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Ausgabe: | 1943 |
Spalte: | 247-248 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Walter, Johannes von |
Titel/Untertitel: | Christentum und Frömmigkeit 1943 |
Rezensent: | Stephan, H. |
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247 Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 9/10 248
Organischen Disponierung des Stoffes erkennt der Verf. in ' vermittelt. Wie der — etwas merkwürdig formulierte — Titel
seiner Berechtigung an, aber seine Erfüllung muß „wohl einer ! andeutet, sind fast sämtliche Themata auf die Geschichte der
ruhigeren Zeit und einer anderen, jüngeren Arbeitskraft vorbe- | christlichen Frömmigkeit bezogen; entweder zielen sie direkt
halten bleiben." Wir wollen uns freuen, daß der Band wäh- | auf diese ab, oder ihre Behandlung findet bald den Weg zu Ihr;
rend des Krieges überhaupt noch einmal erscheinen und das I lediglich 3 (Friedrich d. Weise u. Luther; Der Reichstag zu
wieder werden konnte, was er früher war! I Speyer 1529; Was sind die Torgauer Artikel?) verzichten auf
Viel stärker ist die Umwandlung des zweiten, das Mit- I solche Wendung. Im einzelnen gelten 4 wesentlich der bibli-
telalter umfassenden Teils, obgleich der Verf. sich auch hier j sehen und der altkirchlichen Zeit (Von der Entstehung der
im allgemeinen in einem kritisch sehr aufmerksamen, überlegten I Kirche; Katholizismus und Protestantismus; Marcion; Heilsge-
Sinne „konservativ" verhalten hat. Es ist kaum ein Paragraph i meinde oder Heilsanstalt?), 2 dem Mittelalter (Die Sonder-
zu nennen, der nicht mehr oder weniger stark erweitert worden I Stellung Bernhards v. Gl. in der Geschichte der Mystik; Mei-
wäre; besonders in den theologigeschichtlichen, aber auch in I ster Ekkehart oder Luther?), 9 der Reformationszeit (die 3
den fromm igkeit- und liturgiegeschichtlichen Partien ist der j bereits genannten; Die neueste Beurteilung des Erasmus
Stoff sehr gewachsen. Im ganzen hat das Werk um volle 8 Bo- [1911!]; Das Ende der Erasmus-Renaissance; Luthers Fröm-
gen zugenommen. Das liegt nicht nur an dem vergleichsweise 1 migkeit und deutsche Art; Der verborgene und der offenbare
weiteren Zurückliegen der letzten Durcharbeitung (1930; die < Gott bei Luther; Rechtfertigung und Heiligung bei Luther;
9. Aufl. von 1932 war nur ein photomechanischer Abdruck ; Des Christen Kreuz und Christi Kreuz nach Luthers Lehre),
mit Literatlirnachträgen), sondern auch an dem reicheren Er- ! 2 der Neuzeit (Luthertum und Pietismus; A. H. Francke);
trag der wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiet der mittel- 1 stellt die ganze Geschichte der christlichen Frömmigkeit unter
älterlichen Kirchengeschichte (wobei die protestantische For- 1 einen wichtigen Gesichtspunkt, mit besonderer Betonung von
schung gegenüber der katholischen und welthistorischen zurück- j Luther, Augustin, Schieiermacher (Der religiöse Determinismus
getreten ist) und auch an dem neuen Interesse an dieser gro- j in der Geschichte der Frömmigkeit). Schon diese Übersicht
ßen, in ihrer religiösen Bedeutung so umstrittenen Epoche deut- zeigt den Reichtum des Bandes und seine Bedeutung für so
scher Geschichte. „Auch der Kirchenhistoriker", sagt das Vor- j manche brennende Frage der Gegenwart. Er führt wie in das
wort, „gehört unbeschadet der Universalität des Christentums j Schaffen v. W.s so auch in die Innenseite der Kirchenge-
und der Kirche zu allererst dem Volke an, in das er hinein schichte reizvoll ein. Er ist voll von Anregungen nicht nur
