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Ausgabe:

1942

Spalte:

47-49

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Christliche Glaubenslehre 1942

Rezensent:

Köberle, Adolf

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Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 1/2

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Untersuchung über das Sein hinaus. Von diesen offenen
Fragen aus wird die grundsätzliche Bedeutung des
christlichen Offenbarungsglaubens für das ontologische
Problem einsichtig. Erst im Anschluß an diesen ergibt
sich dann allerdings auch die theoretische und persönliche
Bereicherung eines inhaltlich bestimmten Glaubens,
in dem die Gnade und die Vergebung Gottes nicht mehr
als Gegenbegriff, sondern als die schlechthin tragende
Grundlage einer gläubigen Ontologie erscheint.

Weil im Ziel und in der Abwehr so viel Gemeinsamkeit
mit Kamiah besteht, ist zu hoffen, daß er die Negationen
im Antichristlichen und im Allgemein-Religiösen
überwindet und zu einer Anerkenntnis der deutschen
Gestalt des Evangeliums geführt werden wird.

Jena Heinz Erich Eisenhuth

Sp ö rri, Lic. theol. Theophil: Der Mensch und die frohe Botschaft.

Christliche Glaubenslehre I.Teil. Zürich: Christi. Vereinsbuchh.
11,3«. (331 S.) gr. 8°. RAI 7.20.

Der Verfasser ist beauftragter Dozent für systematische
Theologie am methodistischen Predigerseminar
in Frankfurt-Main. Das Buch ist gedacht als Anleitung
zum dogmatischen Studium für metnodistische Prediger,
es wird aber auch darüber hinaus seinen Leserkreis finden
, weil es klar aufgebaut, sprachlich gut geformt und
in der Fragestellung großzügig angelegt ist. Für das
Wesen des Methodismus ist kennzeichnend: er will die
Frohbotschaft vom Heil in Christus ailen Menschen nah
bringen und er ringt dementsprechend um die Rettung
jeder einzelnen Menschenseeie. Dieses uiiiversalisiiscne
und seelsorgeriich-missionarLche Anliegen wirkt sich
auch in der Arbeitsweise des methodistLchen Systemati-
kers aus. Er geht bewußt den induktiven Weg, er sucht
nach Ansatzpunkten für das Gespräch mit dem säkularen
Menschen der Gegenwart und möchte ihn bis an den Ort
drängen, wo die Frage nach Gott und Christus unvermeidbar
, unausweichbar wird. Darum trägt das erste
Kapitel die Überschrift: Das menschliche Dasein und
seine Rätselhaftigkeit (S. 13—75). Spörri will bewußt
voraussetzuugslos beginnen. Er bemüht sich um eine Art
Vorverständnis des mensch.ichen Daseins, wohl wissend,
daß sich unser Dasein im Licht der Gjttesoffenbarung
in ganz anderer Deutlichkeit darstellen wird. Auch der
Mensch, der keine Gottesbeziehung kennt und sucht, erfährt
die Wirklichkeit, in die wir ausnahmslos hineinver-
haftet sind, als Vergänglichkeit, als SchicksaLsetzung, als
Erdgebundenheit, als Verpflichtung handeln zu müssen,
als Gestelltsein in die Ich-Du-Beziehung. Der Mensch
ist beides zugleich, Natur und Geist, Es und Ich, objekthaft
unterworfen und subjekthaft geprägt in der Erfahrung
von Norm, Wert und Gemeinsciiaftsbewußtsein, bestimmt
durch Lebenstrieb und Todv'erfallenheit. Diese
unaufhebbare Zwiespältigkeit unserer Existenz macht das
menschliche Dasein rätselhaft, fragwürdig, ungesichert
und unbefriedigt. Vitalismus und Idealismus sind Fluchtversuche
, diese Zwiespältigkeit zu Gunsten einer ein-
linigen Lebensform aufzulösen. Sie werden aber niemals
wirklich gelingen, weil die polare Gestaltung unseres
Wesens sich immer als stärker erweist. Bei dein Ringen
um eine rettende Antwort auf die menschliche Daseinsfrage
bieten sich die Religionen als Hilfe an. Sie alle
haben ein Recht gehört und geprüft zu werden. Diese
Aufgabe wird im zweiten Kapitel vollzogen (Die Religionen
: o. 76—124). Dabei wird zunächst rein phänomenologisch
vorgegangen. Wir bekommen die verschiedenen
Religioristypen gezeigt, einstweilen noch jenseits aller
Beleuchtung vom Evangelium her. Immerhin macht bereits
diese referierende Schilderung deutlich, daß zwischen
den Religionen gewaltige Gegensätze klaffen. So
ist z. B. für die Gesetzesreligionen das "strenge Gegenüber
von Gott und Mensch unaufhebbar und unaufgeb-
bar, während für die mystischen Erlösungsreligionen des
Ostens das Hochziel gerade in der Überwindung dieses
Gegenüber von Gott und Mensch, von Ich und Du besteht
. Kapitel drei und vier (S. 125—191) zeigen das

