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Ausgabe: | 1943 |
Spalte: | 213-215 |
Kategorie: | Praktische Theologie |
Autor/Hrsg.: | Haendler, Otto |
Titel/Untertitel: | Die Predigt 1943 |
Rezensent: | Fendt, Leonhard |
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213 Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 7/8 214
Erleben und Denken, Fortschreitendes Denken, Ge- I stieren vor das theologische Denken setzt, beides in
schichtliches Wissen, Unser Wissen vom Übersinnlichen, i einer Ganzheitsschau zusammenschließt, und es wagt,
Begründung und Überzeugung, sowie den Schlußteil als die in der Tiefenpsychologie vorliegenden Grunderkennt-
Ethik: Die Wahrheit tun —, Religion und Sittlichkeit; nisse vom Existieren auch auf die christliche Existenz
Gott geben, was Gottes ist; - Sittliche Grundkräfte anzuwenden. Dabei bleibt diese Lebensschau, so weit
menschlichen Zusammenlebens, Einzelmensch und Ge- sie auch hinausgreift, ernsthaft in den Bahnen der geoen-
meinschaft, Ehe und Familie — Volk und Staat, Der wartigen Theologie, man hat es keineswegs mit einer
Mensch als Herr der Dingwelt. Lötz bietet eine weit ge- i „Sonderfahrt" oder gar mit einer s. v. v. „Ketzerei"
steckte Seinslehre: Das Erscheinungsbild des Menschen ', zu tun. Auch liegt das Besondere dieser Lebensschau
in der Welt, Die Geschichtlichkeit des Menschen als nicht eigentlich in der Verwendung der Tiefenpsycholo-
Spiegel seines geistigen Lebens, Das geistige Erkennen gie, sondern in der Tatsache, daß hier ein Theologe mit
und' das geistige Wollen im Lichte der einzelnen Kul- , der Existenz des Christen in Christentum und Kirche, in
turgebiete, Der Mensch und die Natur, Die Stufen der ! Theologie und Dogma, in Volk und Gegenwart solange
Natur, Der innere Wesensbau des Menschen und der ringt, bis er seine ganze Theologie als Frucht dieses
Naturdinge, Der Mensch im Zusammenhang der Natur , Ringens (und nicht als eine eingelernte und bloß als
als teleologische und genetische Betrachtung, — schließ- : praktisch erfundene Tradition) um sich leben und weben
lieh eine Metaphysik: Die Erscheinung der Überwelt sieht wie der Vater in Ps. 127,3—5 die Kinder. Mit
in Mensch und Welt, Die Wege zur Überwelt, Vom Recht steht über dieser Lebensschau das Motto: Nicht
Wesen Gottes, Gott und die Schöpfung, Der Mensch vor ! „gedacht', sondern der Wirklichkeit abgesehen und ab-
Gott, der Mensch in Welt und Überwelt. j gerungen — aus einem Schicksal geboren (p. VIII).
In solch aufgeschlossener Gedankenführung, die auch . Aus dieser Lebensschau heraus erarbeitet nun H.
dem Glaubenden nichts erspart, sondern sehr viel zu- ; seine Homiletik. Und da er seiner Lebensschau entspre-
mutet, wird Philosophieren an die Grenze geführt, wo es [ chend, in der subjektiven Assimilation des Objektiv-Ge-
selbst als geoffenbartes Denken sich gläubig zurückfin- gebenen die Arbeitsformel so des Theologen wie des
det. Für den Einzelnen zugleich ein seelenführender und ; Spatchristen sieht, so schenkt seine Homiletik demjenigen
damit seelsorgerlicher Dienst. Welch warmherzige Ant- ; raktor in der Predigtsache die Hauptaufmerksamkeit,
Worten lassen sich aus dem gedankenreichen Buch für ; weicher für sich wie für die Gemeinde der Assimilator
den suchenden und ringenden Menschen finden, der in : zu sein hat: dem Prediger! Dennoch wurde diese Ho-
seinem Verfaneensein im Weltganzen nicht bloß auf mikrtlk nicht einfach zur Pastoraltheologie, sondern blieb
Antwort wartet, sondern auch - leidet. Seit Boethius : richtige Homiletik H. bejaht nämlich die ganze Ange-
haoen wir keinen solchen ,Trost der Philosophie' mehr ! legenheit „Wort Gottes wie unsere heutige Homiletik
besessen Einem solchen Dienst müssen wir auch vom i (siehe z. b. Tnllhaas und Schreiner) sie vorbringt
protestantischen Geist her aufgeschlossen bleiben. Die ! (es sei denn, man mache da und dort aus „Wort Got-
großen Positionen verbinden doch immer wieder. Zuwei- ; tes ein unbegreifliches X — ein solches kann ja nicht
len werden wir zwar an altlutherische Dogmatiken er- j mehr erfaßt, geschweige denn assimiliert werden); H.
