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Ausgabe:

1943 Nr. 1

Spalte:

282-283

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Maurer, Christian

Titel/Untertitel:

Die Gesetzeslehre des Paulus nach ihrem Ursprung und in ihrer Entfaltung dargelegt 1943

Rezensent:

Dibelius, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 11/12

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erinnert und hegreift unter dem Bilde ihres Webstuhl« die Aiimcs- j Zeichnungen Altissimus und Vater Tetragrammaton umhüllen
stinken der Zeit, die Dionysos nicht anerkennt. Iriir Jünger sind j ja nur geheimnisvoll diese Namenlosigkeit), ist für den Dicli-
selbsi die verschiedenen Oeuealogieu des I'an genuine Ausdrücke j ter wie für den Mystiker aktiver Wille, das Suchen nach ihr

•einer Wesensaidagen; allerdings lesen wir in diesem Zusammenhange
S. 32 den verräterischen Sat/: „Die römischen Dichter stellen über
seine Herkunft noch andere Thesen auf, die man außer acht lassen
muß, wenn sie zu willkürlichen Erfindungen werden, die mit der
Mythenbifehmg nichts mehr zu schaffen haben". Ja, wo hört das
eine auf und fängt das andere an und welche Kriterien erlauben
uns die Unterscheidung? Wenn es sich um griechische Überlieferung
handelt, gilt Jünger als echter Mythos auch, was von einem
verhältnismäßig so späten Dichter herrührt wie dem Autor des
homerischen Panhymnos oder was gar den Priapos betrifft, der ersrt
in hellenistischer Zeit außerhalb seiner kleinasia>tischen Heimat bekannt
geworden ist.

Jünger stellt sein Buch ausdrücklich außerhalb des Kreises der
historisierenden, d. h. der philologischen Mythologie: mußte diese
Distanzierung notwendig mit solcher Verve geschehen, daß er auf der
Gegenseite geradezu einen „Mangel an Ernst in der Sache" spürt
(S. 7)? Trotzdem möchte ich glauben, daß auch ein Philologe
die von feinsiclv.iger künstlerischer Intuition eingegebenen Ausführungen
Jüngers nicht ohne Qewinn und Oenuß lesen wird, ohne freilich
die Grundsätze seiner eigenen Methode erschüttert zu fühlen. Das
Außere des Buches ist geschmackvoll: schade, daß es durch mehrere
Druckfehler gestört ist; auch wäre zu wünschen, daß sich die Schreibungen
Hyperboräer und Pythagorner, die man neuerdings des
öfteren antrifft, nicht vollends einbürgern möchten.

Bonn Hans H e r t e r

M e h s c Ii i n g, Gustav : Vollkommene Menschwerdung bei Meister
Eckhart. Amsterdam: Akadem. Verlagsanstalt Pantheon 1942.
(88 S.) 8". RM 4.80.

Die Ergebnisse dieser straffen und klaren Studie sind gewiß
nicht abhängig in ihrer Richtigkeit vom Erscheinen der vollständigen
Lckhartausgabe, sie sind zu überzeugend aus der
— hier übrigens einleitend kurz entwickelten — Linie der spezifisch
deutschen Mystik gewonnen und fügen sich überhaupt
zu genau in die Linie der typisch deutschen — gänzlich z. B.
unlateinischen — üeisteshaltung ein, als daß sie Gefahr liefen,
noch wesentlich philologisch korrigiert werden zu können. Der
Oermanist kann nur sagen, diese Geisteshaltung war schon
voi gezeichnet spätestens im besten deutschen Rittertum, etwa
im Rarzival Wolframs von Eschenbach. Daß manch ritterliches
Gut in diesem aus ritterlichem Geblüt stammenden Meister,
in seiner Terminologie und Haltung, wie überhaupt in der der
deutschen Mystiker, steckt (Ehre, Bürglein, Gelassenheit, Freude,
Ablehnung des Trauerns, des Überindividualismus, tiefe Un-
klrchllchkeit), hatte man wohl stets erkennen können. Aber
der ganze Rarzival, wie er sieh beim deutschen Diciiter ausprägt
, erscheint nun fast wie eine ritterliche Vorwegnahme,
eine dichterische, romanhafte Einkleidung der dann von Eckhart
philosophisch dargelegten Geisteshaltttng, und so ist
niemand anders als der große deutsche Mystiker selbst eigentlich
die beste Widerlegung einer zweiten wolframschen Quelle,
jenes mystischen Kyot. Alle diese Züge kommen eben einer
französischen Quelle nicht zu, weil sie ihr nicht natürlich wären.
Dieser Kyot ist Wolfram selbst, wie ja die Wissenschaft
längst weiß.

