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Ausgabe:

1942 Nr. 3

Spalte:

106-108

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Minkner, Konrad

Titel/Untertitel:

Die Stufenfolge des mystischen Erlebnisses bei William Law 1942

Rezensent:

Frick, Heinrich

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105 Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 3 I 106

KIRCHENGESCMCHTE: NEUEHE ZEIT Ä£n SUS,tÄba

Deissler, Dr. Alfons: Fürstabt Martin Gerbert von St. Blasien Deißler sieht ganz richtig, daß Qerberts Auffassung
und die theologische Methode. Eine Studie zur deutschen y°n (Jer 1 heologie mit den in der damaligen Zeit auf-
Theologiegeachichte des 18. Jalirh. München: Neuer Pilser-Verlai brechenden Tendenzen der Aufklärung parallel creht,
1040. (XXIV, 196 S.) gr. 8° = Studien und Mitteilungen t. Ocsch. nicht mit den rationalistischen, aber mit den historisie-
d. Benediktiner-Ordens u. s. Zweige. 15. Ergänzungen. RM <u>o. rendeii und mit den auf Leben und Tun ausgerichteten;
Als vor nunmehr rund drei Jahrzehnten zwischen manche Namennennung in Oerberts Schriften sowie seine
Merkle einerseits, Sägmüller und Rösch anderseits die von Pfeilschifter 1931—34 herausgegebene Korrespon-
damals auch auf protestantischer Seite viel beachtete denz zeigen seine Verbindung auch mit aufgeklärten pro-
scharfe Kontroverse über die Aufklärung in der deut- testantischen Theologen und deren Schrifttum. In dem
sehen katholischen Kirche geführt wurde, litt die üis- 1. und III. Teil des vorliegenden Buches versucht Deiß-
kussion nicht nur darunter, daß die einzelnen Gestalten 1er, die geschichtliche Stellung Qerberts herauszuarbeiten,
der deutschen katholischen Theologiegeschichte des 18. Er beschränkt sich dabei aber wohl zu sehr darauf, ihm
Jahrhunderts nur erst zum Teil eine monographische innerhalb der katholischen Theologiegeschichte und vor
Darstellung gefunden hatten, sondern mehr noch unter allem innerhalb der benediktinischen Reformbewegung
der auf beiden Seiten so verschiedenen Auffassung vom und dann speziell innerhalb der wissenschaftlichen Be-
Charakter der „Aufklärung". Während Merkles üegner strebungen in St. Blasien seinen Platz anzuweisen und
den Begriff „Aufklärung" eng faßten, einfach dem Be- schließlich im Blick auf die österreichische Unterrichts-
griff „Rationalismus" gleichsetzten und nur die anti- reform unter Maria Theresia und Joseph II. seine Priori-
kirchlichen und antisupernaturaleu Bestrebungen der Zeit tat zu erweisen. Über diese nächstliegende Eingliederung
darunter verstanden wissen wollten, konnte Merkle auch hinaus wäre es mindestens interessant gewesen, würde
von „gläubigen Aufklärern" sprechen, zu denen er u. a. aber auch der schärferen hrfassung der Gestalt Gerberts
auch den in der hier zu besprechenden Monographie be- dienen, wenn über gelegentliche Einzelhinweise hinaus
handelten Martin Gerbert rechnete, und bezog den Be- m einem besonderen zusammenfassenden Kapitel der
griff „Aufklärung" nicht bloß auf die „freigeistigen" Versuch gemacht worden wäre, seine Stellung zur GeBestrebungen
des 18. Jahrhunderts, sondern auf das gan- samtbewegung der Aufklärung und sein Verhältnis zur
ze Streben nach einer neuen wissenschaftlichen Methode gleichzeitigen protestantischen Theologiegeschichte ge-
in der Theologie im Gegensatz zur Scholastik, wie es nauer festzustellen. Der Sachverhalt läßt auch die Frage
eben auch in dem Werk Martin Gerberts und seiner Ge- einer Einwirkung des voraufklärerischen Humanismus
sinnungsgenossen zum Ausdruck kam. und dessen Programms „ad fontes et ad res" aufwer-
Inzwischen ist diese Debatte im Wesentlichen zu- fen, — eine Frage, die nicht allein durch Hinweise auf
gunsten Merkles entschieden worden. Das zeigt tinler Zitate aus Erasmus oder Vives (S. 48. 134) entschieden
den großen katholischen Darstellungen der Kirchenge- j werden kann. Daß auf Gerberts Vorliebe für Augustin
schichte der Neuzeit etwa A. Veits „Geschichte der Kirche , der Jansenismus trotz seiner antijansenistischen Kritik
im Zeitalter des Individualismus" (1931), wo die in der : eingewirkt haben dürfte, hat Deißler selber (S. 131 f.)
protestantischen Geschichtsschreibung längst übliche Stu- hervorgehoben. Was Gerberts Verhältnis zur Aufklärung
fenunterscheidiuig innerhalb der Aufklärung übernommen betrifft, so ist d er von Deißler (S. 114) angeführte Hinist
. Das zeigt ebenso, von anderen Monographien damali- ■ weis auf Descartes in Gerberts Prospekt, das seine
ger katholischer Theologen abgesehen, die vorliegende 1 „Principia theologiae" der gelehrten Welt anzeigte, zwar
Darstellung Martin Gerberts, die mit Recht die Frage interessant für seine eigene Einschätzung seines wissender
theologischen Methode in den Mittelpunkt stellt und schaftlichen Unternehmens, darf aber über seine katho-
in dem Emdringen der historischen Methode und der lische Traditionsgebundenheit, die dauernd bestehen blieb
Betonung der historisch-theologischen Disziplinen das und ihn von jeder radikaleren Aufklärung unterschied,
Neue sieht, das die „reformfreudigen" Kreise von den nicht hinwegtäuschen. Ein Zweifel an der „autoritas" so-
Anhängern'der veralteten Scholastik unterscheidet. i wohl der heiligen Schrift, als auch der Vätertheologie
Dieser theologischen Methode, wie sie von Martin bleibt ihm fremd. Besonders instruktiv ist auch gerade
Gerbert gefordert und gehandhabt wird, ist der ausführ- ; angesichts der Stellung, die Gerbert der Kirchengeschich-
Üche II. Teil des vorliegenden Buches gewidmet. Hier te im Ganzen der Theologie zuweist, die Tatsache, daß
verwertet Deißler vor allem Gerberts „Apparatus ad j diese und in ihr speziell die Dogmengeschichte bei ihm
eruditionem theologicam" (1754; 2. Auflage 1764) und niemals, wie sehr bald in der protestantisch-theologischen
seine in acht Bänden veröffentlichten „Principia theo- Aufklärung, die Aufgabe erhält, die Institutionen und
logiae" (1757—59) in denen Gerbert eine seiner Me- das Dogma kritisch-historisch aufzulösen, sondern ihm
thode entsprechende inhaltliche Darstellung der ganzen stets als positiver Unterbau der systematischen und prak-
Theologie gegeben hat — ein Unternehmen, das Gerbert j tischen Theologie erscheint; sie hat letztlich die von Ausübst
als ein durchaus erstmaliges empfunden hat, und fang an einheitliche zusammenhängende Entwicklung und
durch das er zugleich gegen eine Auflösung der Theo- nicht etwa den ständigen Wechsel oder die Zeit- und
logie in die üblich gewordenen Einzeldisziplinen prote- Ortsgebundenheit neuauftauchender Gedanken und Fordert
, um im Gegensatz dazu die Theologie als eine ein- mein zu erweisen. Gerade infolge dieser bei ihm geblie-
heitliche Wissenschaft aufzubauen. Dabei faßt er Theo- benen Traditionsgebundenheit hat Gerbert innerhalb des
•ogie als Glaubenswissenschaft, deren biblisch-exegetische damaligen deutschen Katholizismus so weithin wirken
l"id historisch-theologische Grundlegung und deren prak- können, wie es Deißler im letzten Abschnitt seines Bursche
Zielsetzung (cSgnitio non solum mentis, sed etiam ; ches nachweist.