geboren ist, und muß daher allen Geschehnissen und Ent- i für die historische, sondern auch für die systematische Selbst-
wickiungeu, die es berühren, eine besondere, warmherzige i besinnung des christlichen Glaubens. Man wird gut tun, bei
Aufmerksamkeit schenken .... Die ungeheure politische und I dem Aufsatz über den religiösen Determinismus (dem längsten
weltanschauliche Umwälzung unserer Tage lehrt den Historiker, j Stück) einzusetzen. In ihm klingt der ürundton der Fröm-
manche Vorgänge früherer Zeiten mit anderen, jedenfalls schär- | migkeit v. W.s eindrucksvoll an, und andere Aufsätze erhalten
feren Augen zu sehen als zuvor." Man könnte hierzu im einzel- j von da aus wertvolle Beleuchtung. Einem der üblichen Rich-
nen auf den Abschnitt über Meister Eckhart (§ 146,2) oder j tungsschemata läßt v. W.s Betrachtungsweise sich kaum ein-
,,die Judenfrage im Mittelalter" (§ 150) verweisen. Besonders , gliedern; sie ist sehr eigenständig — allerdings nicht immer
ist aber wohl an die Behandlung des Frühmittelalters gedacht:
der einleitende „Überblick" kennzeichnet Art und Bedeutung
der Germanenbekehruug und betont die „schicksalhaften Span
so sehr, wie er selbst meint. Die Auseinandersetzung gerät
zuweilen, wohl infolge der bei Vorträgen notwendigen Knappheit
,* in die Gefahr, sachliche Begründung durch vieldeutige
nungen", die im Verhältnis von Imperium und Sacerdotium ; Schlagworte zu ersetzen (vgl. S. 239). Aber was v. W
von Anfang an beschlossen lagen. Durch Betonung allgemeiner | positiv sagt, ist überall ernster Beachtung wert. Das gilt
Gesichtspunkte ist die Darstellung auch sonst geschmeidiger ■ vor allem von seinem Luther-Verständnis. Im Zusammenhang
geworden, und die Zusammenhänge treten mitunter besser j gegenwärtiger Bestrebungen ist seine Auffassung des Kathoh-
heraus. Es ist deutlich, daß der Verf. sich überall um ein i zismus bedeutsam. Er sieht dessen Ursprung darin, daß
wirklich geschichtliches Urteil bemüht und die einseitige Be- J die lirchristliche enge Verbindung von Religion und Sittlich-
rücksichtigung sittlich-persönlicher Motive, die ihm Th. Mayer ! keit zerbricht; auf der einen Seite entsteht durch das Ein-
in diesejr Zeitschrift (1931 Sp. 614) vorwarf, zurückzudrängen | dringen mysterienhafter Frömmigkeit eine Sakramentsmagie,
sucht. Etwas schematisch kirchlich werden m. E. immer noch die zur Vcrstofflichung der Gnade (Eingießung) und zur
die hochmittelalterlkiien Fläresien gekennzeichnet (§ 113,1; ! Ausbildung des Priestertums führt, auf der andern durch den
131). Aber der Wille zu einer „ernsten, hochsinnig erfaßten , Einfluß des jüdisch-römischen Moralismus eine falsche VerObjektivität
" ist überall spürbar; vgl. etwa das gegenüber selbständigling des Sittlichen (S. 38 f.). Auch hier möchte
der vorigen Auflage noch entschiedener gefaßte Urteil über die v. W. die überlieferte (verfassungs- und dogmengeschichtliche)
Templertragödie (§ 138,4) oder über Alexander VI und Sa- | durch frömmigkeitsgeschichtliche Betrachtung vertiefen. Zwei-
vonarola (§ 157,3 f.). I feilos bringt er dabei Momente zur Geltung, die heute leicht
Auf Einzelheiten sei nicht eingegangen. Im Ganzen hat j übersehen werden — freilich auch selbst keine Absolutierüng
das Buch trotz aller Erweiterungen seinen alten Charakter be- I vertragen. Ebenso wenn er den Pietismus als die englische
halten. Es bringt nicht Forschungen, sondern Forschungs- I Form des Christentums versteht (S. 343) und die innerdeut-
ergebnisse; es schildert nicht, sondern es stellt zusammen, es > sehen Wurzeln lediglich als „negative Voraussetzungen" (S.
