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Ausgabe:

1942

Spalte:

172-173

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Stroothenke, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Erbpflege und Christentum 1942

Rezensent:

Schian, Martin

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171 Theolpgische Literaturzeitung 1942 Nr. 5/6 172

Geiger und Gügler, 6 von Drey. Sicher verdient dieser bei Drey im Zusammenhang der Dogmengeschichte mit

Mitbegründer der Tübinger katholisch - theologischen der Dogmatik, bei Möhler in einem so rationalen Satze

Schule, dem auch in RQü kein eigner Artikel gilt, viel wie: „Der Widerspruch ist der Tod des Lebens" (wer

bekannter zu werden. Und was von ihm dargeboten wird, würde das heute zu sagen wagen?). Die Erläuterungen,

z. T. aus seinen ungedruckten wissenschaftlichen Tage- die der Herausgeber bietet, scheinen mir zweckmäßig,

büchern, hat Wert und Reiz. Immerhin, daß er mehr Bei den Möhlerschen Stücken (z. T. aus Vorlesungs-Nach-

als zwei' Drittel des Buches füllt, ist unverhältnismäßig. I schritten wiedergegeben) finden sich Wiederholungen

Seine (bisher ungedruckte) Geschichte des katholischen (404 oben und 410 vor der Mitte, 409 vor der Mitte

Dogmensystems, deren erster Teil (alte Kirche) mitge- und 415 letzter Abs.).

teilt wird, ist durch die Benutzung von Münschers Hand- | Niederbobritzsch h. Mulcrt
buch nicht in ihrer katholischen Grundhaltung beeinträchtigt
, und einige Leitgedanken würde man gern mit Litt, Theodor: Die Selbsterkenntnis des Menschen. Leipzig:
Kliefoths (späterer) Einleitung in die Dogmengeschichte : F. Meiner 1938. (120 S.) kl. 8». KM 3.50.
vergleichen. Aber dieses ganze Stück ist doch nur für | [}je Schrift ist ein starkes Mitdenken erzwingender
Theologen. Wären die 100 Seiten, die es beansprucht, i Beitrag zum Problem des geistigen Seins, gründend in
durch Schriften Anderer ersetzt worden, so wäre das Litts größeren Werken, vor allem in seiner Einleitung
Buch reicher geworden. Danach kommen noch 3 kurze, i in die Philosophie, und über sich hinausweisend auf die

interessante Stücke von Möhler und eins von Berlage.
Wenn die Einwirkung von Idealismus und Romantik
deutlich werden soll (die Aufklärung wird nicht mit ge

ihr folgende Schrift Der deutsche Geist und das Christentum
. Die Erkenntnis der dinghaften Welt ist nach
Methode und Gegenstand scharf von der Erkenntnis der

