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Ausgabe:

1942

Spalte:

91-94

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Grundmann, Walter

Titel/Untertitel:

Jesus der Galiläer und das Judentum 1942

Rezensent:

Büchsel, Friedrich

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91 Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 3/4 92

Richtlinien an die Hand gibt, ihm zeigt, wie er sich im seine Abstammung. H. nennt das A.T. „den ihm (Jesu)

allgemeinen und im besonderen zu verhalten hat. Die durch Gott gefügten geschichtlichen Boden seiner Sen-

ethisch-religiöse Literatur des Islam hat in diesem Werk dung'' und stellt das in Gegensatz zu „jeder Anerken-

ohne Zweifel ihren Höhepunkt erreicht. nung des A.T. als verbindlicher Gottesoffenbarung" (an-

H. Wehr macht uns in der vorliegenden Arbeit mit einem beson- geführt von G. 144). Der Jesu durch Gott gefügte ge-

ders interessanten Kapitel aus dem Ihyä' bekannt. Gazzali geht darin schichtliche Boden seiner Sendung ist auch die römische
vom „Einheitsbewußtsein" (tauhid) aus, d. h. von der Erkenntnis, Herrschaft in Jerusalem und das Königtum des Herodes
dal! es bei allem Sein und Geschehen nur einen Urheber, nämlich j„ Galiläa; bedeutet das A.T. Jesu wirklich nicht mehr''J
Gott, gibt, und leitet daraus jene gefühlsmäßige Haltung ab, die die Gefragt nacn dem Wege zum ewigen Leben verweist
Grundlage zum praktischen Gottvertrauen büdet. Das Gottvertrauen Jesus-auf dje 10 Qebüte des A[ g j d jh d M „.
(tawakku) ist dann das eigentliche Thema des Kapitels. Alle mog- ' . . „ , , > " ' " V
liehen Fälle von Gottvertrauen werden im einzelnen durchgesprochen *tab' a" dem, den Menschen mißt Prophetenworte
und gegeneinander abgewogen. Gazzali unterscheidet dabei dem Wert des A-1 • s'nd ihm Hinweis auf das, was mit ihm Selbst
nach höhere und niedere stufen. Aber er legt seinen Lesern nicht geschehn muß. So zeichnet ihn unsere älteste und beste
etwa nahe, sie müßten die Stufenleiter bis zur obersten Sprosse erstei- Uberlieferung. Das A.T. enthält ihm wirklich Gottes ver-
gen. Im Gegenteil. Er macht immer wieder darauf aufmerksam, daß bindliche Offenbarung, gewiß nicht die letzte und llöch-
die höchste Stufe des Gottvertrauens nur ganz wenigen, besonders be- ste. G. Sagt mit Recht, daß JeSUS das A.T. VOtl seinem
gnadeten Menschen vorbehalten ist (Sogar in den früheren, besseren üottesverhältnis her benutzt Und beurteilt (144) Aber
Zeiten hat unter 100 Menschen nur e i n e r den Rang eines „nahe rf Q w rf j y fc ■ { ■ { fa zugleich der, der
Vertrauten" erlangt. S. 70 der Übersetzung). Hir die normalen . , , ' , et u -l u ±j 5 w/ii
Sterblichen kommt es darauf an, jeweils ein relativ beschränktes, aber I »«* durch das A.T. offenbart hat, dessen Willen man
für sie richtiges Maß von Qottvertrauen zu erfüllen. Ausschlaggebend , a"s dem A.T. kennenlernen kann und soll. Vermöge seiist
, daß die der Erhaltung des Lebens dienenden Mittel, die man in nes Geistbesitzes hat JeSUS eine Kenntnis Gottes, die die

Anspruch nimmt, nicht als letzte Ursache, sondern als Ausfluß der at. an Vollständigkeit und Tiefe überragt, aber das: „es
göttlichen Allmacht gewertet werden. Die Einzelfälle, die zur Dis- steht geschrieben" hat auch für ihn tragende und ver-
kussion stehen, sind durchweg aus dem praktischen Leben genommen: pflichtende Bedeutung. Das Verständnis von Gesetz und
Sorge des Familienvaters für seine Angehörigen; Anwendung von Propheten, das Jesus bei den Schriftgelehrten vorfindet
Heilmitteln; Schutz gegen ansteckende Krankheiten usw. verurteilt er weithin als Menschenlehre, die Gottes Ge-
Die Übersetzung, die Wehr gibt (S. 1-104), ist phi- bot aufhebt Mk. 7, 6. Aber er benützt grade das A.T
lologisch stichhaltig und dabei gut lesbar. Die Anmer- jsj. 29,13, um diese Menschenlehre in ihrer Verderbklingen
(S. 105—17) bringen Varianten zum Text, Ven- ijchkeit aufzudecken! Grundsätzlich war Jesus mit den
fizierungen von Koranzitaten und sonstige sachliche Hin- Schriftgelehrten, mit allen rechten Juden, darin eini<r,
weise. Besonderen Dank schulden wir Wehr für die Ein- daß die Liebe zu Qottj die de„ Menschen restlos in den
leitung (S. VII-XXV). Sie bietet einen guten geschieht- Dienst Gottes stellt, dies oberste Pflicht sei. Aber wäh-
lichen Überblick über das Problem des mystischen Gott- rend jesuSj dies rücksichtslos ernst nehmend, in seiner
Vertrauens (tawakkul) und im Anschluß daran eine knap- Liebe Gott gegenüber zugleich völlig gehorsam und frei
pe Charakterisierung des Beitrags, den Gazzali dazu ge- ist> sind jene mit ihren Herzen doch fern von Gott
liefert hat. Mk. 7, 6, so daß sie sich in Heuchelei verstricken und mit
Bonn R. Parel ihrer Gesetzlichkeit in der Erfüllung der Gebote der

