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Ausgabe:

1943

Spalte:

197-198

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hintze, Otto

Titel/Untertitel:

Staat und Verfassung 1943

Rezensent:

Lerche, Otto

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Seite 1

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197 Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 7/8 1<I8

verschiedenen Wörter des Briefes mit den übrigen Pau- „Acta Borussica, die Denkmäler der preußischen Staats-

lusbriefen verglichen hat, um den Brief dem Paulus ab- Verwaltung und die Behördenorganisation Preußens im

zusprechen, wird mit einigem Spott bedacht. Dabei ist IS. Jahrhundert". Darüber hinaus hat er eine Fülle

aber zu sagen, daß der Verf. selbst sehr oft registriert, tiefschürfender Aufsätze über alle Gebiete des preu-

wie viele Male ein Wort im Epheserbrief vorkommt und ßischcn und auch des europäischen Verfassungslebens

daß er eine ganze Anzahl der verschmähten Theologen und über wichtige Wirtschaftszweige veröffentlicht, na-

(die „oft wenig mit der Gabe der Prophetie anzufangen 1 mentlich in der „Historischen Zeitschrift", in den von

wußten" S. 263) zitiert und offenbar noch mehr fleißig , ihm 16 Bände hindurch redigierten „Forschungen zur

gelesen und benutzt hat. j Brandenburgischen und Preußischen Geschichte" (1898

Überhaupt darf man das Buch nicht nach dieser dem : bis 1912), in Schmollers „Jahrbüchern für Gesetzgebung,

Verf. notwendig erscheinenden Begleitmusik beurteilen. Verwaltung und Volkswirtschaft" und in vielen anderen

Es ist vielmehr ein sorgfältig ausgearbeiteter, viele ; Fachzeitschriften, die dem Historiker gemeinhin nicht

exegetische Fragen ernsthaft erwägender Kommentar, j immer zur Hand sind. Schon 1908 erschien eine Samm-

und die Leser, für die er bestimmt ist, werden ihn mit • lung seiner historischen und politischen Aufsätze, dar-

Oewinn benutzen Aber für welche Leser ist er be- j unter glanzende biographische und soziologische Essays,

stimmt? Offenbar für Leute ohne Kenntnis des Grie- - Em schweres Augenleiden zwang ihn 1918, sich immer

chischen und ohne eigentliche Fachbildung. Aber nutzt i mehr aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen; doch weist

es diesen Lesern, wenn ihnen so und so oft das grie- ; die diesem Bande beigegebene Bibliographie Arbeiten

chische Wort in Umschrift vorgefühlt wird? Wenn die j bis 1932 nach

Etymologie von <>i>y>i dargelegt wird? Wenn — trotz- j Hintzes Bedeutung auch für den Kirchenhistoriker
dem der Brief für einen Rundbrief gilt, also nicht un- ! hegt in der einzigartigen Durchdringung aller soziologi-
mittelbar nach Ephesus gerichtet sein soll — in der : sehen Erscheinungen, die das Verfassungsleben begrün-
Einleitung 21 Seiten der Stadt Ephesus und ihrer Ge- den. Mit besonderen kirchengeschichtlichen Fragen die-
meinde gewidmet werden? Ich habe in diesen wie in ; ser Richtung befaßt er sich in zwei großen Abhandlungen
anderen Fällen stark den Eindruck einer gewissen : in der „Historischeu Zeitschrift", nämlich „Die Epochen
Pseudogelehrsamkeit. , des, evangelischen Kirchenregiments in Preußen" (1906)
Und dabei sind die gelehrten Angaben doch nicht und „Kalvinismus und Staatsräson in Brandenburg zu
immer zuverlässig. S. 19 ist Diokletian genannt und Beginn des 17. Jahrhunderts" (1931). Beide Aufsätze,
Domitian cremeint- S 20 das Konzil von 431 mit der die heute noch einschneidende Bedeutung in der ülie-
„Räubersvnode" von 449 verwechselt. S. 132 wird be- : derung der Brandenburgischen Kirchengeschichte haben,
hauptet v»xo6s bedeute eigentlich den „Tod"; gemeint I sind in die vorliegende Sammlung leider nicht aufge-
ist wohl- den Toten". Das Wort üy<a> wird als rein nominell worden. Die Bezeichnung Band 1., die wir auf
biblisches Wort" erklärt (S. 147), und S. 376 wird die einer Werbedrucksache dieses Buches fanden, läßt uns
Wahl des Ausdrucks „seinem Weibe anhangen" auf den jedoch hotten, daß diese beiden Aufsätze mit einer wei-
Apostel zurückgeführt statt auf das Alte Testament j teren Auswahl aus den 118 oft an entlegener Stelle rre-
(wohl aber wird bemerkt: „das Zeitwort kommt im j druckten Arbeiten m einem nicht minder wertvollen zvei-
Griechischen von Kolla = Leim"!!!). Ich weiß auch | ten Bande vorgelegt werden möchten,
nicht, ob ganz kurze Andeutungen, die sich auf Spurgeon Die überaus sorgfältig dargebotene, mit einem Ge-
oder Bunvan beziehen, von den Lesern richtig aufge- : denkaulsatz des Herausgebers auf den Verfasser eingefaßt
werden können. Kurz: etwas weniger Gelehrsam- j leitete vorliegende Auswahl umfaßt 14 größere Arbeiten
keit und etwas mehr Herausarbeitung des Bezeichnenden aus den Jahren 1901 bis 1931 und vermittelt einen um-
- nicht des für die Schrift" oder Paulus, sondern für | fassenden Einblick in die Totalität des Forschers H.
diesen Brief Bezeichnenden - würde den Lesern viel- i Zwe, Aufsätze von diesen 14 waren bisher noch nicht
leicht besser zu einem Verständnis des Epheserbnefs gedruckt: Die Wurzeln der Kre.sverfassung in den Län-
helfen, der doch dem Ungeschulten (und auch dem Ge- ! dem des nordöstlichen Deutschland (S. 176-203) und
schulten) manefe Schwierigkeiten, schon in seiner Dik- ^€^^ÄK^^avemaltUM (S .206-231),
tion bietet letzterei em Akademievortrag vom Jahre 1924. Man

