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Ausgabe:

1943

Spalte:

187-190

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Herter, Hans

Titel/Untertitel:

Die Einwanderung der Griechen 1943

Rezensent:

Lesky, Albin

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Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 7/8

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der Glaube sein Werk an uns tue, desto geringer werde
die Neigung sein, etwas, weil ohne „freie" Zustimmung

feschenen, von unserem Schuldbewußtsein auszunehmen,
ohuld sei nicht etwas zur Sünde Hinzutretendes, sondern
stelle ein Moment jeder Sünde dar. — Während
man früher gern lehrte, daß wir vom Heilswerk auf den
Heilsmittler zu schließen hätten, urteilt Stephan sachlich
richtiger, daß für unser Verständnis Person und
Werk Jesu aufs engste ineinandergreifen
(S. 172). — Indem in dieser Glaubenslehre das Sehfeld
des Glaubens sich konzentrisch erweitert, wird es Stephan
möglich, manche Fragen mehrfach, sozusagen von immer
neuen Seiten aus zu erörtern (z. B. Gottesbeweise, Begriff
des Wunders).

Es wäre eine Aufgabe für sich, den dritten Teil, der
das christliche Weltverständnis ausbreitet, genauer zu
durchleuchten. Er ist ein Glanzstück dieser Glaubens- j
lehre, auch umsichtig in der neuen Auflage gefördert
und erweitert. Die einzelnen Themen darf ich als bekannt
voraussetzen. Beachtenswert ist alsbald die Gegenüberstellung
der zwei Typen der Religion,
die Stephan prophetische Religion und natürliche Hochreligion
(sei es philosophische Bildungsreligion, sei es
eigentliche Mystik) nennt. Von den höheren Religionen
wandert der Blick zu den niederen und niedersten Formen
, — im theologischen Rahmen wohl eine naheliegende
Folge. Fremdreligion und Christentum
nach dem Schema Suchen-Besitz aufeinander zu beziehen,
wäre zu einfach, das führt nicht in die Schwere der Problematik
hinein (S. 264). Einen großen Fortschritt, für
den ich auch schon eingetreten bin, sehe ich in der
Abstufung von vorläufigem Allgemein-
und eigentlichem Wesens- oder Nor m begriff
(S. 282, 317ff.); dort handelt es sich um echte
Religion gegenüber unechter, hier um die wahre
Substanz der Religion, was nicht mit der Frage der
Wahrheitsgewißheit dieser Höchstform vermengt werden
darf (die Unterscheidung von echt und wahr von Katten-
busch in dem Aufsatz „Gott erleben und an Gott glauben
" Z. Th. u. K. 1923/4 eingeführt). Wenn nun Stephan
also den Begriff des Wesens der Religion im genannten
strengen Sinne des Wortes kennt, warum begnügt er
sich dann mit dem Titel „W e 11 r e 1 i g i o n" statt des
Titels Wesensreligion für das Christentum? „Weltreligion
" entspricht wohl mehr einer früheren Phase seines
Denkens. Noch möchte ich die heute in der Tat notwendige
Ablehnung jedes Synkretismus, jeder
Synthese des christlichen Glaubens mit irgendwelchen
Bestandteilen der natürlichen Religion (S. 287) buchen
und daran erinnern, daß mit dieser dem christlichen Glauben
im Bereich der fernen Hochreligionen besonders dro-
henden Gefahr sich unser bester Kenner Indiens, H. W.
Schomerus, nachdrücklich auseinandergesetzt hat. Endlich
sei erwähnt, daß der Verfasser das Reich Gottes
nicht bloß auf die Kirche, sondern auf das ganze Weltgeschehen
bezogen sieht (S. 342). Weit reicht der Blick i
des Glaubens, wenn man ihn recht versteht.

Ueber Rasse und Religion fehlt ein eigener ;
kleiner Abschnitt, nur eine dahingehende Bemerkung j

habe ich S. 130 A. 2 b gefunden. Das ist natürlich zu
beklagen, aber andererseits verständlich. Auch A. Titius
hat in seiner Religionsphilosophie nur einige tastende
Ausführungen hinterlassen. Wer auf diese Frage geachtet
hat, der weiß, welche Schwierigkeiten sich hier erheben
. Schnellfertige Ergebnisse hinstellen wie Hauer,
dessen Vorurteile sich uns jedenfalls nicht verbergen,
können wir nicht. Chr. M. Schröders statistisches Verfahren
dringt nicht ins Innere und bleibt notgedrungen
unergiebig. K. Leese (1934) bietet gute Ansätze.