c°rdis) er im Gegensatz zur Dialektik und zum Intellek- ' Das Ganze ist ein sehr erfreulicher Beitrag zur deut-
tualismus der Scholastik und ihrer Vernachlässigung der sehen Theologiegeschichte des 18. Jahrhunderts, für den
Quellenwissenschaften scharf betont. Deißler charakteri- man dem Verfasser Dank wissen muß.
s'ert Gerberts Theologie im Unterschied von der schola- Kfihigsbei« (Pr.) L. Zscharnack
tischen als eine „HeiTstheologie", die mehr auf das religiöse
Leben und die Erschließung der religiösen Grund- Minkner, Konrad: Die Stufenfolge des mystischen Erlehni*
wafte ausgerichtet ist als auf das in den Bereich der ; ses bei William Law (1686-1761). München- Fn,oS
Philosophischen Spekulation hinübergreifende Wissen. Er 1030. (102 s.) gr.s" = Aus d. Welt christl. Frömmigkeit Bd 15
kann ihn deswegen geradezu als einen von der augustim- j RM 4 80
sehen Tradition bestimmten „mystischen Theologen" be- t William Law ist in Deutschland ziemlich unbekannt
2eichnen, bei dem sich mit der „mystischen" Grundhai- , geblieben. Man erinnert sich seiner als desjenigen Man-
tl|ng die die Schriftautorität und die alte Vätertheologie I nes, der zu einer Zeit, als die Religions Societies vom