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Ausgabe:

1942

Spalte:

98-100

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Vierzehn Berliner griechische Papyri 1942

Rezensent:

Schubart, Wilhelm

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erhalten, woraus wir erfahren, daß D. seine Darstellung
in 2 Teilen zu je 8 Büchern dargeboten hatte. Unabhängig
von Michael, wie A. zeigt, hat der Chronist von
1 'J 54 die Arbeit des D. ausgebeutet. Stark verkürzt, aber
in bessere Ordnung gebracht hat Barhebraeus seine
Quelle, die ihm mittelbar in Michaels Chronik vorlag.
Nur ein kurzes Fragment des Originalwerkes ist uns
direkt in einer Handschrift der Vaticana erhalten, das A.
(Beilage III) in Faksimiledruck und deutscher Ubersetzung
vorlegt. Leider bat A. infolge der mangelnden
Zeilenzählung der Ausgaben des Michael und des Barhebraeus
kein genaues Verzeichnis der aus D. genommenen
Partien herstellen können, wie man es gern gewünscht
hä.te, doch gibt er (Beilage I) eine Übersicht der wichtigsten
, als sicher erkennbaren Entlehnungen nach der
Kapitelzählung bei Michael und der Angabe der Kolumnen
bzw. Seiten bei Barhebraeus.

Dionysius wollte, wie er im Vorwort sagt, das Ge-
sHiichtswerk des Qürä von Batna, das bis 582 reichte,
fortsetzen; er beschloß sein Werk, das er seinem Freunde
Johannes von Dara widmete, mit der Darstellung seiner
eigenen Regierung bis 842. In diese Periode fallen
die gewaltigen Umwälzungen in der Welt- und Kirchen-
geschichte des Ostens: der Untergang des Perserreiches, I
die fast völlige Ausschaltung der byzantinischen Kirchenpolitik
und das Aufkommen der islamischen Reiche, mit
denen die monophysitische Kirche in ein erträgliches Verhältnis
zu gelangen suchte. Für diese Ereignisse ist nun D. j
nicht nur ein wichtiger Berichterstatter, sondern auch ein
stark reflektierender Schriftsteller, der sich über die Grün- ,
de und Folgen der geschichtlichen Tatsachen Rechenschaft
abzulegen bemüht; großes Interesse bietet die Schilde- j
rung seiner eigenen Amtsführung, die u. a. durch die Auseinandersetzungen
mit den stets nach größerer Selbstän- j
digkeit strebenden Obermetropoliten des Ostens, den
„Maphrianen", belastet war.

A. will nun nicht einfach die ganze Chronik des I).
nacherzählen, sondern eine Charakteristik seiner Ge- !
Schichtsschreibung geben, weshalb er sich bemüht, die }
Auffassung und Wertung der Personen und Ereignisse !
durch D. stark herauszuarbeiten. Er faßt unter diesem
Gesichtspunkte zuerst die Darstellung der politischen
Geschichte zusammen: das Ende des Perserreiches, die
byz; ntinische Kaisergeschichte und die Zeit der Araber- I
henschaff, die natürlich den größten Raum einnimmt;
bei der Kirchengeschichte, die ja das Hauptanliegen des
Schriftstellers ist, betrachtet er zunächst D.s Auffassung
über das Verhältnis von Kirche und Staat, um dann zu
dessen Schilderung und Beurteilung der inneren Lage,
der Stellung des Autors zu den Chalkedonensern, den
Nestorianern und zur eigenen Kirche überzugehen; ein
besonderes Kapitel widmet er dem Kirchenregiment und
der persönlichen Haltung des Patriarchen.

So erhalten wir eine Auswertung des behandelten
Werkes, wofür alle, die sich mit orientalischer Kirchenge- [
schichte und Literatur befassen, nur dankbar sein kon- |
nen. A. hat sich ganz in seinen Autor hineinversenkt,
seine Beurteilung dürfte durchweg das Richtige treffen;
wenn er ihm S. 28 u. 67 „pfäffische" Betrachtungsweise !
zumutet, so wird man diesen Ausdruck bei der sonst D. j
entgegengebrachten Hochschätzung und der streng wissenschaftlichen
Haltung doch wohl als etwas befrem-
dend empfinden. Das Buch, in dem viel mühsame Arbeit
steckt, ist eine ausgezeichnete Leistung; man kann nur ,
wünschen, daß auch andere syr. Chroniken solche Bearbeiter
finden. Wenn ich nun einige Bemerkungen anfüge,
So soll dieses Urteil in keiner Weise eingeschränkt
Werden.

