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Ausgabe:

1943 Nr. 1

Spalte:

290-291

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Günster, Josef

Titel/Untertitel:

Die Christologie des Gerhoh von Reichersberg 1943

Rezensent:

Landgraf, Artur Michael

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Seite 1, Seite 2

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289 Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 11/12 290

Zwar daß Ep. XI 50 a in den Auszügen nicht enthalten ist, ist. Zum mindesten bleiben hier ailso starke Zweifel, und B.'s These

ist auch nach B.s Ansicht noch kein Beweis für ihre Unechlheit; kann solange nicht als gesichert gelten, als diese Zweifel nicht

eher schon der Umstand, daß Bonifatius, wie aus einem Schreiben an behoben sind. Natürlich muß die Beurteilung von Ep. XI 33 auf

Nothelm hervorgeht, schon um 735 im Archiv der römischen Kurie j die von Ep. XI 37 zurückwirken, zumal wenn beide demselben Jahre

vergeblich nach dem Brief hatte suchen lassen (vielleicht weil ihn J angehören.

schon Zweifel M seiner Echtheit bewegten). Dieses Zeugnis hat man So bedarf wohl die Beweisführung B.'s in einigen Punkten
bisher nicht genügend beachtet. (Der Einwand Bassenges daß Not- der Nachprüfung. Sein Verdienst bleibt auf jeden Fall die sonr-
helin 731 das Original aus Rom mitgenommen habe, ist angesichts fäHige kriüscile Durchleuchtung des ganzen reichen Materials
des Umstandes, daß er von den übrigen Registerbriefen die auch Aucf, sind die gesjci,erten Ergebnisse seiner Untersuchung wertin
R und P überliefert sind, sich nur Kopien verschafft hat, wenig von genug, um ihr unter den neueren Arbeiten zu Erforschung
überzeugend). Dazu kommt, daß Ep. XI 56 a auch nach Form und der frühmittelalterlichen Kirchen- und Bekehrungsgeschichte
Sprache sich von allen übrigen von Gregor angeführten Briefen unter- einen ehrenvollen Platz zu sichern,
scheidet. Vor aillem aber sind es inhaltliche Kriterien, auf die B.

den Beweis für die Fälschung gründet. Es muß auffallen: nicht nur, , walter

daß die in Ep XI 50 a enthaltenen Oed anken «1Jen« detjmttie^ G ü n s t e r, Dr. theol. P. Josef, MS F.: Die Christologie des Gerhoh

tischen Oregorbnefe In Widerspruch stehen *»*^^ ftJJ ■ von Reichersberg. FJne dogmengeschichtl. Studie zu s. Auffassung

73 nirgends, weder ,n der Uter.fi nod ita ^ki^fS*d^te v. d. hypostatischen Union. Köln: Lahn-Verlaß Sattler & Co. 1940

auf sie Bezug genommen wird. Man konnte aber die cpisiei, wie (114 S) 8°

B. sagt, nicht ignorieren, wenn man sie kannte, und man mußte 0T? .' „ ..__, , 1,„

sie kennen, wenn sie existierte. Im übrigen macht der Verf. durch Oe hol , Propst des August.nerchorherrenst.ftes Reichers-

einc eingehende Untersuchung der einzelnen Responsorien wahr- berg dm Inn (1093-1169), ist irl der letzten Zeit wieder stär-

sd.einlLfd^ sie Verhältnisse voraussetzen, die erst viel später - ^ ^J^J^ntf^^J0r^nf, S^n. H. H Jacobs

im ausgehenden 7 lahrhundert - in England vorlagen. Nothelm veröffettt ichte 1931 Studien über üerhoh von Reichersberg

hat äZ Fa^chunR^afs eSsehof von Cantcrhuiy (wahrscheinlich ; geJgg<= «T Rh*fengeSChlchte 50 [1931] 315-377); L Otl

Im Jahre 731) im Interesse aetees Stuhles vorgenommen. Mag einiges beschäftigte sich mit ihm und seinen Korrespondenten (Unter-

ta BTBewd^hxmTwclrt wie**, gegen anderes sich Einwände : such«..Ken zur theologischen Briefliteratur der Frühscholaslik

erhebe,, En, dt vereinten Stärk! U Argumente, die er gegen die fiXs'VxXXIvf Ste " w'hO^^ I 1?

