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Ausgabe:

1942

Spalte:

52-53

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Kirchliche Verkündigung unter Frauen und Müttern ; Predigten, Ansprachen

Titel/Untertitel:

Vorträge und Andachten 1942

Rezensent:

Langner, Erwin

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Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 1/2

52

Neuen Testament zurückbleibt. Der Mangel im altpro-
•testantischen Lehrzeugnis wird darin gesehen, daß der
Offenbarungscharakter der Kirche im Sinn einer lebendigen
Fortsetzung der Inkarnation nicht genügend erkannt
ist, was dann auch die unbiblische Scheidung von
sichtbarer und unsichtbarer Kirche begünstigt haben mag.
Was unter dem Offenbarungscharakter der Kirche im
einzelnen zu verstehen ist, das entfaltet Asmussen in den
folgenden Kapiteln in reicher Materialsammlung aus der
Apostelgeschichte, aus dem Epheserbrief, aus den Abschiedsreden
und aus 1. Kor. Kap. 10—12. Aus dieser
Befragung ergibt sich: Die Offenbarung Gottes ist mit
dem Osterereignis nicht beendet. Pfingsten ist nicht Abschluß
, sondern Anbruch der Machtwirkung Gottes. „Der
Fortgang Jesu bedeutet keinen Verlust für die Jünger,
weil er im Geist wiederkommt." Die Gemeinde darf das
Werk Christi in der Welt weiterführen und es ist ihre
Aufgabe, Christus auf Erden zu verklären. Überall, wo
die Christusoffenbarung sich in diesem Sinn lebendig
fortsetzt, schafft sie Gemeinschaft und zwar als sinnhart
sichtbare, feststellbare Größe. Das Leben der Gemeinde
wird anschaulich im Amt, im Charisma, in der Diakonie,
im Sendungswillen, im Anderssein gegenüber dem Nicht-
christen, der der Gestalt dieser Welt hörig bleibt.

Daß Asmussen gegen eine spiritualistische Verflüchtigung
des Kirchenbegriffs kämpft, ist verdienstvoll und
auch heute noch keineswegs überflüssig. Freilich wird
er über dem Kampf gegen diese Front zu stark ins andere
Extrem getrieben. Er erreicht nicht die Spannung
und Dialektik, die sich in Luthers Kirchenbegriff findet,
wo von der Rechtfertigung und der Theologie des Kreuzes
her beides zu seinem Recht kommt: der verborgene
und der offenbare Gott im Leben der Kirche, die ecclesia
als peccatrix und die ecclesia als communio sanctorum.
Daß die Kirche eine Sünderin ist, das zu wissen ist nicht
nur entsetzlich, es ist auch tröstlich, denn so allein ist
die Knechtsgestalt der Kirche auf ihrem geschichtlichen
Weg durch die Zeiten bis zur Endvollendung hin auszuhalten
. Der besondere Wert des Buches besteht in einer
großen Zahl von lebendigen Hinweisen auf die kirchliche
Lage der Gegenwart, denen man abspürt, daß sie aus
einem Herzen voll sorgender Liebe und Verantwortung
für die Zukunft der Kirche geschrieben sind. So erinnert
Asmussen die protestantische Theologie der Gegenwart
sehr nachdrücklich daran, daß wir von einem bloßen
Antikatholizismus nicht leben können, und er ermuntert
die Christen aller Konfessionen, in einer Zeit „der absoluten
Bestreitung des Christlichen", näher zusammen zu
rücken, ohne das Ringen in der Wahrheitsfrage deswegen
zu relativieren.

Tübingen Adolf K ö b e r 1 e

Gollwitzer, Helmut: „Wir dürfen hören ..." Predigten. München:
Chr. Kaiser 1939. (72 S.) 8° = Theol. Existenz heute, hrsg. v.
K. Q. Steck. H. 6ö. RM 1—.

Diesen 9 Predigten kann in mehr als einer Hinsicht
nachgerühmt werden, daß sie eine gründliche Textauslegung
und eine ernsthafte dogmatische Besinnung umsetzen
in die unmittelbare Anrede an den gegenwärtigen
Hörer und damit eine Grundaufgabe der christlichen
Predigt erfüllen. Der Leser — und wie viel mehr der
unmittelbare Hörer dieser Predigten! — wird angeleitet,
ja mit einer entschiedenen Energie genötigt, auch solche
Einzelziige der Texte zu beachten und Wesentliches aus
ihnen herauszulesen, die sich dem flüchtigen Blick entziehen
. Freilich bestätigt auch diese Art der Schriftauslegung
, daß eine ausgeprägte dogmatische Position, eine
entschiedene und einseitige Lehre überall in der Heiligen
Schrift die Beispiele und Belege dieser einen zentralen
Gewißheit sucht und findet. Wenn der Prediger, wie es
bei G. der Fall ist, mit der dialektischen Theologie die
Freude an der überspitzten Formulierung und am geistreichen
Paradox teilt, dann vermag er uns einige Grundgedanken
eindringlich und herzbewegend vor Augen zu
rücken — es ist kaum eine unter diesen 9 Predigten, die