nannt, aber man kann die Wirkungen des Idealismus geistigen Welt zu unterscheiden. Jene steigt methodisch
nicht darstellen, ohne daß zugleich solche der Aufklarung , induktiv von den niederen zu den höheren Schichten auf,
hervortreten), so fragt man: warum fehlen Hermes der j diese hat in der grundlegenden Erkenntnis des Selbst
am bewußtesten idealistische Philosophie in katholische ganzheitlich die größeren überpersönlichen Bezirke (die
Theologie einführte, und Wessenberg .'Offenbar weil , Gemeinschaften, das Allgemein-Menschliche) bereits mit-
beide schließlich von der katholischen Kirche abgelehnt s gegeben, was an der Sprache, dieser Durchbrechung der
worden sind. Aber warum bheb üorres weg.' Daß er ■ Einzelexistenz, besonders deutlich wird. In ihr sind indi-
nicht von Beruf Theolog war, kann der Grund nicht.sein; ! viduellste persönliche Prägung mit dem Allgemein -
denn Stücke aus Baaders Werken aufzunehmen hat Gei- : Menschlichen verschränkt. Die Erkenntnis des dinghaften
seimann ursprunglich geplant. ( Seins hat einen festen unwandelbaren Gegenstand, der
Des Lehrreichen bleibt noch genug. So Sailers Zitat ; dem Erkennenden gegenüber, also draußen ist, die Er-
aus Fenelon: Nous n'avons proprement que deux articles kenntnis des geistigen Seins hat als Selbsterkenntnis
de foi: l'amour d'un Dieu invisible, et l'obeissance ä , einen Gegenstand, der vom Erkennenden selber abhängig
l'eglise. Diese letztere Pflicht wird immer wieder streng ist, mit ihm in einer dialektischen Einheit von Subjekt
gefaßt, so von Gügler (S. 57): „Es ist zufällig, ob der , llnd Objekt verschränkt ist. „Selbstbesinnung ist Selbst-
Katholik etwas von seinem Glauben bis in die letzten gestaltung." In stufenweisem Vordringen der Unter-
Gründe einsehe oder nicht. Wenn er es auch einsieht, suchung, die vom Selbst zum uberpersönlichen und zum
anerkennt er es doch nicht aus seiner Einsicht... Ja, | Allgemein-Menschlichen führt, wird diese Eigenart des
wäre seine Einsicht noch so helle, und sie liefe den Aus- i geistigen Seins sowohl bei der Selbsterkenntnis die
Sprüchen der heiligen Kirche zuwider, er wurde seine bis zu den Motiven der menschlichen Taten vordringen
vermeintliche Erkenntnis fahren lassen und glaubig und , muß( an den geschehenen Taten aber bis zu gewissem
froh das göttliche Wort aus dem Munde der gemein- Qrade die Grenzen der Selbstgestaltung findet - wie bei
Samen Mutter umfangen" (man sieht, wie wenig der der Gemeinschaft wie beim Allgemein-Menschlichen beIdealismus
, wie wenig Lessing und Kant hier gewirkt leuchtet und bewährt. Wie die Erkenntnis der dinglichen
haben). Charakteristisch ist, wie sehr alle Beteiligten die welt als Wissen ersten Grades mit einem Wissen /wei-
Tradition über die Bibel stellen, Tradition und Geist zu- j ten Grades, das das Wissen ersten Grades als Denken
sammenstellen, während der Bibelbuchstabe tote. Von so des Denkens überhöht, überbaut ist, so ist auch die
kritischem Urteil über die Bibel wie dem Dreys (S. 92) j Selbsterkenntnis als Wissen ersten Grades mit einem
her hätte der Weg zu mehr Bibelkritik gehen können, wissen zweiten Grades als Denken des Denkens über-
als schließlich Pius X. zuließ. höht, von jenem ersten dadurch unterschieden, daß es
Bisweilen führt die dialektische Schulung zu gewag- nicht wie jenes hinsichtlich der Gegenstandserkenntnis
ter Apologetik, u. a. wenn Drey (S. 96) einem verinner- beschränkt bleibt, sondern daß hier der Mensch sein
lichten Katholizismus, den Pascal und Fenelon vertraten, Letztes und Höchstes erreicht, das absolute Wissen der
die jesutisch-scholastische Theologie als der protestanti- Individualität, „daß sie besteht und warum sie besteht",
sehen ähnlich gegenüberstellt (er meint als intellektuali- „Wer dies Wissen in Zweifel zieht, der ist nicht von dein
stisch), oder wenn er als die beiden Grundformen des Vorwort freizusprechen, daß er ein Schutz- und Heilmit-
Christentums nicht Katholizismus und Protestantismus fei, dessen die Zeit bedarf, geflissentlich um seine Wiransieht
, sondern Katholizismus und Mystik (diese ist da kung bringt."

ungefähr das, was man heute Spiritualismus nennt). Lan? (Westprignit?) Kurt K e g $eI er
Anderwärts (201) sagt er, wer nicht katholisch denke,

setze entweder alles Geschichtliche in Ideen um (Gnosis) Stroothenke, Wolfgang: Erbpflege und Christentum. Fragen
oder verfalle historischer Kritik und räsonnierendem Ver- der Sterilisation, Aufnordting, Euthanasie, Ehe. Mit einem Oclcit-
stand. Gut ist z.B. der Hinweis darauf, daß die Bibel wort yon Pror- Fritz Lenz. Leipzig: Leopold Klotz 1940.
über die „Lehrvorträge" der Apostel viel weniger be- (155 S.) 8°. k>m xso.
richte als über die Jesu, beachtlich sein Eingeständnis, Die Theologie hat die mit der Rassenerhaltung zu-
„daß das ganze System unserer Dogmen so, wie es sich sammenhängenden Fragen bisher zwar nicht ignoriert
nach und nach in der Kirche entwickelt hat, nicht in den (z. B. R. Seeberg, A. D. Müller), aber doch nicht so geEvangelien
steht, weder wörtlich noch in dem Zusam- nau angefaßt, wie sich das als unbedingt notwendig her-
menhang von Christus vorgetragen worden ist" (260). ausstellt. Allerhand Einzelprobleme wurden besprochen;
An Kenntnis außerkatholischer geistiger Bewegungen das Grundsätzliche trat zurück oder blieb ganz im Allgefehlt
es nicht; Gügler zitiert zustimmend Claudius, Stef- meinen. So wird man, wie das der Professor der Rassenfens
, Schleiermacher, und die für letzteren so wichtigen hygiene Lenz tat (Vorwort), die Arbeit Str.s als den
Begriffe des Gesamtlebens und Jesu als Schöpfers neuen „mutigen und ernsten Versuch eines jungen Theologen,
Lebens begegnen bei Möhler wieder. Aber der stärkere sich mit den Fragen der Rassenerhaltung positiv ausein-
Eindruck ist, daß die katholische Art festgehalten wird, ; anderzusetzen" begrüßen; denn sie bespricht nicht nur