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Ausgabe:

1942

Spalte:

95-96

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Günther, Ernst

Titel/Untertitel:

Martys 1942

Rezensent:

Dornseiff, Franz

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Seite 1

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9fi

W. begründet seine Auffassung aus dem Texte, indessen
oli le Auseinandersetzung mit anderen. Jesus ist ihm
ausgezeichnet durch Fähigkeit und inneren Drang, durch
Suggestion Kranke zu heilen, eine natürliche Begabung,
die er für eine ihm von Gott verliehene Vollmacht hält.
Seine Erfolge führen ihn in Gegensatz zu den Pharisäern
, zum Judentum überhaupt, zur Erneuerung des
ethischen Monotheismus, der Höchstentwicklung der israelitischen
Nationalreligion. Seine Reduktion des Gesetzes
auf Gottes- und Nächstenliebe nennt W. „eine
geniale Leistung" (39). Jesus endet am Kreuz im Bewußtsein
der Gottverlassenheit; er war bei dem Versuche
, der Darbringung blütiger Opfer im Tempel ein
Ende zu machen, in die Hände der Priesterschaft getanen
und von den Römern als Messias verurteilt.

Das Ganze ist geschrieben aus betontem historischen
Abstand, wenn auch mit starker Hochschätzung für die
Gesinnungsgröße und den menschlichen Einsatz Jesu sowie
für den ethischen Monotheismus der alten israelitischen
Religion im Gegensatze zum Judentum. Jesus ist
ihm der letzte und größte Heros der israelitischen Religion
. Es fehlt an Verständnis für Jesu Verkündigung
vom Himmelreich und der Buße, die zur „gedanklichen
Umstellung" (12) wird, vom Gericht und der Vergebung
Gottes, also für den Mittelpunkt seines Evangeliums, so
daß bei manchen Feinheiten im Einzelnen das Ganze unzulänglich
bleibt. Der rationale Pragmatismus der Geschichte
Jesu entschädigt dafür nicht. Der Versuch, Jesus
als Revolutionär zu verstehen, erweist wieder einmal
seine Undurchführbarkeit.

Rostock r. B D c hsc 1

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Günther, Pfarrer E.: MAPTYS, Die Geschichte eines Wortes.

Gütersloh: C. Bertelsmann 1941. (VII, 160 S.) gr. 8".

Dieses ausgezeichnete Buch behandelt, wie der Titel
besagt, die ganze Bedeutungsverzweigung des Wortes
fukffivq und seiner Ableitungen, also nicht nur die viel verhandelte
Frage, wie es zu erklären ist, daß der als Angeklagter
in einem Verfahren der römischen Behörden
wegen Religionsvergehen hingerichtete Christ mit dem
Ausdruck ,Zeuge' benannt worden ist. G. behält natürlich
diese Hauptfrage während des ganzen Buches im
Auge und entscheidet sich nach Durchmusterung der vielen
Vorschläge, die gemacht worden sind, für eine neue
Lösung.

Es ist schade, daß G. nichts von der Umkehrung der
Betrachtungsrichtung gehört hat, die darin besteht, bei
Wortforschungen von dem Bezeichnungswandel auszugehen
, statt von dem Bedeutungswandel, der nur die
Kehrseite zu diesem bildet. G. redet von der „schöpferischen
Kraft des Bedeutungswandels". Die gibt es nicht.
In keinem Wort steckt eine schöpferische Kraft, die dahin
treibt, seine eigene Bedeutung zu ändern. Auch kein
Mensch hat jemals die Bedeutung eines Wortes ändern
wollen. Vielmehr: der sprechende Mensch ist schöpferisch
in seiner Wortwahl. Er will etwas Bestimmtes
sagen, besonders sagen, und deshalb ändert sich die
Sprache, findet fortgesetzt ein Synonymenschub statt. '
Man kann und muß also gewiß fragen: wann ist die neue
Bedeutung da? Aber wenn das Warum schwierig ist, so
ist die. einzig saubere und erfolgversprechende Frage- j
Stellung die onomastische, in unserem Falle: wie kommt
ein Mensch dazu, der den Begriff Eingerichteter in
einein Religionsprozeß' bezeichnen will, dazu, dafür |
Zeuge zu sagen? Die Antwort lautet: es ist einer der
vie'en Fälle, in denen der Begriff ,getötet werden'
euphemistisch umschrieben wird, vgl. deutsch etwa bleiben
, fallen. Der Ausdruck |idptw; sieht ferner so aus, als j
spiele er auf irgendeinen Zusammenhang zitierend an.
G. durchmustert also von neuem die Verwendungen von '
jirtoTi';. Von dem einfachen Wortsinn in der griechischen