Authentizität von Ep. XI 56a ins Feld führt, wird man die Beweis- Mittelauels, öd. XXXIVI Munster W. 19371 92-103) und H.

krXn^afas««cben können 1 Weisweiler hat uns mit drei unveröffentlichten Briefen aus dem

kratt nicht absprechen können christo ogischen Streit Gerhohs von Reichennerg (Scholastik

Die Untersuchung der Gregorviten, deren älteste von An- rigafi 22-48 2?5-246) heh nt o-Z w rl v?

gelsachsen geschrieben wurden, führt zu dem Ergebnis daß { ^P5bÄS'<3?o!Sa d .f^'u ernommen hat"

ihnen für die Angeksachsenrn.ssion kein selbständig Erkennt- , dje Christ<50gie öerhohs, um derentw illcI deS Ta SänX

niswert zukommt. Das einzige Werk, das über die Gregor- , f dcm p, * QeSV dStetlen Im

briefe hinaus neues Material beibringt ist Bedas Histor.a vorliegenden Band, dem noch andere «Sffl™3«1knH

ecclesiastica. Die Untersuchung ihres Que lenwer es bildet den ! die grundlegenden unmittelbar die Unio hfpöstat ca d , Ii '

SÄ"üUÄ?n^alWASÜ Vereinigung^der Gottheit und Menschheit ff Ch istus ber

Glaubwürdigkeit der Berichte Bedas, hält aber in einigen Punkten
seine Angaben für unrichtig. Es ist eins der wichtigsten
Ergebnisse B.'s, zu denen er durch eine umfassende I extanalyse

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renden Fragen behandelt.

Obwohl Gerhoh selber kein systematisches christologisches
Werk geschrieben, sondern je nach den Erfordernisse^ des

gelangt, daß Beda die ihm von Nothelm uberbrachten Briefe , Augenblickes lediglich einmal die eine und ein anderma eine

Gregors erhielt, als sein Werk bereits vollendet war (/31), andere Frage behandelt und auch dies nicht nach vt eines

und sie nun nachträglich - jedoch an falscher Stelle - in ( ruhigen, besonnen vorgehenden Gelehrten, sondern <reirieben

sein Gesclnchtswerk einschob, wodurch die Chronologie der , vom ,u.ißen , ,s seiner Känlpfernatllr „etan ha( B£J e'1

Ereignisse in Verwirrung geriet. Aus den Briefen Gregors ; Verfasser doch und zwar unter besonders anerkennenswerter

geht hervor, daß Augustin nicht erst zu einem spateren Zelt- Heranziehung des gesamten zum Teil nur handschriftlich erhal

punkt, wie Beda angibt, von Aethenus von Arles, sondern spa- , tenen Oerhohschen Schrifttums ein einigermaßen abgerundetes

testens schon 597 (wie B. vermutet, von Syagrius von Antun) Bild gCiimgen. So besitzen wir nun Einblick in Gerhohs Lehre

zum Bischof geweiht wurde. Von einschneidender Bedeutung vor .tfkm vom Gegenstand der Annahme bei der Inkarnation

für die ags. Bekehrungsgeschichte ist die Beurteilung, die B. ; Er verficht die Substanzwirklichkeit der menschlichen Natur

den Briefen des Papstes an Konig Ethelbert von Kent (Lp. Christi gegenüber frühscholastischen Verflüchtiguncsiendenzen

XI 37) und seine Gemahlin Bertha (Ep. XI 35) zuteil werden die Vollständigkeit der menschlichen Natur Christi gegenüber

läßt. Er schließt nämlich aus ihnen, daß der Konig entgegen , Doketismus und Apollinarismus, ihre Freiheit von Erbsünde

dem Bericht in der „Kirchengeschichte" erst nach dem Jahre t und böser Begierlichkeit, ihre freiwillige Leidensfähio-keit und

