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Ausgabe:

1942

Spalte:

166-168

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Kemp, Friedhelm

Titel/Untertitel:

Baudelaire und das Christentum 1942

Rezensent:

Faber, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 5/6

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gestaltenden Persönlichkeiten. Man braucht das, was H.
z.B. zu Innozenz III. ausführt, nicht sofort mit der hinreißend
dramatischen, den Politiker Innozenz kraftvoll
verlebendigenden Schilderung im 2. Bd. von Hallers
Papsttum zu vergleichen, sondern nur mit den entsprechenden
Partien in dem viel knapperen Lehrbuch Bihl-
meyers, um zu sehen, wie viel trotz allem Stoffreichtum
und aller Sorge um verläßliche Unterrichtung bei H.
fehlt. Für die Schilderung des innerkirchlichen Lebens
lehrt das ein Vergleich mit H. Grundmanns aufschlußreicher
Untersuchung über „Religiöse Bewegungen im
Mittelalter" (1935).

Die Formulierungen sind häufig zu allgemein. So
heißt es z. B. in den weithin übereinstimmenden Abschnitten
über die Beginen bei H. (175): „Da ihre Gesinnung
nicht immer völlig einwandfrei war, hatte die Inquisition
oft Gelegenheit, sich mit ihnen zu befassen..";
präziser bei Bihlmeyer: „Indessen ließen sich nicht wenige
Beginen von den pantheistisch-quietistischen Ideen
der Brüder des freien Geistes (§ 131, 2 d) anstecken und
verfielen der Verfolgung durch die Inquisition..."

Wieweit die Mitteilung von Einzelheiten in einem
Lehrbuch notwendig und zulässig ist, wird schwer allgemein
beurteilt werden können. Es scheint mir daher unangebracht
zu sein, hier vermißte Einzelheiten zu notieren
(ein sehr reiches Verzeichnis bietet Schäfer in seiner
fast nur darin bestehenden Anzeige des Buchs in der
Theol. Revue, 1941). Aber trotz der angedeuteten Mängel
wird man H. gegenüber anzuerkennen haben, daß er
durchaus bemüht ist, den Stand der von ihm selbst da
und dort geförderten Forschung sorgsam zu buchen,
allerdings immer beeinflußt durch seine Grundthese und
vielfach ohne das Vorhandensein noch strittiger Fragen
oder die Offenheit bestimmter Probleme hinreichend
deutlich werden zu lassen. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis
(471—531), das freilich zu Gunsten von
Überholtem manches Wichtige nicht nennt, ist beigegeben
. So kann das Ganze seinen Zweck als Lehrbuch gewiß
gut erfüllen, trotz dem angedeuteten Abstand von
einer Darstellung, die wahrhaft Geschichte schreibt.

Halle a.S. E.Wolf

KIRCHENGESCHICHTE: NEUERE ZEIT

Bobe, Louis: Charlotte Amalie, Königin zu Dänemark, Prinzessin
zu Hessen-Cassel u. d. Anfänge d. dt. u. franz. reformierten
Kirche zu Kopenhagen. Kopenhagen: Munksgaard 1940. (VII,
180 S., 7 Taf.) 4°. Kr. 7.50.

Die reformierten Geineinden tragen in weiten Gebieten
(z. B. im deutschen Osten) einen diasporaähnlichen
Charakter. Sie sind in diesem Falle durchweg entweder
als Hofgemeinden reformierter Fürstenhäuser (wie z. B.
Brandenburg und Hessen-Kassel) oder als Fremdengemeinden
, insbesondere als Hugenottengemeinden entstanden
(so die weitaus meisten derartigen Gemeinden im
preußischen Osten). Nicht selten haben auch beide Ent-
stehungsursachen zusammengewirkt. Eben dieser Fall !
liegt auch bei den beiden reformierten Gemeinden in
Kopenhagen vor: die deutsche ist daraus entstanden, daß
der aus dem reformierten Kasseler Hause stammenden
Kronprinzessin und späteren Königin Charlotte Amalie |
seit ihrer Verheiratung für sich und ihren Hofstaat ein i
reformierter Hofprediger zugestanden wurde, die französische
ist eine durch Privilegien vom 3. Januar und
14. April 1685 ermöglichte Hugenottengemeinde. Die j
vorliegende, würdig ausgestattete Arbeit ist eine Festschrift
zum 250 jährigen Bestehen der beiden Gemeinden j
dienenden Kirche. Sie bietet im wesentlichen ein Le- i
bens- und Charakterbild der dänischen Königin aus hessischem
Hause und eine ziemliche Fülle von Einzelzügen |
aus der Frühgeschichte der Hugenotteneinwanderung
nach Dänemark. Die Königin, eine Nichte des Großen
Kurfürsten, erscheint als eine gebildete, tüchtige, cha- |