| nicht irgend ein Bild, einen Gedanken, eine Wahrheit uns
1 in dieser Weise einsenken wollte und könnte —; aber
er macht wohl gar nicht den Versuch, die Fülle der
| biblischen Wahrheit zu entfalten, er zwingt nicht selten
j den komplexen Gehalt eines Textes in ein schmales Ge-
! leise, er vermeidet nicht die allegorische Ausdeutung von
{ Einzelzügen (in einer Predigt über Luk. 10, 23 ff.: hebe
j ihn (deinen Nächsten) auf dein Tier, das heißt: stelle
ihn in das Ansehen, daß du gern haben willst), und
scheut sich auch nicht gelegentlich eine Schriftstelle (wie
Jak. 5,16), die sich nicht leicht in den theologischen
Sprachgebrauch des Verfassers fügt, das Gegenteil ihres
klaren Wortsinnes sagen zu lassen. Schöne und wichtige
Gedanken wie die Freude als Kennzeichen der empfange-
j nen Vergebung (S. 43) oder das Überschreiten der Gren-
J zen, die zwischen uns Menschen bestehen (S. 54) tauchen
am Rande auf, aber können neben dem zentralen
Gedanken von der vergebenden Gnade keinen Raum zu
wirklicher Entfaltung gewinnen. Solche kleinen Schwächen
sind die kaum vermeidbare Kehrseite einer so
biblisch tiefen, entschiedenen und eindringlichen Verkündigung
, und können die ehrliche Dankbarkeit dafür, daß
hier wirklich Evangelium gepredigt wird, nicht
j schmälern. — Der lebendige Sprechstil und die schöne
bildhafte Sprache ist leider nicht ganz frei von einigen
| Modefehlern, so von dem häßlichen Gebrauch eines substantivierten
Infinitivs, den uns die Gewöhnung abstrakten
Denkens beschert hat.

Münster i. W. W. S t ä h 1 i n

Brandmeyer, Adolf: Kirchliche Verkündigung unter Frauen
und Müttern. Predigten, Ansprachen, Vorträge und Andachten hrsg.
Gütersloh: C. Bertelsmann 1940. (151 S.) gr. 8° = Für die geistliche
Rede. Unter Mitarbeit namhafter Männer der Wissensch, u.
Praxis. Hrsg. v. Erich Kolle. Bd. 6. RM 4.50; geb. RM ö—.

Der Herausgeber dieses Sammelbandes ist am 31. 3.
1941 mit 42 Jahren verstorben; so erfüllt diese Besprechung
zugleich die ernste Pflicht eines wissenschaftlichen
Nachrufes. A. Brandmeyer, früher Sozialpfarrer in Braunschweig
, war seit 1935 führend in der Evangelischen
Reichsfrauenhilfe tätig. Seine seelsorgerliche Vollmacht
ist am besten gekennzeichnet durch seine maßgebende
Mitarbeit in den beiden Zeitschriften: „Die Frauenhilfe"
und „Der Bote", sowie in den „Handreichungen", in
denen er den Ertrag zahlreicher Arbeitstagungen darbietet
. Die beiden Mappen: „Zum Erzählen biblischer Ge-
i schichten für jeden Sonntag des Kirchenjahres" und
„Blätter zur häuslichen Unterweisung" nehmen den Gedanken
Pestalozzis wieder ernst, die eigentliche religiöse
Unterweisung in die Familie zurückzuverlegen und der
I Mutter ans Herz zu geben. Darüber hinaus wird die
evangelische Frauenhilfe als selbstverständliche und notwendige
Lebensäußerung der Gemeinde verstanden, wodurch
sich auch die kirchliche Verkündigung verpflichtet
weiß. Ihre Anschaulichkeit liegt in dieser seelsorgerlichen
Glaubensbesinnung.

Sieben Predigten — vielleicht zu viel — haben ihren
festlichen Anlaß in besonderen Verbands- und Jahrestagungen
; andere behandeln allgemeine Glaubensanliegen
unter der besonderen Fragestellung der Frau: „Vom
j Reich Gottes", „Von der Hilfe Gottes", „Jesus ist Sieger
" . . .; am lebendigsten erfüllen die gestellte Aufgabe
die thematisch gefaßten Predigten, Andachten und
erbaulichen Vorträge, eine Fülle von seelsorgerlichen
Kräften gehen von ihnen aus: „Der Dienst der Frauen
im Lichte des Wortes Gottes" (v. Bodelschwingh), „Die
I evangelische Frau in der Kriegszeit", „Vor kranken
Frauen im Krankenhaus" (Gertrud Schäfer), „Das Lied
im evangelischen Haus" (Magdalene Vetter), „Das Kir-
j chenjahr im Haus" (Leonie v. Schierstaedt), „Die rechte
j Ehe" (Elisabeth van Randenborgh)... Beachtlich ist, daß
j A. Brandmeyer aus seiner reichen Arbeitserfahrung auch
I die Notwendigkeit einer evangelischen Gesprächsführung
betont: „Im Alltag der Frauenhilfe ist die entscheidende
j Arbeitsform das wechselseitige Gespräch". Freilich fehlt