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Ausgabe:

1943

Spalte:

211-212

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Horváth, Alexander Marie

Titel/Untertitel:

Der thomistische Gottesbegriff 1943

Rezensent:

Schultz, Werner

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Seite 1

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Theologische Litcraturzeitung 1943 Nr. 7/8

212

marschen Grundgedanken durch eigenes Nachdenken und
Nachziehen der angesponnenen Fäden selbst zu erreichen.
Am glücklichsten scheint uns die Gedankenentwkklung
in der Beleuchtung der Lehre von der Kirche zu sein,
die Vilmar als der universelle Organismus, der Organismus
schlechthin erscheint, ähnlich wie Möhler ihn beschreibt
. Die Kirche umfaßt diese Welt und die Himmelswelt
. Sie reicht mit ihrer auch irdischen Existenz
in die überirdischen Regionen hinein. Der auferstandene
Christus beherrscht als ihr Haupt auch die Welt dieser
Erde und die Welt des Himmels. Das Wesen der Kirche
aber ist Sichtbarkeit, ja — Vilmar scheut sich nicht,
das auszusprechen, — ihre Bestimmung ist, mit der
Gottesgegenwart „Heilsanstalt" zu sein. In der potestas
ecclesiastica hat die Kirche, wie sie als sichtbare Kirche
besteht, iura divina und ist nicht congregatio sanetorum.
Nicht die Synoden haben die Kirche zu regieren, wie
sie von jeher nur die Bestimmung gehabt haben, Lehrstreitigkeiten
zu entscheiden; sie sind das Produkt des
Strebens nach Massenregierung und Major itätenherr-
schaft. Vilmar hat vielmehr bei jeder Gelegenheit von
seinem bischöflichen Amt aus seine Geistlichen mit
hohem Bewußtsein ihres Amtes zu erfüllen gestrebt.
Im Kultus aber muß der Leiblichkeit ihr Recht widerfahren
; denn der ganze Mensch nach Leib, Seele und
Geist gehört Gott an, ist Gegenstand der göttlichen
Bannherzigkeit; Leib, Seele und Geist werden erlöst,
und auch der Leib wird seinen Anteil an dem Lobe und
Preise Gottes haben.

So wirkt das kleine Buch wie kraftvoll hingeschleuderte
Blöcke, deren jeder einzelne in das gehoffte Neuwerden
unserer Kirche hineinragt. Die Ausführungen
des Verfassers würden einen guten Dienst tun, wenn sie
viele Leser anregten, nun Vilmar selbst zu studieren.

Breslau O. Zänker

Hör vä tri, Dr. Alexander M.: Der thomistische Gottesbegriff. Freiburg
i. d. Schweiz: „DivusThomas" 1941. (180 S., 3 Taf.) gr. 8°. t;r. 4—.

Die vorliegende Schrift umfaßt eine Anzahl von Abhandlungen
, die alle den Gottesbegriff der thomistischen
Theologie als Erkenntnisgrund herausarbeiten wollen.
Dabei gliedern sie sich in zwei Teile. Der erste Teil
gibt eine Antwort auf die Frage, wie Thomas zu einem
allumfassenden theologischen Erkenntnisgrund kommt.
Er zeigt, wie sich der theologische Gottesbegriff in seinen
einzelnen Teilen aufbaut, welche Bedeutung er für
Philosophie und Theologie hat, wie sich die Transzendenz
und Überweltlichkeit Gottes im Einzelnen (etwa
für die Gestaltung der Gottesbeweise) auswirkt, und wie
die einzelnen Wesenszüge des Gottesbegriffs verlaufen.
In dem zweiten Teil wird dann nachgewiesen, wie Thomas
den Gottesbegriff bei der Bestimmung und Beurteilung
der einzelnen Fragen verwendet. So werden
hier die Gedanken aus der Summa über die Macht,
das zweckursächlich verlaufende Schöpfertum und die
Weisheit Gottes eingehend analysiert. Sehr glücklich
formuliert hier der Verf., daß die Summa des Aquinaten
„die objektiv-wissenschaftliche Verwirklichung des Apostelwortes
: Deus omnia in omnibus" sei. Zwei anhangsweise
beigefügte Abhandlungen über besondere
Seinsweisen des Gottesbegriffs und einige Tabellen, die
den inneren Aufbau der Summa veranschaulichen sollen,
bilden den Schluß des Ganzen.

Die ungemein scharfsinnigen Ausführungen des Verf.
werden dem besonderen Geist der thomistischen Theologie
durchaus gerecht. Die herangezogenen Abschnitte
aus der Summa sind sachgemäß interpretiert. Gerade
die Analyse des Gottesbegriffes als eigentlicher Gegenstand
der Untersuchungen gibt ein anschauliches Bild
davon, wie stark verstandesmäßig die Theologie des
Aquinateten, die auch heute noch die offizielle katholische
Theologie darstellt, ausgerichtet ist. Auch der
protestantische Theologe folgt den vorliegenden Ausführungen
mit Interesse. Aber er legt das Buch nicht

aus der Hand ohne Dank an den deutschen Reformator,
des Aquinaten unerbittlichen Gegner, der den Einzelnen
wieder unmittelbar vor den Gott Jesu Christi stellt,
welcher nach einer Formulierung Pascels nicht der Gott
der Philosophen ist.

