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Ausgabe:

1942

Spalte:

174-175

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Jahrbuch für Liturgiewissenschaft; 15. Bd. 1942

Rezensent:

Schian, Martin

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173

Theologische Literattirzeitung 1942 Nr. 5/6

174

die aktuellen Fragen wie Sterilisation, Euthanasie sowie
im Rahmen dieser Erörterungen alle einschlägigen Unterfragen
; sie geht auch auf die in dies Gebiet schlagenden
Eheprobleme ein und sucht nicht nur durch Ausführungen
über das Wesen christlicher Ehe und die
christliche Familie, sondern vor allem durch einen 33 S.
langen Abschnitt „Weltanschauliche Voraussetzungen"
die Stellungnahme grundsätzlich zu unterbauen. Dabei
zeigen sich nun freilich die großen Schwierigkeiten des
Vorhabens. Wohl werden Themata behandelt wie „Der
Wert der Persönlichkeit", „Volkstum als Höchstwert",
Theologie und Volkstum, Erbanlagen und Sünde, und
es wird sogar mehr geboten, als die Einzeltitel erkennen
lassen; denn das gesamte Verhältnis von Erbpflege und
Christentum kommt zur Besprechung (14 ff.). Aber es
fehlt doch die systematische Ordnung und auch die tief
eindringende Grundsätzlichkeit.

Str. bestimmt /. B. kurz entschlossen, dal! „drei Tatsachen in
der christlichen Kirche mit der Erbpflege in Widerspruch stellen: ein
gewisser, aus sozialen Bedingungen der alten Kirche herausgewachsener
Dualismus, Teile der paulinisehen Rechtfertigungslehre sowie Teile
der jüdischen Urgeschichte". Alle diese Dinge „gehören aber nicht
zum Wesen des Christentums, sie entstellen es vielmehr".

Allein diese Sätze zeigen, wieviel zur ernsten Klarung hier noch
zu tun bleibt. Anderseits «miß hervorgehoben werden, daß Str. stärker
, als die mitgeteilten Formulierungen erkennen lassen, bei aller
„positiven" Stellung zur Erbpflege den vom Christentum herkommenden
Bedenken Rechnung zu tragen versucht. Das wird z. B. deutlich,
wo die Frage der Tötung von Mißgeburten erörtert wird (111 ff.):
„jede Anwendung unmittelbaren und mittelbaren Zwanges hat zu unterbleiben
; für Kinder, welche die Eltern nicht töten lassen wollen,
die sie aber nicht erhalten können, hat auch in Zukunft die öffentliche
Fürsorge einzutreten". Das über die Euthanasie Gesagte (bes. 117 f.)
sucht Auseinandersetzung mit Jesus, bes. der Bergpredigt, freilich auch
hier ohne befriedigende Klarheit prinzipieller Art.

Str.s Versuch wird hoffentlich zu weiterer sehr genauer
Prüfung und Erörterung anregen. Es ist nicht zu
verwundern, daß auf diesem Gebiet rasch, oft allzu rasch
gefällte Urteile und Vorurteile überwunden werden müssen
, wenn volle Klärung erreicht werden soll.

Sibvllenort M. Sehl« n

Rüssel, Herbert Werner: Gestalt eines christlichen Humanismus.

Amsterdam: Pantheon Akademische Verlagsgesellschaft 1940. (194
S.) 8°. RM (>.40.

Ders.: Das Lob der rechten Einsamkeit. Amsterdam: Ebd.
(98 S.) 8°. RM 4—,

Vorliegende zwei Arbeiten sind, wie es scheint, Teile
einer Sammlung von, mehr essayistischen als fachwissen-
schaften, Arbeiten an der vergangenen Geistesgeschichte
des Abendlands, die aber hiemit auch die Gegenwart
fördern wollen. Beide sind ohne jedes Vorwort, aber in
gutem Deutsch geschrieben, ruhen auf Belesenheit und
zeugen von einer im besten Sinn konservativen Einstellung
.

1. Das Ziel der ersten Arbeit ist, Christentum und
Humanismus, die besonders seit der großen abendländischen
Kirchenspaltung einander fremd geworden sind,
wieder zusammenzuführen. Der Beweis dafür, daß Christentum
und Humanismus vereinbare Größen sind, wird
durch einen Rückblick auf die geschichtliche Tatsächlichkeit
ihrer Vereinigung erbracht. Hiebei liest man erfreuliche
Urteile, wie dieses: Das Christentum hat, wie jede
Religion, auch einen Bildungsauftrag; eine säkularisierte
Bildung ist unvollständig; das Band zwischen Religion
und Bildung muß wieder enger geknüpft werden. — Ein
Mangel der Arbeit ist das Fehlen einer sofort erkennbaren
Definition dessen, was der Verf. unter christlichem
Humanismus versteht. —

An Druckfehlern seien genannt: Terrenz (S. 19,2); Francaise
(S. 67, 17); Dittenberger (statt Dillersberger, S. 87,5); S. 185, Z. 5 ff.
ist der Satz nicht in Ordnung. Die Fehler S. 20, 14 v.u.; 28,8;
46,11; 70,12; 147, 11 v.u.; 161,3v.u. verbessert der Leser leicht
selber.