Zuletzt muB ich mich noch den gebotenen Literaturnachweisen
einen Augenblick zuwenden. Verf. sagt im Vorwort, daß
er keine Vollständigkeit angestrebt habe. Gewiß nicht, und doch
hat die Sache einige Haken. Z. B. hatten auf der Liste dogmatischer
Grundlegungen seit dem Weltkrieg (S. 30) wenigstens folgende zwei
Werke nicht fehlen dürfen: E. Pfenni.gsdorf, Das Problem des theologischen
Denkens, 1Q25; G. Wünsch, Wirklichkeitschristentum, 1932.
Auch Würtschs große ethische Untersuchungen mit ihren einleitenden
allgemein theologischen Erwägungen wären vielleicht in Betracht gekommen
. Mein Buch „Geschichte und Glaube" hat ebenfalls eine
„Besinnung auf die Grundsätze theologischen Denkens" bieten wollen.
— Oft erwecken die Literaturaugaben zu einem bestimmten Abschnitt
den Anschein, als brächten sie alles Wichtige. Manches Problematische
ist allerdings darunter genannt, aber hie und da fehlt ganz
Wertvolles, ich nenne nur: G. Heinzelmann, Zum Stand der Frage
nach dem religiösen Apriori, Theol. Stud. u. Krit. 1931 (zu S. 320);
Rud. Hermann, Beobachtungen zu Luthers Rechtfertigungslchrc, Rein-
hold Seeberg-Festschrift 1929 (zu S. 243); ich füge noch hinzu
G. Wünsch, Das völkische Verständnis der Wellreligionen und die
Absolutheit des Christentums, Rudolf Otto-Ehrung 1940 (zu S. 283).
Um der Sache willen kann ich endlich nicht ganz, daran vorbeigehen,
daß von meinen Beiträgen in der Z. f. Syst. Theol., die ihrerseits
manches Thema des Buches verfolgen, keiner berücksichtigt ist. In
der Abhandlung „Die Welt der Religion in der Sicht des Neuen
Testaments" mache ich z. B. auf die Bedeutung der nror/eT« toü
XÖOUOU für das paulinische Verständnis der Fremdrcligion aufmerksam,
sojaß also auch von hieraus die Beziehung auf Schuld und Zorn
Gottes nicht das einzige Wort des Apostels darstellt, — daraus
könnten fruchtbare Fingerzeige für die theologische Religionslehre
erwachsen. Die Stellung d-e.-. Glaubens zum Sittlichen erörtert Stephan
vom kärntischen Begriff des Sittlichen her, das sich zunächst keineswegs
auf ein Empfangen gründet (S. 306 ff.). In der Abhandlung
„Religion und Moral" gehe ich vielmehr von der Tatsache aus, daß
jedes sittliche Leben aus Empfangen erwächst und auf Empfangen
angewiesen ist. . . Aehnlich sieht Stephan den Gegensatz des Glaubens
und des kantisch verstandenen Logischen, das von der Selbsttätigkeit
der Vernunft lebt (S. 299 ff.). Bald kommt ihm zwar der
Begriff kontingent in die Feder, aber er empfindet nicht den Sprengstoff
, der damit in die Selbstgewißheit der Vernunft eingesenkt
wird. In meiner ausgedehnten Studie „Wissenschaft und Glaube" zeige
ich, daß das Problem des glücklichen Zufalls sich vor Kant selbst
in der Kritik der Urteilskraft erhebt, daß damit in seine Erkenntnistheorie
ein unheilbarer Riß eindringt, daß wir das Wesen der Wissellschaft
also nicht mehr einfach auf die Grundlage der Kritik der
reinen Vernunft bauen dürfen. In diesen Problemgcbicten hätten
sich also, wie ich meine, die Stollen noch tiefer hinabtreiben lassen.

Die Glaubenslehre Stephans steht vor dem Leser als
ein bedeutsamer Exponent der heutigen
Theologie. Mit großer pädagogischer Kunst geschrieben
, vermag sie gewiß auch weithin nichttheologischen
Kreisen einen Eindruck von der inneren
Hoheit wie Freiheit und Weite des evangelischen
Glaubens zu vermitteln.

REUGIONSlVlSSENSCHAhT

Herter, Prof. Dr. Hans: Die Einwanderung der Griechen
(S. 1—18); II: Die Götter der Griechen (S. 19—39). Bonn:
Gebr. Scheur 1941. gr. 8° — Kriegsvorträge d. Rhein. Friedrich-Wil-
helms-Uuiv. Bonn a. Rh., H. 57. Vortragsreihe: Griechenland. RM —50.
Ders.: Volk und Heimat als nordisches Erlebnis. Bonn: Gebr.
Scheur 1941. (17 S.) gr. 8°. RM —40.

Die Bonner Universität hat sich mit der Publikation
ihrer Kriegsvorträge, die bereits eine kleine Bibliothek
bilden, ein Instrument der Wirkung in die Weite
geschaffen, zu dem man sie beglückwünschen darf. Hier
ist lebendige Wissenschaft in einer Form dargeboten,
die auch dem außerhalb des Faches Stehenden den

I Zugang gestattet. Andererseits findet der Fachmann
eine Fülle von Anregungen und wird im Nach- und
Weiterarbeiten durch ausgiebige Noten unterstützt.

Wir danken es H., daß er innerhalb der Griechenlandreihe
zwei Fragengruppen behandelt hat, denen sein
! reiches Wissen zusammen mit seiner gesunden, unbeirrbaren
Kritik sehr zugute kommt.

In dem ersten der beiden in einem Hefte vereinigten Vorträge
wird zunächst das geschichtliche Bild der griechischen Einwanderung
; gezeichnet, wie es uns Sprache, Bodenfunde und die späteren Sied-
I lungsverhältnisse erkennen lassen. H. folgt mit Recht der verbrei-
I teten Auffassung, nach der die Ionier als die älteste Welle anzu-
< setzen sind. Wir wollen, wenn wir Ionier sagen, nicht vergessen,
daß das loniertum mit allen seinen geschichtlichen Zügen, wie wir