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Ausgabe: | 1943 |
Spalte: | 241-242 |
Kategorie: | Altes Testament |
Autor/Hrsg.: | Noth, Martin |
Titel/Untertitel: | Die Gesetze im Pentateuch 1943 |
Rezensent: | Beer, Georg |
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Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 9/10
242
Noth, Martin: Die Gesetze im Pentateuch. Ihre Voraussetzungen
und ihr Sinn. Halle (Saale): Max Niemcyer 1940. (VIII, OOS.) gr 8°
= Schriften d. Königsb. Gel. Ges., Geisteswiss. KL 17. Jahr, H.2. RM8—.
Die Erforschung des Pentateuch ist noch immer im
Fluß. Neben der Erörterung der Quellen werden größere
Stoffteile inhaltlich behandelt. Neuerdings ist die
Gesamtfrage nach Herkunft und Sinn der Gesetze des
Pentateuch in den Vordergrund gerückt. Mit diesem
Thema beschäftigt sich auch die hier zu besprechende
mit bekannter Gründlichkeit ausgeführte Abhandlung von
Martin Noth. Der Stil ist mitunter ungemütlich
breit. S. 65 z. B. begegnet ein Satzungeheuer von
15 Zeilen, die Zeile ca. 60 Buchstaben!
Noth geht von der Frage aus, warum wird das
ganze A. T. (z.B. Joh. 10,34; 15,25) als „Gesetz"
bezeichnet, obwohl doch nur der erste Teil des at.lichen
Kanons den Namen Tora „Gesetz" führt. Die Antwort
darauf lautet: weil das Gesetz schließlich für das Judentum
die Hauptsache geworden war und dieser Namen
am besten als Generaltiitel für die heilige Nationalbücherei
der Juden sich eignete. Ganz richtig! Den
Ansatz machte die Tora d. h. der Pentateuch. Für die
Wahl dieses Namens aber kam m. E. m i t, wenn nicht
ü b erha u p t in Betracht, d;iß die Tora das unter
Josia als verbindliche heilige Schrift eingeführte Deuteronomium
war, das die Keimzelle des ganzen alt-
tcstanientliclien Kanons geworden ist.
Die eben erwähnte Frage führt geschickt zu dem
Hauptziel der Arbeit N.s: Klärung über die Stellung
und Geltung der Gesetze im Pentateuch. Etwa die
Hälfte des ganzen Pentateuchs einnehmend, bilden sie
kleinere und größere Einheiten.
Hinsichtlich ihrer Artenfolge hält sich N. im Allgemeinen an
einen gewissen Konsensus der Kritiker, doch riskiert er auch Extratouren
. Obenan stellt er das Bundesbuch aus der Zeit zwischen
Landnahme und Volkwerdung. Dann das Deuteronomium aus der
letzten Königszeit; auch noch vorexiiisch ist das Heiligkcitsgesetz,.
Bei den Dekalogen Ex. 20 und 34 verzichtet N. wegen ihres zu allgemeinen
Charakters auf nähere Datierung. Ezechiel 40—48 sei
nicht von Ezechiel wegen der bescheideneren Rolle, die der Fürst (45,
7) gegenüber dein mit weit mehr Machtbefugnissen ausgerüsteten Fürst
34,23; 37,22 ff. spielt. Von einem Priesterkodex im üblichen Sirni
will N. nichts wissen. Esra bringt 458 als SonderbcvoUmächtigter
des persischen Großkönigs ein Gesetz von Babel nach Jerusalem; über
den Verbleib dieses Gesetzes sei nichts zu sagen. Es sei aber weder
der ganze Pentateuch, noch der daraus geschälte Priesterkodex.
Denn dieser sei ein Erzählungswerk, in das die Oesetzc literarisch
sekundär eingeschaltet wurden (S. 69 Anm. 1). Stellung zu dieser
Hypothese zu nehmen, ist noch nicht angebracht, solange sie nicht
eingehender, sondern nur anmerkungsweise vorgetragen ist.