Schrift die eigentliche Forderung Gottes doch nicht erfüllen
. Im Kampf gegen die menschliche Sünde ist

NEUEIS TESTAMENT j Jesus soweit gegangen, auch von at. üesetzesbestim-

mungen zu urteilen: sie entstammen der Rücksicht des

Grundmann, Prof. Di. Walter: Jesus der Gallläer und das Moses auf die menschliche Herzenshärtigkeit Mk. 10, 5.

Judentum. Leipzig: Georg Wiegand 1940. (VIII, 246 SJ 8°. Seine Kritik macht vor dem Inhalt des A.T. nicht halt.

RM 3.80; geb. RM 4.60. 1 Aber daß ein Mensch je mehr leisten könne als die Liebe
Ders.: Wer ist Jesus von Nazareth? Weimar: Verlag Deutsche j zu Gott und dem Nächsten, die ihm den eigentlichen
Christen 1940. (72 S.) 8°. , Inhalt des gesamten at. Gesetzes ausmacht, hat Jesus
Das größere Buch behandelt: Jesus und die jüdische nie zugegeben, noch weniger, daß jemand an der UnReligion
, der geschichtliche Ort des Auftretens J., die Vollkommenheit der at. Offenbarung eine Entschuldigung
Eigenart J., die Auseinandersetzung J. mit dem Juden- seiner Sünde habe. Entsprechend ist Jesu Haltung ge-
tum, das Problem der völkischen Zugehörigkeit Jesu; ein ; genüber dem Tempel. Daß die Tempelreinigung als
Anhang bespricht Mt. 11,25—30 und Joh. 4, 22 b. G. „eine bestimmte Absage" an den Tempeldienst gemeint
kennzeichnet das Buch selbst: „auf ernster, Wissenschaft- ! war, hat G. (28) nicht entfernt begründet. Sie hat im
licher Arbeit aufgebaut, in Anlage und Ausdruck jedoch I Gegenteil die Heiligkeit des Tempels zur Voraussetzung,
so gehalten, daß auch der religionswissenschaftlich nicht wendet sich nicht gegen diese, sondern gegen die Entarbeitende
Mensch folgen kann". Es bringt reichlich An- heiligung desselben. Entsprechend ist auch Israel für
führungen aus der jüdischen Traditionsliteratur, auch Jesus Gottes Volk. Jesus hat zwar auch Nicht-Juden sei-
solche aus dem jetzigen theologischen Schrifttum, doch ne Hilfe geschenkt, aber seine eigentliche Arbeit gilt
kaum Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Auf- ' den Juden; Heiden widmet er sich nur nebenbei. So nat
fassungen. Der Leser erhält keinen Eindruck davon, wie j das A.T. und seine Einrichtungen für Jesus wirklich
hart umkämpft grade an den für G. Beweisführung ent- , Offenbarungsbedeutung.

scheidenden Stellen jedes Schrittes Breite von dem Boden i Mit Recht betont G., daß Jesus nicht Reformer des

ist, auf dem er sich bewegt. | Judentums sein wollte, daß er in grundsätzlichem Wider-

Die zweite Schrift stellt Jesus in warmherziger Be- spruch gegen das System ist (32), aber er ist nur gegen

geisterung dar als den Boten des Reiches Gottes, den seine Menschenlehre, nicht gegen die Gottesoffenbarung,

Sohn des Vaters, den Überwinder der jüdischen Lebens- die hinter und über jener Menschenlehre steht. Er wollte

Ordnung, den Kreuzträger, den Galiläer, den Heiland der der Vollender dieser Gottesoffenbarung, der Erfüllet-

Deutschen. Ein Anhang bekämpft das Buch von F. der in ihr gegebenen Verheißung sein, d. h. der Messias.

Murawski, Jesus der Nazoräer, der König der Juden, : Das lehnt G. nun freilich vollständig ab. Daß Jesus als

und zeigt die Haltlosigkeit der Aufstellungen dieses in Messias gekreuzigt ist, erklärt er aus einer Verleumdung

der Geschichte Jesu dillettierenden Romanschriftstellers. ; der Juden (161 f.). Aber der Mk.-Bericht über die Ver-

G. selbst nennt diese Schrift eine „kleine volkstümliche" urteilung Jesu im Synedrion läßt sich nicht dadurch ent-

und verweist für die Begründung auf die größere. kräften, daß G. behauptet: so wie bei Mk. 14,61 kann

Für G. Verständnis vom Verhältnis Jesu zum Juden- der Hohepriester nicht fragen, da der Messias nach jüdi-

tum sind von wesentlicher Bedeutung zwei Gedanken j scher Dogmatik nicht als Gottes Sohn gilt (160). Denn

von E, Hirsch über Jesu Verhältnis zum A.T. und über in Ps. 2, dessen v. 9 schon ps. Sal. 17, 23 auf den Mes-