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Ausgabe:

1942

Spalte:

120-121

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Kalisch, Werner

Titel/Untertitel:

Die öffentlich-rechtliche Stellung des preußischen evangelischen Pfarrers vom allgemeinen Landrecht bis zur Gegenwart 1942

Rezensent:

Haugg, Werner

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119 Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 3/4 120

sich solche Ansätze zu evangelischer Bruderschaftsge- geworden ist und dem alles daran liegt, mit intellek-
staltung wahrnehmen. Warum haben sich diese Versuche tueller Redlichkeit diese Fragen zu beantworten, ein An-
nicht kräftiger entfaltet? Die Schuld liegt nach Stählins derer zu bezeugen versucht, was er an „Festem" erfah-
Oberzeugung daran, daß das Leben der Kirche im prote- ren hat, um ihm zu helfen. Er sucht ihn von einer mate-
stantischen Raum in einseitiger Weise auf das Predigt- rialistischen Weltansicht, die nur eine Vordergrundswelt
amt reduziert wurde. Dazu kommt, daß der moderne anerkennt, zu innerer Aufgeschlossenheit für ein Jenreligiöse
Individualismus den protestantischen Menschen seits der Seele und das Unsichtbar-Ewige zu führen. Je-
in besonders verhängnisvollem Ausmaß ergriffen und ! der äußere Beweis dafür im Bereich des Sichtbaren wird
ihn in seiner theologischen Bildung und Frömmigkeit abgelehnt, dagegen der Beweis eben in der Tatsache
vereinzelt hat. Die Gefahr aber, die uns heute bedroht, unserer Herzensbewegung selbst gesehen, in der eine
ist jedenfalls nicht der fromme Übereifer und die ver- Art innerer Korrespondenz zwischen dem letzten Ge-
dienstliche Selbsterlösung, die Gefahr liegt genau in der heimnis in uns und dem Geheimnis der Welt sich kund
entgegengesetzten Richtung, daß wir in unserer christ- tut. Das Ewige aber gewinnt Kontakt mit uns zunächst
liehen Lebensführung nachlässig, unordentlich und ver- durch den Anruf des Ideals in der Gewissensfordenmg,
schlampt werden. Dieser Notstand drängt zur Formung die uns nicht bleiben läßt, was wir sind, sondern hineinneuer
Bruderschaften. wachsen läßt in etwas, was wir noch nicht sind. Dieser
Stählin spricht in diesem Buch im Auftrag und aus Kontakt bewährt und vertieft sich in der Anfechtung im
der Erfahrung der Berneuchener Michaelisbruderschaft, Kampf mit dem Schicksal und gewinnt letzte Tiefe im
die sich im Oktober des Jahres 1931 Stiftung und Ord- Verhältnis zu Christus, der uns, nachdem ihm die histo-
nung gegeben hat. Er erhebt keinerlei absolutistische < rische Kritik der letzten Jahrhunderte jeden „gleißen-
Ansprüche für diese Bruderschaft, in der er selbst füh- den Mantel" ausgezogen hat, als Wegbruder zum „Va-
rend steht, er berichtet lediglich von den konkreten ter" begegnet, zu dem er allein uns das entscheidende
Übungen, Erfahrungen und Schwierigkeiten eines Jahr- Vertrauensverhältnis auftut. Dieser Kontakt wird aber
zehnts. Davon wird jeder dankbar lernen können, in wel- nur im Gebet, z. B. im Tischgebet der Familie, aber vor
eher Pfarrbruderschaft er auch immer eingefügt stehen a|iem im individuellen Gebet auch bei uns selbst zur
mag. Wir hören von der liturgischen Erziehung, von der Wirklichkeit.

