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Ausgabe:

1943

Spalte:

252-255

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Cladder, Eleonore

Titel/Untertitel:

Der Wortschatz des Abraham a Sancta Clara im Bereich des Verstandes 1943

Rezensent:

Bertsche, Karl

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251

Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 9/10

252

Iwand, H. J.: Glaubensgerechtigkeit nach Luthers Lehre.

München: Ev. Vlg. A. Lempp 1941. (93 S.) 8° = Theol. Existenz heute
H. 75. RM 1.50. j

In dieser kleinen, inhaltreichen, zu einem Drittel mit sorg- j
fältig ausgewählten lateinischen und deutschen Lutherzitaten
gefüllten Schrift hat sich der Verfasser die Aufgabe gestellt, I
„einmal möglichst übersichtlich und einfach die Hauptsache
der Reformation theologisch zu sagen." Entsprechend dem
Schlußzitate: in loco iustificationis comprehenduntur omnes
alii fidei nostrae articuli eoque salvo salvi sunt et reliqui. Daß
dabei Rud. Hermann in Greifswald ihn besonders angeregt
hat, bekennt Iwand selbst. Seinen Zweck hat er vollauf erreicht:
die immer wieder, nicht zuletzt Studenten Schwierigkeit machende
Rechtfertigungslehre Luthers wird klar.

Es scheint mir schon sehr glücklich, daß der Ansatzpunkt nicht
im Passivtum: borno iustificatur a deo genommen wird, sondern im
Aktivum: homo iustificat deum = der Mensch gibt Gott Recht —
die Rechtfertigung Gottes im Menschen. Auf diese Weise wird die
Bedetirtung der fidcs klar herausgestellt; sie ist die Entscheidung,
das Ja-Sagen zu Gott in dem Sinne, daß der Mensch sich selbst
nicht: Recht gibt, vielmehr Ankläger seiner selbst wird. Der Glaube
ist damit die Erfüllung des ersten Gebotes. Der Glaubende findet
Gott in der Offenbarung des Wortes. Hier erkennt er sich selbst als
einen, der Jesus Christus braucht; die Sündenerkenntnis ist nur aus
der Offenbarung zu gewinnen, nicht aus natürlichem Schuldbewußtsein,
sie ist befreiend, weil sie Gott Recht gibt. Auch die Sünde also
muß geglaubt werden, der Glaube ist Voraussetzung der Sündcu-
erkenntnis, nicht umgekehrt. Aber der Glaube an die Adacht der
Sünde und der an die Liebe Gottes sind nicht ein Nacheinander,
sondern ein Ineinander: simul iustus et peccator. Wie spricht Gott
in der Offenbarung des Wortes? Durch Gesetz und Evangelium,
die den rechten Gebrauch finden müssen. Sie haben denselben Inhalt
, dort ist er gefordert, hier geschenkt. Das Gesetz macht dem
Menschen deutlich: Du brauchst den Christus, und sofern der
Glaubende die reliquiae pecati an sich trägt, gilt es auch für ihn.
Gegen die Antinomisten ist es beizubehalten, nicht um des Gesetzes
, sondern um Christi willen (vgl. die scharfe antinomistische
These S. 34); es bringt den Menschen zum Aufbegehren wie Wasser
den Kalk, hat die Aufgabe, ihm ein Nicht-Wissen-Wollen, einen
„Glauben" zu nehmen. Die innere Wandlung des Menschen nun ist
ein schöpferischer Akt Gottes, das Setzen eines Seins, das vor dem
Tun ist, daher denn Luther auch keine materjale Ethik kennt),
das Werk wird von der Person bestimmt. Aber diese Setzung hat
forensischen Charakter, insofern Gott des Menschen Sünde auf seinen
Sohn legt und dem Menschen die Gerechtigkeit seines Sohnes
schenkt (imputatio); um zu schaffen, muß er zunächst zunichte
machen, Christus und das Ich des Glaubenden werden eins, Christus
ist Gottes Für-mich.