Verstehe ich N. recht, so gibt es nach ihm im A. T.
nur Sakralrecht, keim vom Staat oder König erlassenes
Gesetz. Darf man aber überhaupt so streng zwischen
kirchlichen und weltlichen Recht in der Antike scheiden?
In Israel galt alles Recht göttlichen Ursprungs. Und
sodann: der israelitische König ist summus episcopus,
Herr über den Tempel, und zugleich oberste Person im
Staat — wenn er Gesetze gibt, vereinigt er beide Würden
in seiner Person; solche Gesetze sind dann sakrales und
Staatsgesetz zugleich. Gern hätte ich von N. erfahren,
wie er über die Tatsache denkt, daß das Königsgesetz ;
im jetzigen Deuteronomium 17,14—20 steht. Gehörte
es bereits zu dem auf Befehl des Königs verlesenen
Gesetz — dann hätte Josia nicht verdient König zu j
heißen, wenn er sich der geistlichen Bevormundung
in 17,14—20 unterworfen hätte — sie wäre Vorbild
für die Szene Heinrich IV. in Canossa. Oder wurde
das Gesetz bei der Verlesung 2. Könige 22,10 und
auch 23,3 unterschlagen? Oder endlich: wurde das
•Gesetz erst später eingeschoben in ein Dokument, das j
öffentlich beschworen war (Deut. 26,16—19)?!
Den Hauptzweck seiner Arbeit, zu zeigen, wie aus
den einzelnen Gesetzen im Pentateuch, losgelöst von
ihren geschichtlichen und kulturellen Bindungen allmählich
als absolute Größe „das Gesetz" konkreszierte,
hat Noth gewiß erreicht. Es finden sich in der Abhandlung
feine Einzelbeobachtungen und neue Fragestellungen
. Auch für Exegese und Quellenkritik fällt
allerlei Förderndes ab. Zu Exod. 24,11 sollte N. die
textkritischen Bemerkungen von Holzinger (in Kautzsch,
Heil. Schrift des A. T.*J sich durch den Kopf gehen
lassen, vielleicht ist ihm dann das „Bundesmahl'' hier
■auch verdächtig. Mir persönlich ist willkommen Noths
Hinweis, daß bereits im altbabylonischen Reich von
Zeit zu Zeit ein Schuldenerlaß anscheinend stattfand (S.
29) — das ist wichtig für Deut. 15,1 ff. und für die
Geschichte des Sozialismus, die ihren Anfang im Orient
nimmt.
Neckargemünd G. Beer
NEUES TESTAMENT
Lohmeyer, Ernst: Kultus und Evangelium. Oöttingen: Vanden-
hoeck u. Ruprecht in Komm. 1942. (128 S.) gr. 8°. RM 5.50.
Ernst Lohmeyer legt in diesem Bande erweiterte und durchgearbeitete
Vorträge vor, die er von Uppsala gehalten hat. Sie
erörtern das Problem Kultus und Evangelium, genauer die geschichtliche
Frage: der israelitisch-jüdische Tempelkult
und der Jesus der synoptischen Evangelien
. Sie wollen den Grund für die Beobachtung der Tatsache
aufdecken, daß überall dort, wo das Christentum hinkam,
die Altarfeuer verlöschten und die Opfer aufhörten. Diese
grundsätzliche und bedeutsame Frage ist an ihren geschichtlichen
Ursprung verfolgt, und eben da lautet sie: wie verhält
sich der Jesus der synoptischen Evangelien zum israelitisch-jüdischen
Tempelkultus? Eine Klärung dieser Frage hat zugleich
eine große Bedeutung für die Erhellung des Jesusbildes. Und
auf diese Seite legt Lohmeyer starken Wert, auf sie soll deshalb
diese Anzeige besonders achten.