Allgemeinsprache ,Aussager über etwas, was er mitgesehen
hat' weicht ab

1. die kynisch-stoische Diatribe, für uns Epiktet, der
ähnlich, wie er den Philosophen einen Soldaten Gottes
nennt, ihn einen Zeugen Gottes nennt, der ihm das gerechte
Walten bezeugt, selbst wenn der Tod droht;

2. vom atl. Propheten heißt es mitunter, daß sein
Mitteilen der göttlichen Offenbarung und seine sich
daran schließende Mahnung ein Bezeugen ist. Diese
Verwendung des Wortes setzt sich fort in der Johannesoffenbarung
und den johanneischen Schriften. In diesem
Sinn wird auch Jesus selbst unpxvs genannt. Die lichtvollen
Ausführungen über die einschlägigen ntl. Stellen
sind das Glanzstück des Buches, denn eine Anzahl derselben
wird zum erstenmale verstanden, und es wird
völlig klar, daß w.qtv<; in der Bibel noch nie ,Märtyrer'
bedeutet;

3. bei Deuterojesaja sagt Gott: die andern Götter
haben andere Völker, die ihnen ihre Leistungen als Zeugen
bestätigen, meine Zeugen seid ihr; also Zeuge ist
jeder sich zu Gott bekennende Gläubige. Auf diese Stelle
weist der Kirchenvater Origenes (S. 45) ausdrücklich
als auf den Ursprung des Wortsinnes ,Märtyrer' hin;
sehr ähnlich übrigens auch schon Dt. 31,16. 26. Dieser
Verwendung 3 steht die Verwendung 1 merkwürdig
nahe.

Damit fiüoruc der Märtyrertitel werden konnte, was
zuerst im Polykarpmartyrium belegt ist, mußte als selbstverständlich
auf die Tatsache angespielt werden können,
daß es dem rückhaltlosen Aussager das Leben kostet.
G. entscheidet sich für Verwendung 2 und bemüht sich,
die Schwierigkeit wegzuräumen, daß dabei der iidotui; ein
übeiweltlich Abgesandter ist. Ich finde, die Ableitung
von 3 bleibt ebenso möglich.

Der hübsche Fall eines angeblich gleichen sprachlichen
Vorgangs, mit dem H. Delehaye die Gemüter beruhigen
wollte (S. 152), würde onomasiologisch, nicht
semasiologisch formuliert lauten: wie kamen die Engländer
1917 dazu, das neue Artefakt ,Panzerwagen' tank

,Ölbehälter') zu nennen? Antwort: weil die wenigen
über die neue Geheimwaffe Eingeweihten neugierigen
Fragern diese ablenkende Antwort gaben. Der Fall
liegt also nicht ganz parallel. — Das Buch kann als die
zusammenfassende Monographie bezeichnet werden, die
jeder zu Rate ziehen muß.

Oreifswald Franz Dornseif t

Abramowski, Rudolf: Dionysius von Tellmahre. Jakobiti-

scher Patriarch von 818—845. Zur Geschichte der Kirche unter
dem Islam. Leipzig: F. A. Brockhaus i. Komm. 1040. (VIII, 142 S.,
1 Tafela'hh.) gr. 8" ■» Ahhaiullgn. f. d. Kunde d. Morgenlandes
XXV, 2. RM 7—.

Diese der Herderhochschule in Riga gewidmete Arbeit
hat sich das dankbare Ziel gesetzt, das Werk eines
sehr beachtenswerten syrisch-monophysitischen Kirchen-
füisten und Geschichtsschreibers zu untersuchen und zu
charakterisieren. Was man freilich früher, Assemani folgend
, unserm Dionysius zuschrieb, war, wie Nöldeke,
Nau und Haase gezeigt haben, nur die minder bedeutende
Chronik des Klosters Zuqnln; erst nach der Veröffentlichung
der Chronik Michaels des Großen und der
anonymen vom Jahre 1234 ist es möglich geworden, das
Werk des D., das als selbständiges Ganzes verloren ist,
einigermaßen zu rekonstruieren. So befaßt sich denn A.
nach einer allgemeinen Einführung zuerst mit der Überlieferung
und dem Bestand des Geschichtswerkes; außer
der Chronographie des Elias von Nisibis (•)• 1049) haben
vor allem die obengenannten Chroniken und die Wclt-
und Kirchengeschichte des Barhebraeus (f 1286) aus D.
geschöpft und auf weite Strecken z. T. wörtliche Auszüge,
bisweilen sogar unter Nennung der Quelle gebracht.
Michael (fH99) benützte in Buch X, 20—XII, 21 das
von ihm sehr gerühmte Werk des D. fast ausschließlich
und hat uns auch dessen Einleitung und Schluß wörtlich