führt ein und orientiert. Aber gerade gegenüber der Stoffülle : 114'» zu würdigen scheint. Recht anfechtbar ist seine, die
der mittelalterlichen Kirchengeschichte, bei der noch so vieles
unübersichtlich und unerforscht bleibt, ist ein solcher kundiger
Führer ein wirklicher Gewinn, und wir haben ihm als ganzem
von protestantischer Seite nichts an die Seite zu stellen. Der
Verf. nennt es „eine Art Rechenschaftsablage" über seine akademische
Lehrtätigkeit; es ist zu erwarten, daß die neue Auflage
den Kreis der dankbar von ihm Belehrten noch einmal
erweitern wird.
z. Zt. im Heeresdienst H. v. Campcnliausen
Reden und die Glaubenslehre durcheinander werfende (S. 89 ff.)
Behandlung Schleiermachers, seine durchaus nicht frömmigkeitsgeschichtliche
Kennzeichnung des deutschen Rationalismus durch
den deistischen Gottesgedanken (S. 90f.; ob er wohl die
rationalistische Erbauungsliteratur kennt?) u. a. Aber solche
Bedenken wollen den Dank für die Gabe nicht schmälern;
sie wollen nur zeigen, worin ihr Verdienst besteht: darin,
daß sie wichtige Fragen auch weiteren Kreisen zum Bewußtsein
bringt und neu beleuchtet, nicht darin, daß sie Fragen
fachtechnisch zu lösen versucht.
Walter, Johannes von: Christentum und Frömmigkeit. Oesam- Leipzig H. Stephan
melte Vorträge und Aufsätze. Gütersloh: »Der Rufer 1941. (V,
36Das} Kh vereinigt 18 Vorträge uJdSÄKr 1 KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT
am 5. |an. 1940 heimgegangene Kirchenhistoriker in sehr ver- I ..
schiedenen Zeiten zwischen 1911 und 39, verfaßt hat. Nur 6 Aktensammlung zur Geschichte der Basler Reformation in den
davon waren bereits früher gedruckt, zum Teil an sehr ent- Jahren 1519 bis Anfang lo34. Im Auftr. d. Histor. u. Antiquar,
legenen Stellen. Der Herausgeber hat, durch Andeutungen | Ges. zu Basel hrsg. v. Emil Du rr u Paul Roth. I. Bd.: 1519 bis
des Autors unterstützt, die Auswahl vollzogen. Im übrigen hat ! Juni 1525 (XXIII, 553 S.). II. Bd.:_ 525 bis Ende 1527 (XXII, 751 S.).
er sich darauf beschränkt, einige Wiederholungen und über- III. Bd.: 1528 bis Juni 1529 (XIV, 680 S.). IV. Bd.: Juli 1529 bis
holte zeitgeschichtliche Anspielungen zu streichen, manches ' Sept. 1530. (XIV, 638 S.) gr. 8 . Basel: Verlag der Hist. u. Antiqu.
durch Fußnoten zu verdeutlichen, Zitate nachzuprüfen und auf i Oes. Univ. Bibl. 1921/1933/1937
neue Ausgaben umzustellen sowie auf thematisch verwandte ; Roth, Paul: Durchbruch und Fortsetzung der Reformation in
Veröffentlichungen v W.s hinzuweisen. Man wird dankbar seine Basel. Eine Darst. d. Politik d. Stadt Basel im Jahre 1529 auf Grund
Hoffnung erfüllt finden, daß er ein Ganzes zustande gebracht d. offen«. Akten. Basel: Helbmg u. I.ichtenhahn 1942. (111 S.) gr. 8"
hat, das „einen lebhaften Eindruck von der Eigenart der = Basler Beitr. z. Geschichtswiss. Bd. 8. RM 2.90.
für den Autor grundlegenden Auffassungen und Oedanken" | Das Zustandekommen dieser mit den vorliegenden Bänden