Der Gral wird bei Wolfram das dichterische Mittel, das
Leben in seiner Ganzheit metaphysisch im Absoluten zu verankern
, durch eine gottinnige Tiefe des Gemüts seines Helden.
Eine ritterliche Kämpfernatur ringt um das Unsagbare, um dann
! die höchste Stute des edlen erfüllten Menschentums zu erreichen
, dichterisch ausgedrückt das Gralskönigtum. Für Dog
menfesseln steht —u";i rt«mfl»al»r?l<r.

keit des Helden .,

des Romans; die Gewalt der kreatürlichen Außenwelt, des
Schicksals, des Äußeren überhaupt erschüttern ihn nicht. Askese,
Quietismus, Entsagung, Verzückung befallen ihn nicht, sind
nicht der Weg ztim Heil, sondern in Bejahung des Lebens

---■:.] t: Clroh«n r» rinn

im Grunde ein Suchen nach dem schöpferischen Weltgrunde.
Gotlvertrauen ist wichtiger als das Credo des Dogmas. Das
Verhältnis zu ihm ist dynamisch, nicht erkannt wird er in kontemplativer
Versenkung, sondern erkämpft im Herzen und
im Leben, In aller adligen Freiheit, ohne Knechtschaft zu Ihm,
nicht in Bindung an heilige Orte und Zeiten, an greifbare
Dinge in Zelle, Klause uncl Kirche, sondern durch das volle
Leben mitten in der wilden, hellen und weiten Welt, welche
eben dadurch ihre eigne Heiligkeit gewinnen. Die wirkende
Gottheit will den wirkenden Mensch. Dasein und Wollen sind
eins, guter stetiger Wille vermag alle Dinge. Werke ohne Eigensüchtigkeit
, allein Gott zu ehren unternommen, führen zur
vollkommenen Menschwerdung. Es ist schön, so an Hand von
Menschings Studie die ersten Punkte jener Linie zu gewinnen,
die von Wolfram, vielleicht Albertus Magnus, über Eckhart,
Cusanus, Böhme weiter ins deutsche Geistesleben führt....
Bonn a. Rh. H. Naumann

NEUES TESTAMENT

Maurer, Dr. theol. Christian: Die Gesetzeslehre des Paulus nach
ihrem Ursprung und in ihrer Entfaltung dargelegt. Zollikon-
Zürich: Evang. Verlag 1941. (l07 S.) gr. 8°. Fr. 5-.

Während eine Zeit lang in der Theologie eine gewisse
Scheu herrschte, die zentralen, oft behandelten Paulus-Themen
aufs neue anzugreifen, hat sich dies in den letzten zehn Jahren
eher ins Gegenteil verwandelt: Arbeiten von Heidland, Wendland
, Günther Bornkamin, Kümmel können zürn Beweis genannt
werden. Diese neue Neigung zur Überprüfung alter
Ergebnisse entstammt nicht neuen Funden uncl den darauf
aufgebauten Erkenntnissen; sie ist durch das Selbstbewußtsein
der neuen Theologie veranlaßt, die an alle alten Resultate
die Frage zu stellen geneigt und auch berechtigt ist, ob sie
„theologisch legitim", ob sie „existentiell'' richtig seien. In die
Reihe dieser Arbeiten stellt sich" das Buch von Maurer, eine
Züricher Doktordissertation, die nach einem nur referierenden
religionsgeschichtlichen Teil (die Bedeutung der Tora im Spätjudentum
) die üesetzesanschauung des Paulus In ausgeführten
Exegesen entwickelt, sie auf ihren Ursprung befragt und endlich
zusammenfassend darstellt. Namentlich in den beiden letzten
Teilen zeigt der Autor eine beträchtliche systematische Fähigkeit
; die Exegese fördert manches Richtige, Altes und Neues,
zutage, vermag aber den Leser nicht immer zu überzeugen,
weil der Verf. oft unterläßt, die verschiedenen Möglichkeiten
wirklich zu diskutieren.

