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Ausgabe:

1942

Spalte:

101-103

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Norberg, Dag Ludvig

Titel/Untertitel:

In registrum Gregorii magni studia critica 1942

Rezensent:

Campenhausen, Hans

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1»)2

ten, dem in einer Pariser Handschrift erhaltenen Planctus,
von dein zuerst H. Grauert im Hist. Jahrbuch 22 (1901)
eine ausführliche Inhaltsangabe gegeben hat. Es handelt
sich um ein Gedicht in leoninischen Hexametern, in dem
die Kirche beim Papst die Trauer des Deutschen Reichs
über den großen Streit der Kurie mit dem Kaiser vorbringt
und um die Wiederaufnahme Ludwigs in die
papstliche Gnade bittet. Dies wenigstens der Hauptinhalt
, dem der Titel des Ganzen entspricht. Konrad findet
hier warme patriotische Worte über das Unheil, das
der Kirchenstreit über Deutschland gebracht hat, auch
allerhand Vorwürfe gegen die Welschen, ja gegen den
Papst, den Franzosen Benedikt XII. Und es ist schon
begreiflich, daß seine Hoffnung, mit diesem Gedicht von
der Kurie die Verleihung einer Pfründe zu erlangen,
vnerst nicht in Erfüllung gegangen ist. Aber es war
doch nicht richtig oder zum mindesten überspitzt, wenn
man bei Konrad einen grundsätzlichen Wandel der Anschauung
feststellen zu sollen glaubte zwischen dieser
Jugendschrift und dem späteren Traktat De translatione,
der den kurialen Standpunkt viel stärker hervortreten
läßt. Denn auch der Planctus ist in den rechtlichen Fragen
von einem kirchlichen Standpunkt aus geschrieben,
während andrerseits die Translatio noch immer die Sorge
um die Ordnung im Reich und um die innere Einigkeit
der Nation erkennen läßt. Die Liebe zur Heimat verbindet
sich bei Konrad mit der Liebe zur Natur, von der
seine berühmteste Schrift, das in deutscher Sprache geschriebene
Buch der Natur (1350), ein hervorragendes
Zeugnis ablegt. Sein dauernder Haß galt den Bettelmönchen
. Er hat sich in der scharfen Streitschrift gegen den
toten Occam entladen. Dennoch wird man Konrad mehr
zu den versöhnlichen Geistern als zu den ausgeprägten
Charakteren und großen Politikern rechnen dürfen.

Der Text des Planctus, wie er uns jetzt vorgelegt
wird, ist eine vortreffliche Wiedergabe und hat gegen die
Form von 1914 sehr gewonnen. Zu einem guten Teil verdanken
wir das, wie im Vorwort hervorgehoben wird, der
Mitarbeit N. rickermannt, eines erprobten Kenners des
Mittellateins. Aber auch ein glücklicher Fund des Herausgebers
hat nicht wenig dazu beigetragen, der Nachweis
einer viel benutzten Quelle, der Poetria nova, eines
Lehrbuchs der Poetik von dem Engländer Galfridus de
Vino Salvo. Die Handschrift ist eine ziemlich gleichzeitige
Abschrift mit Interlinear-Glossen. Die beiden Korrekturen
in Vers 64 und 1251 gehören übrigens m. E.
dem Abschreiber, nicht dem Verfasser, und hätten also
besser nicht in den Text aufgenommen werden sollen.
Merlin Robert Holtzmann

N orberg, Dag: In Registrum Gregorll Magni studia critlca

Bd. I: Commentatio Academica (XV, 175 S.) gr. 8° = Uppsala
Universitcts Ärsskrift 1037, 4. Kr. 6—. Bd. II (VII, 263 S.) gr. 8°
= Uppsala Universitcts Ärsskrift 1939, 7. Kr. 8.50. Uppsala:
A--B. Lundcqiristska Bokhandeln; Leipzig: Otto Harrassowitz.

Die Anzeige dieser verdienstreichen Untersuchungen
erfolgt ohne Schuld des Ree. leider mit starker Verspätung
. Doch kann man zum Glück sagen, daß es sich hier
u'n eine gelehrte Leistung handelt, die nicht auf irgendeine
vorübergehende Aktualität Anspruch erhebt, sondern
"i entsagungsvoller Kleinarbeit philologische Erkenntnisse
zu Tage fördert, die ihren Wert dauernd behalten
Verden. Die kritische letzte Ausgabe von Gregors d. Gr. [
Briefwechsel durch P. Ewald und L. M. Hartmann in den
Mon. Germaniae stammt aus den Jahren 1887 -99. Obgleich
sie damals zweifellos einen großen Fortschritt
bedeutete, ist ihr Text doch keineswegs so einwandfrei
gesichert, wie der Leser zunächst annehmen möchte.
N. zeigt das in einer gründlichen Revision zahlreicher
Einzelstellen, die dann auch ins Allgemeinere und Grundsätzliche
der Textgestaltung hinüberführt.