Lohnieyers Studie teilt sich in vier Abschnitte. In einem ersten
Abschnitt „Das Problem" wird vor allein Bedeutung und Eigenart
des israelitisch-jüdischen Tempelkultus im Rahmen des Gjn/cn
der israelitischen Religionsgeschichte untersucht. Der zweite Abschnitt
verfolgt die Frage des „Kultus im Evangelium" und sammelt
aus dem Markus-, Matthäus- und Lukasevangelium — in dieser
Reihenfolge — das in Frage kommende Material. Aus dein märkischen
Material gewinnt Lohmeyer in eindringender Exegese das
Urteil: „Jesu Wirken bat den jetzt noch verhüllten Sinn, — um
es mit einem apokryphen Wort zu sagen — die Opfer aufzulösen"
(S. 34). Es stehen sich „der von Gott einst geordnete Kultus und
der von Gott jetzt gekommene Menschensohn scharf gegenüber" (ebd.).
Der wahre Sinn und Inhalt der letzten Tage von Jerusalem „ist nach
der Darstellung des Markuscvangeliums die Bekämpfung und Überwindung
des Kultus durch das Evangelium, das im Tode des Menschensohnes
gleichsam triumphiert" (S. 42). Unter diesen Gesichtspunkt
rückt L. eine Analyse der Passionsgeschichte. Das Matthäus-
evangeliiiun trägt diesem Gedanken sofort in der Oeburtsgcschichte
Rechnung. Alle Hoffnungen des Judentums schwinden vor dein
Gedanken der eschatologiischen Vollendung durch Siindcnreltung „wie
ein irdischer Rauch vor dem himmlischen Licht der Sündenvergebung".
An die Stelle Jerusalems und seines Tempels tritt „Kapernaum und das
Galiläa der Heiden", sie sind zu „Gottes eschatologisch heiligen
Stellen" geworden, während der Tempel zur „Stätte des Teufels"
wurde (S. (>2 f.). Stehen Markus und Matthäus in dieser Hitv-
sicht in einer Linie, so ist der Sachverhalt im Lukasevangeliuiu ein
anderer; dort sind „die ursprünglichen Gegensätze zu Tempel und
Kultus gemildert"; der Tempel „ist und bleibt die Stätte heiligen
Dienstes und Gebetes". Jesus ist nicht aJs der Menschen- und Gottessohn
der Zerstörer des allen und Erbauer eines neuen Tempels,
sondern der fromme Sohn seines Volkes, der an Gottes heilige
Wohnstätte sich auch in dem Besonderen seiner cschatologischen Sendung
gebunden weiß" (S. 66 und 08).
Der dritte Abschnitt spricht von dem „Evangelium über den
Kultus". Er geht davon aus, daß Grundbegriffe des Evangeliums
kultischer Art sind. Das Gottesreich ist wie ein Haus, in dem
man zu Tische liegt und in das man eingehen oder vor dessen verschlossener
Tür man stehen kann. Diese Bildersprache hat ihre Analogie
zu den festliehen Einzügen in den Tempel. Wie der Tempel
Mittelpunkt einer Gemeinde ist, so entsteht unter Jesu Wirken
die Gemeinde des Gottesreiches. Aber diese Gemeinde setzt sich nicht
aus denen zusammen, „die als Kinder des Volkes geboren, nach dem
heiligen Gesetz wandeln und durch das heilige Opfer entsühnt werden
", sondern es sind die Armen, die Blinden und Lahmen, die
Frauen und Kinder, die seine Gemeinde bilden; Jesus wendet sich an
an „die von Mühsal und Not, Armut und Schuld Bedrückten"
(77 f.). Diese Antithese ist eine bewußte und gewollte, denn „ich
werde diesen Tempel zerstören und einen anderen bauen in drei
Tagen". Im Gottesreich wird „das Herz der Ort, in dem Oott
reiner und heiliger wohnt als an irgend einer Tempelstätte der Erde"