Den eben gekennzeichneten Mangel wird freilich M. nicht
als solchen anerkennen, denn er weiß sich an eine Methode
gebunden, die erlaubt, eigene theologische Voraussetzungen
zur Basis des exegetischen Entscheides zu nehmen (S. 4öff.,
70). Nun ist zwar gewiß heute mehr als je anerkannt und
oft zum Überdruß betont, daß der angeblich „neutrale" Ausgangspunkt
historischer Exegese so nicht existiert, und jeder
Interpret seine Voraussetzungen an die exegetische Arbeil mit
heranträgt. Aber diese Erkenntnis entbindet niemanden von
der Pflicht, durch saubere Exegese und gewissenhafte Erwägung
der Gegenargumente sich seine Voraussetzungen, wenn
nötig, korrigieren zu lassen.

Der Verf. kommt auf die methodische Frage im Zusammenhang
der Exegese von Rom. 7 zu sprechen. Er weist die
Auffassung ab, die in der berühmten Darstellung des

die adlige Freiheit, Gelassenheit, Gemutsledig- „eren Kampfes eine „Schilderung des Nichtchristen" sieht
nicht offen, wohl aber für Oött, SO ist das oei „Wje sie sich dem Auge des Christen darbietet" Er 'sieht

vielmehr in Rom 7,14 ff. die Lage des Menschen - gleichviel
ob Christ ob NichtChrist - entwickelt, „der sich allein
der Gesetzesoffenbarung gegenüber sieht". Aber er fü<rt hinzu
daß ,^er Mensch, der noch nichts von Christus gehört hat'
sein Elend noch nicht voll einsieht". Das scheint mir eine
Eigensucht und Zweckstrebigkeit, ein „Wirken aus dem Urunde | starke Annäherung an den eben noch abgewiesenen Standpunkt

..i" , . **, ■ i____ :.i HaM nur von innen ! 711 cßin _ oino /o-^»^„.i:™..__________ "a. . .

also, „sunder warumbe"; getrieben ist der Held nur von innen j zu sein - eine Verständigung wäre von da ans wohl unschwer

tat- und 1 zu erreichen.

her, aus innerer Notwendigkeit; weltoffen ist er, wer
lebensfreudig, in Schöpferkraft und in tatkräftiger Hilfsbereitschaft
. Es sind dies alles Wendungen Menschings zur Charakterisierung
von Meister Eckharts Lehre; aber sie ließen sich
wörtlich anwenden, um die Lehre auszudrücken, die in dichterischer
Gewandung der Ritler Wolfram geben will. Am wichtigsten
wäre natürlich die Übereinstimmung im Oottesbegriff
und im Verhältnis des Menschen zu Gott. Mensching weiß
selbst, daß es im Grunde germanisch ist.

Die Gottheit, im Grunde namenlos (denn Wolframs Be-

Allerdings habe ich gegen M.s Interpretation von Rom. 7
noch andere Bedenken. Vor allem dies, daß das Gebot „Du
sollst nicht begehren" nicht als Beispiel für das Hereintreten
des Nomos in das menschliche Leben verstanden wird, sondern
als der wesentliche Inhalt des ganzen Gesetzes. Dadurch
wird der entscheidende Gesichtspunkt von Rom. 7 verschoben;
es kommt in diesem Kapitel nämlich nicht auf die Verinhalt-
lichung des Nomos an, auch nicht primär auf die Darstellung
der Macht der Sünde, sondern auf die — von Paulus immer