Das Buch ist In einem leicht lesbaren, angenehmen
Latein geschrieben. Der erste Band bringt im „exordium" j
^nächst eine wichtige Klassifizierung der Briefe nach

ihrem Stil: neben den an Freunde und hervorragende
Persönlichkeiten gerichteten Briefen, die ganz Gregors
persönliche Art und Ausdrucksweise atmen, steht
die lange Reihe mehr amtlich-geschäftlicher Schreiben,
die sich in fester Tradition an den Stil der älteren Papstbriefe
anschließen, oft bis zu wörtlicher Entlehnung ganzer
Wendungen. Zum Teil, aber nicht immer werden
diese Stücke in der päpstlichen Kanzlei entworfen sein.
Zweifellos gilt dies von einer dritten Gruppe, die einfach
nach einem festen Formular abgefaßt ist. Der
Hauptteil des Bandes bringt textkritische Erörterungen
zu einzelnen Stellen, die nach der Reihenfolge der Briefe
abgehandelt werden. Freie Konjekturen treten dabei zurück
. Von größter Bedeutung erweist sich dagegen die
sorgfältige Beachtung der spätlateinischen Wortlehre und
Syntax, der Gregor stärker verhaftet ist, als man bisher
erkennen mochte. Eine ganze Reihe von Stellen, die nach
klassischen Begriffen inkorrekt oder unmöglich sind, und
darum in der späteren Überlieferung ebenso wie von den
modernen Herausgebern korrigiert wurden, hat als ursprünglich
zu gelten. Eine erstaunliche Kenntnis der
Texte, wie sie nur auf Grund langjähriger Vertrautneit
möglich ist, gibt dem Verf. in den meisten Fällen aus
Gregors eigenem Schrifttum Parallelen genug an die
Hand, um die jeweils vorgeschlagene Deutung zu sichern.
Einige Male (vgl. S. 98, 138, II 29) helfen auch paläo-
graphische Erwägungen weiter. —

Der zweite Band der Studien ist zwei Jahre nach dem
ersten erschienen, während derer der Verf. seinem Stoffe
treu geblieben ist. Er führt die im ersten Teil begonnene
Arbeit an neuen Beispielen weiter fort. Zugleich
werden die zerstreuten Untersuchungen jetzt in größere
Zusammenhänge eingeordnet und ihrer Erkenntnis dienstbar
gemacht. Es gilt die Entstehungsverhältnisse und
dann vor allem die Überlieferungsgeschichte der Briefe
weiter zu klären. In der vielverhandelten Frage, ob sie
unmittelbar nach Gregors Diktat und dem Konzept der
Schreiber in das Register eingetragen wurden oder erst
nach dem fertigen, späteren Briefe, dem „authenticum"
selbst, entscheidet sich der Verf. in eingehender und
m. E. überzeugender Begründung für einen eigentlich
sehr nah liegenden — Mittelweg: die Praxis war hier
nicht konsequent, beides ist vorgekommen. Damit erklärt
es sich dann auch sehr einfach, warum gewisse Briefe
gleich- oder fast gleichlautend zweimal ins Register geraten
konnten.

Die Überlieferungsgeschichte der Gregor-Briefe ist
von Ewald und Hartmann merkwürdig wenig beachtet
worden, und dadurch behielt auch ihre Benutzung der
Handschriften etwas Willkürliches. Der Reichtum der
Überlieferung hatte die Aufgabe einigermaßen erschwert.
Auch Norberg kann hier noch nicht völlig abschließende
Arbeit leisten; aber er zieht doch wichtige, von den älteren
Herausgebern vernachlässigte Handschriften aus
Licht, und es glückt ihm vor allem eine gewisse Sichtung
des Materials im Großen. Nur diejenigen Handschriften
kommen für eine Rekonstruktion des lateranensischen
Archetypus ernstlich in Betracht, die die alten Sammlungen
R, P und C und deren ursprüngliche Reihenfolge
der Briefe noch bewahrt haben. Die umgestellten Sammlungen
sind auch in ihrem Text von den gelehrten mittelalterlichen
Herausgebern allzu stark bearbeitet worden.
Für die Sammlung R führt der Verf. die vollständige
Gliederung nach einzelnen Familien durch und bestimmt
ihren Wert. Dazu verhilft ihm wieder die Vergleichung
der zahlreichen schwierigen Stellen, an denen die echte,
seltene Sprachform erhalten oder verwischt ist.

Es wird nach dem Gesagten deutlich sein, daß künftig
kein kritischer Benutzer des gregorianischen Registers
Norbergs scharfsinnige Untersuchungen beiseite
lassen kann. Darüber hinaus sind sie auch für den Erforscher
des späten und mittelalterlichen Lateins eine
rechte Fundgrube; und zum Glück bleiben die neuen Erkenntnisse
auf diesem Gebiet auch nicht in dem Buch
verstreut und vergraben, sondern der Verf. hat durch