rakterfeste Frau, die auch unter großen Schwierigkeiten
an ihrem Glauben wie an' ihrem Deutschtum wacker festhält
und deren religiöse Gedankenwelt wir uns ähnlich
derjenigen des Großen Kurfürsten vorzustellen haben
(Abschwächung der reformierten Prädestinationslehre,
scharfe Ablehnung der lutherischen Abendmahlslehre,
Hervortreten eines religiös geprägten Toleranzgedankens
). Die Hugenotten haben in Dänemark fast ausschließlich
aus wirtschaftspolitischen Motiven Aufnahme
gefunden. Wirtschaftlich, insbesondere auf steuerlichem
Gebiet werden ihnen erhebliche Privilegien gewährt; dagegen
erfahren sie hinsichtlich der Religionsübung starke
Einschränkungen, denen sich die reformierte Königin
vergebens zu widersetzen sucht. Die militärische und
wirtschaftliche Bedeutung der Einwanderer für Dänemark
wird eindringlich geschildert — wir bekommen ein
, ähnliches (wenn auch sehr stark abgeschwächtes) Bild
wie in Brandenburg-Preußen und Hessen-Kassel (um
I nur die wichtigsten betroffenen deutschen Territorien zu
nennen). Von dem religiösen und kirchlichen Leben der
beiden reformierten Gemeinden erfahren wir wenig (der
Verfasser sieht bewußt davon ab). Darum trägt das
wertvolle Buch leider für die kirchengeschichtliche Betrachtung
der Hugenotteneinwanderungen wenig aus. Beachtenswert
ist immerhin, daß ein Reglement der Köni-
j gin vom 24. März 1714 für beide Gemeinden materielles
j Kirchenrecht setzt, und zwar so, daß die französische
i Gemeinde sich Einrichtungen der deutschen (z. B. hin-
j sichtlich der Amtsdauer der Ältesten und Diakonen)
zu eigen machen muß. Für die spezielle Hugenottengeschichte
, auch für die hugenottische Familiengeschichte
bietet die Arbeit sehr schätzenswertes Material: wir be-
j kommen nicht nur alle in Frage kommenden Urkunden
im Abdruck, sondern auch Stammtafeln, Briefe und andere
Aktenstücke in reicher Fülle; die Beilagen füllen
| fast zwei Drittel des Buches. Im Ganzen ist das Werk
| ein sehr dankenswerter Beitrag zur Hugenottengeschichte
und auch (nicht völlig unzeitgemäß, wie es scheint) zur
! Konfcssionsgeschichte Hessen-Kassels.

Güttingen Otto Weher

Kemp, Friedhelm; Baudelaire undfdas Christentum. Marburg:
Michaelis-Braun 1939. (143 S.) gr. 8° = Marburger Beiträge z.
romanischen Philologie, H. 27. RM 4.80.

Man hat von katholischer Seite, im Zusammenhang
mit dem „Renouveau catholique" des geistigen Frankreich
, den Versuch unternommen, das Werk und die
Persönlichkeit Baudelaires als christlich und vor allem
als katholisch zu bezeichnen. Die vorliegende Abhandlung
untersucht die Möglichkeit einer solchen christlichen
Interpretation Baudelaires und kommt dabei mit gutem
Recht zu einem negativen Ergebnis.

Gewiß spielen christliche Vorstellungen und Begriffe
im Denken B.s eine große Rolle. Gewiß ist B. auch zu
den Verehrern der katholischen Kirche und ihres sichtbaren
Oberhauptes, des Papstes, zu zählen. Er ist auch
mit den Sakramenten seiner Kirche versehen gestorben,
uns es wird nicht nur aus seiner Jugend, sondern auch
aus seinem späteren Leben berichtet, daß er gebetet habe
. Aber damit ist noch nicht gesagt, daß man von der
katholischen Frömmigkeit aus ein tieferes Verständnis
seiner Dichtung gewinnt. Es ist gerade bei B. ein doppeltes
zu beachten: einmal der Umstand, daß die von B.
verwendeten religiösen und theologischen Begriffe häufig
etwas ganz anderes meinen, als was die katholische
Frömmigkeit darunter versteht, und sodann vor allem
der andere Gesichtspunkt, daß Lebenshaltung, Lebensgefühl
und die ganze geistige Art B.'s wenn nicht gerade
antichristlich, so doch völlig achristlich, ja profan zu bezeichnen
sind. Das hat der Verfasser dieser B.-Studie,
die aus einer gründlichen Kenntnis der Werke B.'s heraus
und zugleich mit einem guten an der Scholastik gewonnenen
Verständnis des katholischen Denkens verfaßt
ist, in einer methodisch sehr sorgfältigen, im Urteil abgewogenen
und das religions-psychologische Verständnis