des hl. Benedikt, in der Mitte die des „Rex regum" j
Christus, an dessen Füße sich das Kaiserpaar in Adorantenstellung
schmiegt, ruhe „noch etwas von antiker, aus griechischem Geiste !
stammender Grazie und Menschlichkeit" (17). Obwohl die Tafel
als westliches Werk anzusprechen sei, liege auf ihr ein unvergäng- |
licher Abglanz später griechischer Kunst. Fast noch einzigartiger i
seien die Apostel- und Vincentiustafel. Beide Stpintafeln nähmen ■
„eine Zwischenstellung zwischen antiker Überlieferung und der Gebundenheit
romanischer Kunst, zwischen natürlicher Auffassung und
mittelalterlicher Wirklichkeitsferne" (22) ein. Besonders die vierteilige
Vincentiustafel mit den Darstellungen des Martyriums des
Heiligen wird als „ein sehr bedeutendes Werk" gewürdigt. Sie „ent- I
behrt nicht fesselnder, ja sogar höchst stimmungsvoller Züge". Ihr j
Meister verwendet in löchst wirkungsvoller Weise die Mittel der i
großen spätrömischen Illusionskunst (23). Schließlich werden wir mit
den erst 1934 aufgedeckten und sogleich (nicht überall glücklich) re- I
staurierten Wandmalereien in der kleinen Kapelle von Chalieres bei
Münster (Moutier im Kanton Bern) bekannt gemacht. In diesen j
Fresken lernen wir „die imposante Kunst aus der Zeit Heinrichs
II. überhaupt zum erstenmal in einer Ausführung auf der Wand kennen
" (27). Ergebnis: Vf. findet die Überlieferung, wonach Hein- I
rieh sich um das Basler Bistum besonders gekümmert und ihm kostbare
Oesclvenke verliehen habe, in den genannten Denkmälern großartig
bestätigt (28). Ihren Herkunftsort vermutet er in der Reichenau,
deren Arbeiten der Kaiser deutlich bevorzugt habe, weil die Erzeugnisse
des Klosters „unter all dem, was damals in Deutschland
geschaffen wurde, am wenigsten einheimisch provinziell, sondern am
meisten von antiker Tradition erfüllt waren" (29). Wenn Vf. auch
weithin Vermutungen vorträgt und die Formvergleichungcn mit der
dortigen Buchmalerei (Codex Egberli, Evangeliar Ottos III., Pei-ikopcn-
buch Heinrichs II.) zuweilen mangels bindender Stilkriterien die erwünschte
Schlüssigkeit verminen lassen, so rückt dennoch seine
These in den Bereich hoher Wahrscheinlichkeit.

Ein knapper „Ausblick" deutet die weitere Entwicklung
und die späteren Schicksale Burgunds seit der Inbesitznahme
durch Konrad II. bis in die Neuzeit an:
„Das Bistum ist bis zur französischen Revolution trotz
seiner welschen Sprache ein Stück des deutschen Reiches
geblieben". Der südliche Teil des alten Hochburgund
trennte sich früh als Herzogtum Savoyen los. Im Wechselspiel
mit Habsburg „wuchsen neue Kräfte empor:
die Waldstädte und vor allem Bern. Die Eroberungen
Berns, oft zusammen mit Solothuru, laufen auf nichts
anderes heraus, als auf eine Erneuerung des transjurani-
nischen Burgund. Der Kult des heiligen Mauritius und
der thebäischen Legion spielte gerade in der Eidgenossenschaft
wieder eine ganz besondere Rolle". Das rote
Bauner, das über dem Schlachtfeld von Murren als Vision
erschienen sein soll, „dürfte kaum ein anderes gewesen
sein als das Banner des heiligen Mauritius mit
dem weißen Kreuze, das die Eidgenossen als ihr Zeichen
aufgenommen haben, wie es auch über das Haus
Savoyen in das Wappen Italiens gelangt ist" (30).
1501, am Tage des heiligen Kaisers Heinrich selbst, ist
Basel eidgenössisch geworden (31). Die Schweiz aber
als „ein besonderes Land" trat das Erbe des alten Burgund
au.

Der Historiker würde an der flüssig und interessant
geschriebenen Untersuchung, der 15 Abbildungen aus
der Zeit um die Jahrtausendwende in ausgezeichneter
Wiedergabe beigefügt sind, eine noch reinere Freude
haben, wenn gewisse subjektive Wertungstendenzen des
Vf. zurücktreten. Ich meine damit nicht so sehr den
ebenso begreiflichen wie verzeihlichen Lokalpatriotismus,
der ihm die Feder führt, als vielmehr das durchgängig
zu beobachtende Ressentiment des westlerisch eingestellten
Schweizers gegenüber dem Reich als geschichtlicher
Wirklichkeit. Anzeichen dafür sind in den merkwürdigen
Akzentuierungen zu erblicken, z. B. in der auffallend
» günstigen Beurteilung des schwächlichen und
schwankenden Rudolfs III. (7ff.), die weder durch die
beiderseitigen Quellen noch durch seine Handlungen
und die Ereignisse seiner Regierungszeit gedeckt wird; in
dem fühlbaren Mangel geschichtlichen Verständnisses für
die positive Bedeutung der unter Konrad II. erfolgenden
Einverleibung Burgunds in das Kaisertum, die die Existenz
einer deutschen Schweiz gegenüber französischem
Einfluß überhaupt erst ermöglichte; in dem die
Rückkehr der „alten Zustände" preisenden „Ausblick"
(30f.), der praktisch gesehen die Tagesparole von der
Anlehnung der autonomen Schweiz an die westliche Kultur
„historisch" rechtfertigen soll. Freilich ist es weniger
die Darstellung als solche, als vielmehr der Ton,
der auch hier die Musik macht.

(Der sarkastische Satz: „Das deutsche Recht im Ostraum ist
also durch einen Mohren (!) gehütet worden" (6) ist für diese Geistigkeit
bezeichnend. Schließlich kann „der Mohr" nach Deutschland
über bzw. aus — Burgund! Aber wie wenig wird eine solche
Bemerkung dem Empfinden des mittelalterlichen Menschen gerecht,
der eben nur den Heiligen verehrte! Und wie sehr legt sie beim Vf.
die Grenzen histroischer Sachlichkeit bloß!).

Anzumerken ist schließlich: a) Auf S. 6 findet sich der
Satz „Der Ketzernamc der „Waadtländer", der „Vaudois" oder
„Waliienser", der sich später auch auf die Stillen im Lande übertrug
, erinnert noch immer an jene Häresien (nicht: Hcresien!), die
sich im Mittelalter bis nach Flandern ausbreiteten, und an die Herkunft
aus jenen Gegenden" (seil. Hochburguntl). Dieser Satz enthält
einen elementaren Irrtum: die Waldenser tragen ihren Namen
nach dem Lyoner Großkaiifmann Petrus Valdes bzw. Valdus (etwa
1140—1217). — b) Auf S. 17 sind bei der Wiedergabe der Inschrift