2. Den christlichen Humanisten kennzeichnet, wie
Verf. in der ersten Arbeit sagt, u. a. die Liebe zur Einsamkeit
(vgl. Petrarkas Werk „Über das einsame Leben
"). So behandelt denn H. W. Rüssel, der auch in der
Herder'schen Sammlung „Zeugen des Worts" das Leben
eines großen christlichen Humanisten, des Meisters Gerhard
Groot, herausgegeben hat, das Erlebnis, die Geschichte
, die Pathologie, die Metaphysik, die Stufenordnung
der Einsamkeit und endigt mit der Sinndeutung
und dem Lob der rechten Einsamkeit. Bild und Deutung
derselben sind gut getroffen, das Lob ist am Platze.
Karl Voßlers geistvolles Buch „Poesie der Einsamkeit
in Spanien" (München 1940) konnte der Verf. wohl
nicht mehr benützen; es hätte seine Arbeit zwar bereichert
, aber die Hauptsache nicht verändert.

Druckfehler sind es wenige und leicht zu verbessernde: S. 6,2

(lies „übersensiblen"); 26,1 (lies „abträglich"); 5S, 4 v. u. (fehlt ein
Komma); 62, 10 V.u.; 63, 9 v. u.

Tettnang (Württemberg) Wilhelm K o c Ii

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Jahrbuch für Liturgiewissenschaft in Verbinde, m. Prof. Dr. Anton
L. Mayer u. Dr. Odilo Heining OSB hrsg. v. D. Dr. Odo Ca sei
OSB. Ib. Bd. m. Literaturberiehl 1935. Münster i. W.: Aschendorff
1941. (III, 566 S.) gr. 8° Veröffentlichgn. d. Vereins z. Pflege
d. Liturgiewiss.

Das Jahrbuch konnte erstaunlicher- und erfreulicherweise
in etwa demselben Umfang und gleicher Aus-

j stattung wie bisher erscheinen. Auch die inhaltliche Gestaltung
zeigt die bewährte Art. Der Erforschung liturgischer
Quellen dient ein 22 S. langer Aufsatz von K.
K n i e w a 1 d, der das älteste ungarische Sakramentar,
besonders das sog. Sanctorale desselben, sorgfältig beschreibt
und beleuchtet; es gehört dem Dom in Zagreb.
Zur allgemeinen Liturgiegeschichte gehören 2 Studien
von weitreichendem Interesse. Peter Browe widmet 44
S. der Erörterung mittelalterlicher Kommunionriten; dabei
handelt es sich, um nur Beispiele zu nennen, um die

I Anwendung der Landessprache bei manchen Stücken,

j die äußere Verehrung des Sakraments beim Empfang,
Gesanp bei der Austeilung, den Ort des Empfangs, man-

I che zu abergläubischen Vorstellungen Anlaß gebenden

I Riten. Anton Mayer setzt die Untersuchungen über die
Liturgie in ihrem Verhältnis zu den verschiedenen Zeitaltern
mit einer sehr eindringenden, ungemein fesselnden
Studie über Liturgie und Barock fort (88 S.). Dabei ist
der Begriff der L. ganz weit gefaßt; die „barocke Andacht
", wird nach Gesinnung, Formen, Inhalten geschildert
; ein ganzer Abschnitt ist der religiösen Dichtung
des Barock gewidmet, wobei auch die evang. Dichtung
vielfach Berücksichtigung findet. Den religiös-philosophischen
Fragen geht ein Aufsatz von 152 S. von Odo
Ca sei nach: Glaube, Gnosis und Mysterium; er bietet
4 Einzelstücke: Das Kultmysterium in der Gnosis; Ganzheitliches
Denken und Kult (mit Anschluß an des Holländers
van der Leeuvv Buch De primitive Mensch en de
Religie, 1937; Theologische Philologie: Zum Wort

i Mysterium. Der Literaturbericht mit 254 S. und 699 Besprechungen
, die wieder in sachlich gegliederte Gruppen

[ geordnet sind, faßt gleichfalls das Liturgische sehr weit;
er nimmt z. B. das Gebiet der Volkskunde auf; ein Buch
wie G. Koch, Die bäuerliche Seele, findet ausführliche
Würdigung. Schriften von nicht-katholischen Verfassern

| sind in nicht geringer Zahl besprochen; zur ausführlichen
Anzeige einer Studie über die Epiklese von einem rumä-

I nischen Bischof erhält ein orthodoxer Priestermönch
3 Druckseiten Raum. Ein Autorenverzeichnis zum Literaturbericht
macht dieses leicht zugänglich. Der letzte
Abschnitt des Berichts umfaßt die Zeit vom Beginn der
Aufklärungszeit bis vor die Gegenwart; diese selbst
ist also nicht einbegriffen, aber der Inhalt reicht doch
in diese hinein. Besprochen ist in der Hauptsache die
Literatur 1935, dazu einige Nachträge aus früheren Jah-

I ren. Die Haltung der Besprechungen ist sehr objektiv,
auch gegenüber protestantischen Schriften; die Anzeige

; des Stählinschen Jahrbuchs „Das Gottesjahr" läßt sogar

I Sympathie erkennen (S. 317). Das ganze Werk verdient