innert deren Fragestellungen wir nicht mehr wiederholen ! erleichtert in nichts die Schwere der Forderung „Ob-
könnten. Es wird auch viel zu viel über das Gottesver- j J™*»™ de'' '^edigt als der Verkündigung des Wortes
hältnis gewußt. Die Möglichkeit einer Gottesaussage | Gottes ; aber er fugt der gegenwärtigen Homiletik,
ist uns nicht mehr selbstverständlich. Wir machen eher zu welcher er wirklich positiv steht, den kanonischen
Halt vor dem Unerforschlichen und Numinosen. Ganz ! anderen Teil hinzu: Laßt den subjektiven Faktor der
überraschend neu sprechen uns die Gottesbeweise an, j Predigt, den Prediger (und den Predigthörer in seiner f
wobei wir aber den Verfassern die eigene Begrenzung Zugewandtheit zum Prediger) nicht verwildern, sondern
zugute halten müssen, die sie sich selbst stellten, ja nur ; pflegt ihn! Denn es gibt iridei• Predigtarbeit kein „Ob-
eine Vorschule zur Glaubenslehre bieten zu wollen. Die jekW' ohne diese Subjektivität kein „Wort Gottes"
pädagogische Anwendung der Gottesbeweise bleibt ja un- ohne den, der es verkündet (und ohne den, der es hören
bestritten I soll)" D'e Darlegung dieses Sachverhaltes im ».sehen
Auch in der Literatureinführung, die sich fast nur auf P^^^n^E^lÄU^ % ^T"
katholisches Schrifttum beschränkt, gehen dk, Verfasser , f^oTvlll^^
eigene Wege, indem sie sich zugleich die Aufgabe stell, j g Unentwegten) Und daß hier 'erade
ten zU selbständiger Weiterbildung; unc1 zuverlern | ^ Tiefenpsychol ie dn fyj Ä«£„hatPISrd
Studium anzuregen; wir verweisen umso mehr auf diesen
kleinen Charakterzug, als die von B. v. Selchow (Glaube
der Ichzeit) zum ersten Mal geübte Charakteristik innerhalb
der Literaturangabe, für jedes Werk nämlich den
psychologischen Ort zu finden, bisher theologischerserts
zu wenig Beachtung und Nachahmung gefunden hat.
die Tiefenpsychologie ein Wort mitzureden hat, wird
dem nicht merkwürdig erscheinen, der seelsorgerlich zu
denken gelernt hat, also die Kenntnis des Menschen
und seiner Art dort entnimmt, wo er sie bereitgestellt
sieht, und Hilfe dort tut und so tut, wo und wie Not
am Manne ist. Das hat bei H. mit einer Geringschätzung
oder auch nur Geringerschätzung der biblischen Anthro-
Die'erfreulichste Begegnung mit dem protestanti- pöfogk nichts zu tun; umgekehrt ist es; denn die psycho-
o u uie erireuucnsic Deg^i u g offenen Mundig- logischen, besonders die tiefenpsychologischen Paral-
ÄerS mn^ wieSPhier d Eigene selbständige Durch- lefen ^'biblischen Anthropologie' lehren tins den Heils-
denkunJ der abteilten Lebensfragen auch dem Glau- vorgailg des „sola fide" schärfer markieren und so ge-
aenkung der gestellte LeD^'ls « Voraussetzung rade auch die „Umgebung" des Heilsvorganges deut-
bendeii( zugesprochen unc' sogar m't a^ „ «b h £d ,n_ (Dabd H |n
einer Glaubensentsche.dung gestellt VW* L>ngn£r der jung6chen Richtu„g und sieht die ticfenpsycholo-
Jena gische Arbeit entscheidend gefördert durch das Deutsche
Institut für psychologische Forschung und Psychothera-
mrrrnrrtrTP pie M. H. Görings in Berlin).
PliAKTlbCHh rHEOLU^n, *- Wag H dem Leser seines Buch€S SQ recht eindring.
u ... n. n Ti^n^riioloriKhe Grundlagen and lieh klarmacht, ist schließlich dies: Predigtarbeit und
Haend ler, Otto: Die Predigt. „r.8. rm,.8o. Predigt nimmt das ganze Sein des Menschen in An-
OnjndfruKcn. Ber^n: a Topclm.nn 1Q41 (xii, U _ ^ ^ ^ Unbewußten ^ ^ die
Das Buch Haendlers - ffl. t. €in 8™ , die rJorderung der Gestaltung des Selbst hinein; es ist
bietet dem Leser recht eigentlich eine Lebenssc. ganze Wirklichkeit menschlichen Seins in Gemeinde,
Lebensschau eines Theologen, welcher £ d Ki,rcL Volk und allen mannigfachen konkreten Be-
f^gtgS*W«^Ä^ B ***** die Sich zwischen Leu ergehen, da™";