Die klare Qedankenentwicklung wird ihren Eindruck nicht
verfehlen. Sie dürfte auch der Theologie Luthers entsprechen,
wenn man dieselbe systematisiert. Das Recht dazu kann man
füglich nicht bestreiten, aber der Reichtum des Oedanken
Luthers leidet darunter. Etwa der von Holl herausgearbeitete
Oedanke Luthers, daß Gott gerecht spricht, weil er wie der
Künstler im Marmorblock schon das opus perfectum des gerechten
Menschen vor sich sieht, wird vermißt. Oder das relative
Recht der Antinomisten, sich auf Luther zu berufen, tritt
nicht klar heraus. Aber darüber ist mit [. nicht zu rechten; I
man kann in einer knappen Darstellung nicht Alles sagen.
Ebenso wenig ist an diesem Orte Stellung zu nehmen zu
der von I. gesetzten Normativität der Rechtfertigungslehre
Luthers. Seine Schrift ist bewußt (S. 4) Bekenntnis, ja, an
diesem Punkte „kann nichts nachgegeben werden, wenn nicht
die Kirche überhaupt aufhören soll, Kirche Jesu Christi zu sein"
(S. 5). Die Bedenken, die gegen die von I. stark betonte forensische
Fassung der Rechtfertigung auf Grund des Sühnopfers
Christi erhoben worden sind, nicht minder der Protest des
Erasmus gegen die Erbsündenlehre, trotzdem sie I. sehr
glücklich aus biologischem Rahmen loslöst und die Unterscheidung
von necessitas und coactio unterstreicht, bleiben nach
wieor bestehen. (Zu Erasmus vgl. jetzt die eingehende Erörterung
bei K. A. Meissinger: E. v. Rotterdam, 1942, S. 293 ff.). I

Heidelberg W. Köhler

Brandl, Karl: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation
u. Gegenreformation. 2., umgearb. Aufl. Leipzig: Koehler
u. Amelang 1942. (611 S.) gr. 8°. RM 15—.

Die Freunde der beiden getrennten Bände von 1927 und
1930 werden dankbar sein, daß sie jetzt in verbesserter Gestalt
in einem Bande vereinigt sind. Brandi wollte kein Lehrbuch
schreiben, sondern mit einer eigenwüchsigen Zusammenfas- j
sung die Wissenschaft fördern, aufgrund eigener Forschung, in ,
eigener Auswahl, Sicht und Belichtung. Deshalb brauchte er

zu den vielen Kontroversen direkt kaum Stellung zu nehmen
und konnte darauf verzichten, alles auf den neusten Stand
unseres Wissens zu bringen. Seine ernste und gehaltvolle
Stimme wird sich auch so Gehör verschaffen und hat es längst
getan. Es wäre einem solchen Werke daher auch kaum damit
gedient, wenn man Lücken aufwiese, Einseitigkeiten anmerkte
oder Detailkritik übte. Derartiges wäre insbesondere gegenüber
den synthetischen Meisterstücken, an denen kein Mangel
ist, kaum angebracht. Daß der Verfasser der religiös-kirchlichen
Seite ständig ganz besonders liebevolle Beachtung schenkt, und
daß er sie nicht nur mit reifem Verständnis, sondern auch
stets mit tiefster innerer Teilnahme würdigt, versteht sich bei
einem Manne wie Brandi von selbst, dessen Stärke freilich
andrerseits nicht minder auch darin liegt, daß Verfassungs-, Sozial
- und Wirtschaftsgeschichte sowie die äußere Politik voll
zu ihrem Rechte kommen. Auf den Spuren Rankes ist er doch
vielfach weit über ihn hinausgelangt. Auch die Einzelforschung
aber wird sich mit dieser schönen Frucht einer ganzen Lebensarbeit
immer wieder auseinandersetzen müssen.