601 (in dem jene Briefe geschrieben wurden) getauft worden Sterblichkeit und Christi Blutsverwandtschaft mit uns Wir

sei. Ep. XI 35 fehlt bei Beda. B. glaubt annehmen zu können, erhalten auch Aufschluß über die Art, wie sich Gerhoh den

daß sie sich gleichwohl unter den von Nothelm aus Rom mit- Vorgang der Annahme der menschlichen Natur vorstellt nüm-

gebrachten Papstbriefen befunden habe, von Beda aber beiseite |jch den menschlichen und göttlichen Werkanteil dabei und die

geschoben sei, weil ihr Inhalt seiner bereits abgeschlossenen durch das göttlich-menschliche Zusammenwirken begründete

Darstellung in mehreren Punkten widersprach. einheitliche Zeugung. Als Ergebnis der Annahme bei "der In-

Nun rreht zwar Brechters Beweisführung auch hier sachlich karnation statuiert Gerhoh Einzigkeit der Person und Ver-

und methodisch vor; daß sie dennoch nicht überzeug, liegt an den e.n.gl.ng der Naturen.

eigentümlichen Schwierigkeiten, die das Material bietet; sie machen Mit aller Schärfe hat V. herausgearbeitet, daß Gerhoh nichts

eine klare Entscheidung fast unmöglich, und man kann B. höchstens wissen wollte von einer bloßen Bekleidung Qottes mit der mensch-

den Vorwurf machen daß er sich über diese Schwierigkeiten zu leicht liehen Natur (Habitustheorie der Abaelardianer), noch von einer An-

hinwegsetzt Besonders der Brief Qregors an den König läßt sich nähme der bloßen abstrakten Humamitas (Subsisfcnztheorie der Qil-

it seiner Annahme schwer vereinbare,,. Niemand, der ihn unvor- bertiner). Er lehrt vielmehr die Annahme des homo (Assumptus-

eingenommen liest, wird daran zweifeln, daß er an einen schon Theorie). Dabei steht er noch nicht über den Problemen er ringt
Getauften gerichtet ist. Wenn der Papst Ethelbert auffordert sich vielmehr noch mühsam mit ihnen und, so sehr er sich auch gegen
die Verbreitung des christlichen Olaubens In seinein Volke angelegen Nestorianismus und Monophvsitismus wendet, er tritt dorn hier und
sein zu lassen, seinen Eifer für seine Bekehrung zu vermehren, den dort in ihr Bereich; was ja auch kein Wunder ist, da die Mittel die
Kult der Götzen zu unterbinden, die heidnischen Heiligtümer zu zer- der frühscholasfechen Spekulation zur Verfügung standen, auch' bei
stören usw.: so ist schwer zu glauben, daß er dies einem noch hcid- ihrer souveränen Beherrschung, nur knapp zur Bewältigung solcher
Bischen König zumutet. B.'s abweichende Erklärung macht einen Fragen hinreichten. Zudem war Gerhoh auch kein starker Eigen-
gekünstelten Eindruck; er gibt übrigens (S. 243 Anm. 128) selbst denker, sondern mehr der starre Verfechter einer einmal ein 'enom
zu, daß zum mindesten die Stelle eam quam accepisti divinitatrs menen Position. So kam er denn auch zu keiner führenden Stel-
grntium sollicita memte custodi für die empfangene Taufe spricht. [ung m der spekulativ theologischen Erörterung der hvposfatischen
Anders steht es allerdings mit dem Brief an die Königin Bertha Vereinigung im 12. Jahrhundert (man vgl. meine Abführungen darüber
Und hier liegt die eigentliche Schwierigkeit. Ep. XI 35 ist durch in der Zeitschrift für kath. Theologie. 05. Innsbruck f IM 1 I 183—210)
eine merkwürdige Unbestimmtheit charakterisiert. Einige Sätze schei- die sehr lebhaft war und trotz der beschränkten Mittel bis zu der
nen mit der Annahme B.'s am besten erklärt, einige lassen sich ebenso- Hypothese vorstoßen sollte, die heute noch als die skotistische innergut
in dem einen wie hn andern Sinne deuten. In dem ganzen Brief halb der kath. Dogmaü'k in Ehren steht.

findet sich nicht eine Äußerung, der ein klares eindeutiges Zeugnis An Nebenergebnissen ist erwähnenswert, daß sich wörtliche

für oder gegen den christlichen Glauben des Königs zu entnehmen | Abhängigkeit Gerhohs sowohl von Petrus Lombardus als auch von