mochte annehmen, daß zumal in älterer Zeit hier und da
die Kirche oder doch kirchliche Organe als Träger
sicher aber als Mitträger der Selbstverwaltung aufge-

KIliCHENGESCHlCHTE: ALLGEMEINES ÄJÄ i^flltZ^ daS P»mitive Gemein-

--———————tt; schattsgetuhl des die spatere Kommunalverwaltunp- tra-

UND LANDESKIRCHENGESGHICH1E genden Nachbarverbandes hin und wieder von der Kirche

-" ' ~~~~ .. angeregt und entfacht sein. H. weiß jedoch davon nichts

H'ntze, Otto: Staat und Verfassung. Gesammelte Abhandi. z. zu berichten. Dagegen macht er darauf aufmerksam daß

all«:. VerfassuncsReschichte, hrsR. von Fritz Härtung. LeiPz,g^°e,_ 1 in älterer Zeit ein Kommiinalverband nur schwer da Mit

fcAmeianR 1.941). (468 s.) gr. 8°. t*** »■ stehen konnte, wo die Bevölkerung konfessionell «-

, Otto Hintze, dessen Gedenkschnft von 191o „wie spalten war. — Ob es richtig ist, unter den Karolinrnsrhen

Hohenzollern und ihr Werk, fünfhundert Jahre vaterlan- 0rafschaften atte landschaftliche Verbände airVerwal

discher Geschichte", 1916 schon in 9. Auflage vorl.e- tungsbezirke mit kommunalem Charakter zr. sehen schdnt

gend, die nationale Geschichtsschreibung und die vater- immerhin fra lich Dje Karolingischen Grafschaften die

landische Bewegung in ernster Zeit mächtig anfachte, allcll a|] Bischöfe, Äbte und Pröpste ausSn werten

'st zusammen mit Gustav Schmoller recht eigentlich der konnlcil) waren Ausfiuß königlicher Macht die freilich

Vertreter der gelehrten preußischen Verfassungs- und an den Boden gebunden war* die aber aimerha]b 1 ™

Verwaltungshistorie. Er hat wie in seinen Schriften landschaftlichen Verbandes wuchs,

so auch in seinen Vorlesungen alle Gebiete des preu- Bcrlill ■ .
tischen Staatslebens in geistvoller Vergleichung mit dem

Staats- und Verfassungsleben anderer Lander und Vol- Simon, Matthias: Evangelische Kirchengeschichte Baverns

«er tief durchdrungen. Zu seinen Füßen namentlich in 2 Bde. München: Paul Müller 1942. (783 s., 72 Taf 1 Kte) er 8°'

den öffentlichen Vorlesungen während des letzten Jahr- 'geb. RM 16 60'

zehnts vor dem Weltkriege fanden sich zusammen außer Die Geschichte der ev. Kirche in Bayern d d Rh'

Hunderten von Studenten Kriegsakademiker, General- — denn darum handelt es sich bei dem vorliegenden

Stabsoffiziere und junge Diplomaten in stets wachsender Buche — hat zuerst 1863 der bayr. Dorfpfarrer Einil

Zahl. Seit 1913 Mitglied der preußischen Akademie Frdr. Heinr. Medicus geschrieben. Dieser Arbeit ging

<ler Wissenschaften hat er in dieser Korporation in erster es wie so manchem trefflichen Werke. Zuerst wenig

Linie ein gewichtiges Werk gefördert und betreut, die beachtet wurde sie erst allmählich in ihrem Werte immer

bietet

Heidelberg Martin D i b e 1 i u s