Wyk auf Föhr J. H a s h a g e n

Haupt, Georg: Gutenberg und die Kirche. Berlin-Steglitz:
Eckart-Verlag 1940. (23 S.) 8°. RM -75.

Der Verf. betont mit Recht, daß es Qutenberg
darauf ankam, „bessere Bücher zu schaffen, als es bis
dahin möglich war", „Bücher, die an Sicherheit, an
Sauberkeit und Schönheit der Schrift jede Handschrift
übertrafen", also nicht billigere und für weitere Verbreitung
bestimmte Bücher. Der Kirche habe er mit seinem
Bibeldruck das Vermächtnis hinterlassen, daß sie
auf die „Schrift" als auf etwas Beseeltes und an die
Seelen Rührendes Wert lege und besonders den Bibeldruck
„würdig", „von innen heraus warm und lebendig"
gestalte. Rudolf Koch habe dazu die Wege gewiesen.
Dabei wird aber doch wohl zu wenig beachtet, daß
insbesondere die Bibelgesellschaften ihre erste Aufgabe
darin sehen mußten, möglichst preiswerte Bibeldrucke für
den Massenabsatz herzustellen.

Zwickau i. Sa. O. C 1 e m e n

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

C lad der, Eleonore: Der Wortschatz des Abraham a Sancta
Clara im Bereich des Verstandes. (Münster, Phil. Diss.). Bottrop
i.W.: Postberg 1940. (164 S.) 8°.

Diese Arbeit gehört zu den Untersuchungen und
Forschungen über die sog. Sprachfelder, die ihren Ausgang
genommen von Prof. lost Trier in Münster; sie
will den Bau der Umgangssprache der Zeit darstellen,
woraus die „Aufklärung" erwachsen ist, jener Zeit also,
die „grundlegend beitrug zur Formung der ganzen heutigen
Sprache und daher wesentlich die Art der Weltsicht
mitbestimmt, wozu unsere Muttersprache uns heute
erzieht." (S. 6,4f); und dies glaubt die Verf. dadurch
fertig zu bringen, daß sie den Wortschatz, d. h.
einen engbegrenzten nur, Abrahams a. S. Cl. untersucht
und vorführt; denn grade dessen Volkstümlichkeit verleihe
ihm eine so große Bedeutung für eine vom Sprachlichen
ausgehende Darstellung des Wandels, der sich
im Denken der Menschen beim Übergang vom Mittelalter
zur Neuzeit vollzogen habe.

S. 7 behauptet die Verf. dann: Ahr. schaffe sprachlich nichts
Neues; denn auch das, was er an eigenwilligen und bezeichnenden
Neubildungen forme, sei nicht Ausdruck eines originalen Geistes, sondern
trage den Stempel volkstümlichen Denkens; oft sei man im
unklaren, ob die bei ihm neuauftretenden Wörter seine eignen Schöpfungen
seien oder die des Volkes seiner Zeit. (Also doch — vielleicht
!). Daß indessen Abr. a S. Clara ein Sprachschöpfer, und
zwar kein geringer, gewesen, hat bislang noch niemand bezweifelt;
wie schreibt doch nur Eichendorff in seiner „Gesch. der poet.
Literatur Deutschlands"? — „Auch die deutsche Sprache hat dieser
verschwenderisch begabte Dichter mit einem wahren Schatz kühner
und unmittelbar schlagender Wortfügungen bereichert . . ." Nicht
umsonst sind unsre Großen zu ihm in die Schule gegangen: die
Goethe, Schiller, lean Paul u. a.! Offenbar kennt die Verfasserin
nicht das ellendange Register Abrahamscher Worte, die Prof. Hans
Strigi (Wien) im Anhang des Bd. VI seiner Auslese aus A.s Werken
(1906) . zusammengestellt hat; es verzeichnet Wörter, die bei Abr.
vorkommen, jedoch im D. Wörterbuch entweder fehlen oder ohne