Disziplin im Alltagsleben, von Seelsorge und Privatbeich- Es ist also die Linie eines christlich-ethischen Idea-
te, wie sie wechselseitig geübt und jedem zur Pflicht ge- lismus, die hier ausgezogen wird und zwar in einer sehr
macht wird. Das Schlußkapitel spricht von dem kirch- eindringlichen und innerlich ringenden Wei se, die zweilichen
Dienst der Bruderschaft. Mit aller nur wünschens- feilos auf einen Menschen, der nach einem Zugang zu
werten Klarheit wird dabei betont, daß die Bruderschaft ejnem tiefen Welt- und Lebensverständnis bzw. zu einem
gestiftet ist zum Dienst an der Kirche, daß sie sich ; echten Gottesverhältnis verlangt, Eindruck machen kann,
darum in vollem Umfang in das Gesamtgefüge der Kir- Diese innere Linie führt freilich — wohl mit Absicht —
che hineinstellt, fern von allein sektenhaften Sonderda- nul- an die Pforte dieses Lebens. Aber es wird doch dasein
. Aber nach Stählin ist nicht nur die Bruderschalt an bei auch schon sehr viel wirklich Wesentliches gesagt,
die Kirche gebunden, auch die Kirche ist nicht weniger z. ß. über die Bedeutung des Tischgebets für die' Fami-
auf die Bruderschaften angewiesen. In der großen Kir- 1 He, uber das Gebet überhaupt, über Anfechtung und Be-
che geht alle notwendige und förderliche Neugestaltung Währung, über Schicksal und Vertrauen,
immer nur langsam und schwerfällig voran. Hier kommt Nur muß dem leider hinzugefügt werden, dal! in
die Bruderschaft zu Hilfe und leistet mit ihrem Werk mancher Weise auch Türen verschlossen werden bzw.
einen gewissen vorauseilenden Pionierdienst, wodurch m wirklich entscheidenden Wirklichkeiten nicht aufgetan
das Leben in der Kirche frisch erhalten wird. Wie das werden. Von Anfang an zieht sich durch das Büchlein
im einzelnen zu verstehen ist, wird in Anwendung auf ein eigentümliches Unverständnis für das, was „Kirche"
die theologische, kultische und seelsorgerhche Schulung isti hindurch. Sie erscheint als Hüterin fester Dogmen,
des Pfarrers in besonderen Abschnitten naher ausgeführt. ais konfessionell verkrustete Größe, die weder für den
Daß solche Bruderschaftsbildung auch Gefahren und Be- Briefschreiber noch für den Adressaten überhaupt eigent-
denken unterliegt, weiß Stählin selbst sehr gut. Man lich diskutabel ist. Der Verfasser ist auf der Suche nach
wird ihm aber darin recht geben müssen, daß es besser einer neuen gläubigen Gemeinschaft: „Unsere Konfesist
, allgemein empfundene Nöte unserer Kirche und un- sion ist das ganze gläubige Volk." Wie unklar ist schon
seres Standes in fröhlichem Glauben wagend anzugreifen, aliein dieser Satz! Schwerlich will er ja doch wohl sagen,
als beiseite zu stehen, zu jammern, zu kritisieren und daß das ganze Volk gläubig ist. Wenn aber nur der
überhaupt nichts zu tun. gläubige Teil des Volkes gemeint ist, dann ist es doch
™nfien Adolf Köberle eben wieder nicnt das ganze Volk, also doch wieder

„ , _ . . ,. . „ ..... ,.. ,. , . „Konfession"? Indessen der Schaden liegt tiefer. Dieser

L> e n c K e r, Gerhard : Lieber Kamerad! Briete zum staubigen Leben. . ... , ,,__is_._,,_ i,„„„+ ™„ j,,,. aS^oII a,^ i^„„i„

München: Ernst Reinhardt io4i. (48 s.) 8». RM 1.40. christliche Idealismus kennt /war den Appell des Ideals
Wenn auch das hier anzuzeigende Büchlein an das al?,.A0nruf vom Ewigen her, aber nicht die Selbster-
Thielickesche Buch: „Wo ist Gott", was Tiefe anlangt, Schließung des Herzens Gottes im Wort, im Wort, das
nicht heranreicht, so ist es doch, wenn auch mit Vorbe- F.leisc'1 >" Ctmstus wird, und deshalb nicht Kirche im
halten, auf die ich zum Schluß zu sprechen komme, eigentlichen Sinne des Worts, nicht Gemeinde der vom
durchaus zu empfehlen, wenn es gilt, jungen Menschen, ™ort von der Botschaft her Angeredeten der von Gott
die nach einem festen Glaubensgrund suchen, eine Hand- h,er Gerichteten und Geretteteu. Wenigstens vermag er
reichung zu geben. Die äußere Form der Brieffolge dauvon ,n,ch,t zu /e.u?en- l nd «0 der iun8e. r,)eut"
macht in diesen Falle möglich, die Gedanken, die noch *che> der hier so fein an che Hand genommen wird, im
in Friedenszeiten angesponnen werden, zuerst mehr in °runde doch an der entscheidenden Stelle allen, gelas-
der Form ruhiger Darlegung zu bringen, um dann in se". Es mußte denn sein daß er von selbst entdecken
den letzten Briefen, in denen mit Anbruch des Krieges wurde. da[5 ie"e »ms Helle strebenden Kräfte unseres
das dtstanziertere , Sie" dem kameradschaftlich vertrau- V,olks", von denen S. 44 reichlich unbestimmt gespro-
ten „Du" Platz mächt, noch entscheidende Wahrheiten chen wird, eben doch da zu finden sind, wo inmitten
in gedrängterer Weise unmittelbar appellierend an den der Schrecken des Kriegs - Gemeinde um das Wort
„Kameraden" heranzutragen. Die innere Linie des Bu- sicti sammelt.

ches verläuft so, daß dem Angeredeten, einen, Studenten Heselberg Renatus H u p f e I d

der Medizin, dem im Zusammenhang mit seiner Ver- Kal isch, Dr. im. Werner: Die öffentlich-rechtliche Stellung des
lobung mit einem der christlichen Atmosphäre entstam- preußischen evangelischen Pfarrers vom Allgemeinen Landmenden
jungen Mädchen die religiöse Frage allgemein recht bis zur Gegenwart. Halle: Akad. Verlg. 1941. (72 S.) gr.8°.
und die Frage des Kontakts mit Gott speziell aktuell RM 3.20.