Kiel Werner Schultz

Lötz, Johannes, S.J. u. Vries, Josef de, S. J.: Die Welt des
Menschen. Eine Vorschule zur Glaubenslehre. Regensburg: Friedrich
Pustet. 1940. (470 S ) 8°. RM 5.60; geb. RM 6.80.

Dieses gemeinsame Werk, aus echter Glaubensfreundschaft
hervorgegangen, ist ein wertvoller Ausweis
dafür, daß auch reine Philosophie nichts zu verlieren
braucht, wenn sie christlich sich bewußt bleibt. Die beiden
Verfasser bieten eine philosophische Deutung der
Weltstellung des Menschen als Vorschule zur Glaubenslehre
. Wir Protestanten fürchten bei dieser engen Verbindung
von Glauben und Philosophie für den philosophischen
Ernst; der alte Verdacht einer Herabwür-

i digung der Philosophie zur ancilla ekklesiae kommt aber
einem so ernsten Unternehmen gegenüber auch nicht
im leisesten auf. Wir überlassen gern dem Philosophen
die Beantwortung solcher Vorfragen; es gehört zu dem
protestantischen Glaubenstyp, weltoffen auch gegenüber
der immer neu gestellten Problematik des Weltbndes —
sich in Frage stellen zu lassen. Der Glaubende hat
ciann meist die Spannung selbst auszutragen, — bis zur
Gefährdung des eigenen Glaubensgehaltes. Katholisches

, Denken strebt hier zur Synthese: „Die Gesamtwirklichkeit
wird vom Menschen her aufgebaut, als ,Welt' im
weitesten Sinne oder als Lebensraum des Menschen.
Menschliches Dasein entfaltet sich zunächst in dem Raum
der sichtbaren Welt. Zugleich greift es aber darüber
hinaus in den Raum der unsichtbaren Gotteswelt, von
der alles ausgeht und zu der alles hinstrebt." Der
katholische Mensch weiß sich auch gegenüber der Welt

' nicht ausgeliefert, vielmehr geborgen, indem er sich
in seinen philosophischen Grundfragen verpflichtet fühlt,
dem Glaubenden zu dienen; dabei vollzieht sich eine
immer neue Assimilierung des Weltbildes. Diesen Dienst
erfüllt das wertvolle Buch, das man eine Laienphilosophie
— in bonam partem! — nennen könnte, wobei beide
Gewinn haben: der Glaube, der sich inmitten seiner
Weltstellung zurechtfinden lernt, — die Philosophie, die

i auch vom Glauben aus wieder ernst genommen wird! Es
ist eine im Ganzen pädagogische Tat, die auch den
philosophisch nicht Vorgebildeten zu einem Denken verhüllt
, aus der Problematik des neuen Weltbildes zu
eigener Glaubensentscheidung heranzureifen. Das gilt
besonders hinsichtlich der scharfen Begriffsdeutungen,
die auf selbständige Aneignung Wert legt, und der das
ganze Buch verfolgenden methodologischen Besinnungen,
die den einzelnen Kapiteln einen zwingenden Grund
geben. So wird auch der unphilosophische Kopf von
Stufe zu Stufe weitergeführt, er findet sich immer im
Ganzen zurück und wächst fortschreitend in ein höheres
Seinsverständnis hinein. Der Mensch begreift sich selbst
als Stufe innerhalb der Weltordnung, vom Anorganischen
zum Organischen und Geistigen hin, um sich als Mensch
seiner Würde bewußt zu werden, Krone der Schöpfung
zu sein: „Er lernt sein eigenes Dasein im Gesamtzusammenhang
des Universums schauen." Diese hohe Geisteshaltung
zeichnet das ganze Buch aus. Es wird auf dem
Boden der reinen Philosophie ein wirkliches Glaubensgespräch
erreicht, auch wenn es sich vorerst nur um
ein Vorverständnis der Glaubensfragen handelt, — auch
wenn es sich, muß man von der Philosophie her hinzufügen
, bei einer Vorschule des Denkens nicht um letzte
Seinsergründung handeln kann. So ist ein wirkliches
Kunstwerk entstanden, das die zu überwindenden Schwierigkeiten
als Problematik nicht mehr erkennen läßt,
auch darin eine völlige Einheit, wie beide Verfasser
sich einordneten. De Vries schrieb die Einleitung: Gottesweisheit
und Menschenweisheit, den Ersten Teil als
Erkenntnislehre: Vom Wesen und Wert der Wahrheit,