l Wesen des Alten und Neuen Testaments auf dem Hintergrund
der allgemeinen Religionsbetrachtung. Gemeinsa-
j mes Grundgut der biblischen Verkündigung ist das Zeugnis
von der personhaften göttlichen Willensmacht, der
wir gegenüber stehen und von der wir abhängig sind.
! Wahrheitserfahrung gibt es darum niemals als Erlebnis
j der Identität, sondern immer nur als „Begegnung". Der
Inhalt der Heilsbotschaft ist die gnädige und schöpferische
Zuwendung, die Gott in Jesus Christus uns Menschen
erweist. Die Gottesliebe als gelebte Gemeinschaft
bedeutet Krisis und Erfüllung für alle Verschmelzungsreligionen
. Die Gottesliebe, die in unser Herz geschrieben
wird, bedeutet Aufhebung und Befreiung aus aller
Gesetzesreligion. Spörri legt großen Wert darauf, daß
vom Evangelium her nicht nur die Fremdreligionen gerichtet
und gedeutet werden. Es muß vom Evangelium
aus auch zu einer „Selbstkritik des Christentums als Religion
" kommen. Denn das Christentum ist als geschichtliche
Erscheinung selbst eine Religion und nicht
weniger als andere Religionen bedroht vom Hereinragen
der Magie, der Gesetzlichkeit und der Vergottutigs-
mystik. Auch die Konfessionen müssen sich ständig reinigen
von Selbstgefälligkeit und synkretistischer Überfremdung
durch immer neue Bereitschaft, ihre Verkündigung
am Wort Gottes zu überprüfen.

In einem Schlulikapitcl (Glaubenslehre wozu?
S. 192—281) wird der Leser in einer sehr geschickt gewählten
Form in die Hauptfragen der dogmatischen
Prinzipienlehre eingeführt. Spörri verlangt von einer
christlichen Dogmaiik die lehrhafte Bezeugung der christlichen
Wahrheit auf Grund persönlich erfahrener Heils-
vergewisserung. Das Evangelium muß soteriologisch dargeboten
werden, jenseits von theoretischem Intellektualismus
und bloßem Psychologismus. Es muß deutlich werden
, daß in Christus die Offenbarungsfrage, die Schuldfrage
und die Machtfrage ihre Lösung für die Menschheit
gefunden haben. Die Ausführung dieser drei Linien
wird für einen zweiten Band in Aussicht gestellt. Vor
allem weiß Spörri — und das hat er wohl bei seinem
Lehrer Karl Heim gelernt — daß theologische Arbeit
in dieser mit Gott in Widerspruch geratenen Welt den
Mut zum Paradox haben muß. Es gibt Antinomien, die
wir unaufgelöst stehen lassen müssen. Solche Spannungen
sind: Gottes Alleinwirksamkeit und des Menschen
Verantwortung, Gottes Ailherrschaft und die Tatsache
sündiger Empörung, doppelter Ausgang im Endgericht
und Erwartung eines restlosen Endsieges Gottes. Nichts
ist leichter als hier von einem Chaos seltsamer Widersprüche
zu reden, wie das seit D. Fr. Strauß im Namen
der Logik wieder und wieder geschehen ist. In Wahrheit
aber gilt es einzusehen, daß wir, die wir mit Gott
auseinander sind, nicht mehr über Gottes Wahrheit verfügen
, daß wir darum zwei Worte, zwei Sätze brauchen,
um das Ganze der Wahrheit ins Blickfeld zu bekommen.

Der Schlußparagraph (Wesen und dogmatische Haltung
des Methodismus) kommt auf den konfessionellen
! Charakter der Glaubenslehre zu sprechen. Was der Ver-
! fasser hier zur Morphologie seiner Heimatkirche bietet,
ist überaus wertvoll, gerade auch für Leser, die dort
nicht ihren religiösen Wurzelgrund haben. Der Methodismus
gehört durch das altkirchliche Taufbekenntnis,
! durch die Anerkennung der Heiligen Schrift als grund-
| legende und ausschließliche Norm des christlichen Glau-
; bens und Lebens hinein in die ökumenische Gesamtheit
i der Kirche Christi. Seine Eigenart liegt in der schroffen
j Verwerfung der calvinistischen Prädestinationslehre, im
j Universalismus des Gnadenangebots und in der Umgestaltung
des Lebens durch Gottes Geistwirkung. „Das
simul justus et peccator darf nicht verstanden werden
| als Zwang zu unabänderlichem Bleiben in der Sünde,
| sondern als Motiv zu unausgesetzter Bewegung von der
Sünde zum Gehorsam hin." Die methodistische Lehre
j von der christlichen Vollkommenheit meint nach der Interpretation
von Spörri nicht moralische Unfehlbarkeit.
I Es geht dabei um die geschenkweise Erfahrung der