I» Beilage II gibt A. ein arabisches Symbol mit deutscher Übersetzung
wider, das er als Ori<Mnalwcrk des D. ansehen mochte; der
T«t ist aus der Kirchengeschichte des Kopten Na'um-Ephrem (Kairo
1()23) entnommen. Es erscheint mir jedoch zweifelhaft, daß es un-
*er'> D. zum Verfasser hat, denn es Ist an einen alexandrimsehen
Patriarchen Cha'il gerichtet, während der alexandnnische Amtsge-
n°sse unsers Autors Joseph hieß; mit dem modernen koptischen
Schriftsteller die Rei'ierungszeit des Cha'il (Michael II, 850—52)

einfach in 841—42 zu ändern, ist wohl kaum zulässig, zumal da das
Schriftstück dem sogenannten ,,Bekenntnis der Väter" entlehnt ist,
das die einzelnen Stücke chronologisch ordnet und das Symbol an
Michael III. (881—909) adressiert sein läßt; es müßte demnach von
dem antiocheii'ischen Patriarchen Dionysius II. (896—908) verfaßt
sein, vgl. O. Graf, Zwei dogmatische Florilegien der Kopten (Orientalk
Christian* l'criodica III, 1907, S. 395). — Die wiederholt gebrauchte
Bezeichnung der viel umstrittenen Formel: „Panem eyelestem
frangimus" als Konsekrationsformel ist irrig; es handelt sich vielmehr
um den Oebetstext bei der Brechung der Hostie am Schluß des
Großen Dankgebets unmittelbar vor dem ,,Pater noster". — Die in
der Anmerkung 4, S. 51 vorgeschlagene Korrektur des syr. Textes
ist unnötig; es liegt ein Zilat aus Jer. 2, 8 vor: „Die Hüter des
Gesetzes kannten ihn nicht". — Zu S. 45, Z. 5 v. o. und Anm. 2:
deT syr. Text hat ,,hauna", und die Stelle ist mit: „wie das Wort
vom Verstände" zu übersetzen. — Die S. 80 erwähnte Darstellung
der Polemik gegen Maximus Confessor geht nach der anonymen
Chronik (I, 204 u. 207) auf maronitische (monotheletische) Berichte
zurück, die durch die Vermittlung des Simon von Qeneschrin Quelle
für Dionysius wurden.

Münster, Westf. Ad. Hücker

Zilliacus, Henrik: Vierzehn Berliner griechische Papyri. Urkunden
u. Briefe, hrsg. und erkl. Helsingfors: Akad. Buchh. ; Leipzig
: Harrassowitz 1941. (112 S, 4 Taf.) gr. 8° = Societas scientia-
rum Fennica. Commcntationes liumanaruni littcrarum. 11,4.

RM 4.20; Fmk 70 — .

Diese kleine Auswahl legt Urkunden und Briefe auf
Papyrusblättern vom 2. Jh. v. Chr. bis ins 7. Jh. n. Chr.
vor, Stücke ohne Zusammenhang, wie sie dem Herausgeber
lohnend erschienen, als er bei einem Studienaufenthalt
in der Papyrusabteilung des Berliner Museums
arbeitete. Während die großen Papyrussaminlungen jetzt
mit Recht Wert darauf legen, ihre Schätze in Gruppen
nach der Zeit oder nach dem Inhalt geordnet zu veröffentlichen
, zeigt diese kleine Ausgabe das Gepräge
ihres Verfassers, und der Leiter der Berliner Sammlung,
Professor Kortenbeutel, hat wohl getan, eine solche Abweichung
vom Gesamtplane gut zu heißen, um die Mitarbeit
des ausländischen Gelehrten zu ermöglichen. —
Wenn auch für die Leser dieser Zeitschrift die Papyrustexte
aus christlicher Zeit anziehender sein mögen als
die älteren, will ich doch auch von diesen wenigstens
die wichtigsten anführen.

Weitaus am merkwürdigsten ist der amtliche Schriftwechsel
, der das Heft eröffnet und auf zwei Tafeln mit
seiner schönen Kanzleischrift anschaulieh gemacht wird.
Freilich sind es nur Bruchstücke, aber sie geben doch
einen Zusammenhang: unter König Ptolemaios Philome-
tor wird gegen Mitte des 2. Jh. v. Chr. am Ausgange des
Fajüm an einer Festung gebaut. Der Arsinoe-Gau, heute
unter dem Namen Fajüm als Papyrusfundstätte bekannt,
war damals nicht nur eine der reichsten Provinzen
Ägyptens, sondern auch militärisch besonders wichtig,
weil hier vor allem die Kleruchen und Katöken saßen,
Krieger auf königlichen Lehngütern. Mit Grund rückt
Z. diesen Bau in Zusammenhang mit dem Angriffe, den
der Seleukide Antiochos IV. Epiphanes, makkabäischen
Angedenkens, gegen das Nachbarreich der Ptolemäer gerichtet
hatte. Davon erzählen diese etwas jüngeren
Schriftstücke nicht, vielmehr berichten sie vom Bau
selbst: die Thore sollen aus heimischem Material gefertigt
werden, und vor allem sollen diejenigen, die auf dem
Gelände der Festung Grundstücke hatten und enteignet
werden mußten, angemessen entschädigt, jene Grundstücke
aber wiederum durch Versteigerung für die Baukosten
nutzbar gemacht werden. In dies Getriebe sieht
man mitten hinein, auch in allerlei Nachlässigkeit, Streit
und Zweifel der Beauftragten.

Mehrere Urkunden führen in frühbyzantinische Zeit.
Nr. 4, aus dem Protokoll einer gerichtlichen Verhandlung
vor dem Praeses Thebaidis, dem kaiserlichen Statthalter
Oberägyptens, belegt von Neuem für das 4. Inden
bekannten Vorstoß der lateinischen Sprache in den
griechisch-orientalischen Osten des Römischen Reichs:
die Aussagen der Parteien, ja sogar die Aussprüche des
richtenden Praeses sind griechisch, der Rahmen des Proto-