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Ausgabe:

1942

Spalte:

39-40

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Adam, Karl

Titel/Untertitel:

Das Wesen des Katholizismus 1942

Rezensent:

Bornkamm, Heinrich

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 1/2

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örtliches Amt scharf unterscheiden). Nur werden in kirchlichen Kämpfen
aus solcher Auffassung vom Amt leicht donatistische Folgerungen
gezogen werden. J. meint, katholische und evangelische Ansicht
vom Amt schließlich vereinbaren zu können, indem er den Gnadencha-
rakler des Amts oder des geistlichen Standes betont. Und daß nicht
alle Mitglieder der äußeren Kirche zur wahren Kirche gehören, rechte
Ootteskiader sind, darin stimmen Katholiken und wir überein; wenn
J. aber die wahre Kirche nur innerhalb der sichtbaren sucht, sie
ganz an Wort und Sakrament bindet, so werden dem nicht nur manche
Protestanten widersprechen, z. B. im Blick auf die Quäker, sondern
es gibt auch bei einzelnen Katholiken, sogar in päpstlichen Kundgebungen
, Worte, die Gottes Reich nicht so gebunden wissen wollen.

Überhaupt tritt, bei allem Eingehen auf Fragen der
Gegenwart, doch oft hervor, wie sehr J. Biblizist ist und
am überlieferten Dogma festhält. Zwar bedauert er (mit
Recht), daß die Augustana nicht ausdrücklich sage, was
wir Evangelischen unter Glaube verstehen, und ihm
schwebt ein neues Bekenntnis vor, das von des Menschen
Not ausgeht, vom Heil in Christus und der Bibel
als seiner Urkunde und zuletzt von der Kirche spricht,
und dem gegenüber die reformatorischen Sonderbekenntnisse
zurücktreten. Aber die altkirchlichen sollen bleiben,
auch das Athanasianum. Man sieht: bei J. verbindet sich
mit nationalkirchlichen Zielen eine sehr konservativ-dogmatische
Denkweise. Das ist originell, aber ob diese
Verbindung werbekräftig ist?

Die Schreibweise sollte bisweilen flüssiger sein, vgl. S. 207:
„Aber was ist es nun, was sich von der von dem den Gläubigen einwohnenden
Geiste aus wesenhaft zu erfassenden Kirche her über das
Amt der Kirche sagen läßt?" S. 229: ,,Die Schlüsselgewalt bezieht
sich auf das Himmelreich, d. h. auf das der Gemeinde anvertraute
und in ihr sich darbietende himmlische Lebenssystem". S. 210, Z. 13
1. Jesberger, 43 Z. 10 v.u. st. efficatio 1. efficacia, S. 11 ist der englische
Buchtitel an mehreren Stellen verstümmelt, 259 Z. 6 v. u. ist
„mehr" zu streichen.

Niederbobritzsch H. Mulert

Adam, Karl: Das Wesen des Katholizismus. 9. Aufl. Düeseldoif
Moseila-Verlag 1940. (279 S.) gr. 8°. geb. RM 6.80

Daß Adams Buch mit dieser Auflage das 40. Tausend
erreicht hat und außerdem in 9 fremde Sprachen übersetzt
worden ist, zeigt deutlich genug, welchem Bedürfnis
innerhalb der katholischen Literatur es entsprach und
wie es dieses Bedürfnis erfüllt hat. Es ist seit seinem
ersten Erscheinen 1924 so bekannt geworden und auch
in der gegenwärtigen Gestalt nur so minimal verändert,
daß es sich erübrigt, es heute noch einmal vorzustellen.
Trotzdem ist es nicht ohne Reiz, die Bekanntschaft mit
ihm zu erneuern. Es übt als repräsentative, modernen
Fragestellungen offene und versöhnliche katholische
Selbstdarstellung noch immer seine Anziehungskraft, am
stärksten dadurch, daß es das fromme Leben der katholischen
Gläubigen mit besonderer Wärme zu schildern
versteht. Dabei weicht es theologischen Fragen nicht
aus. Im Gegenteil, man ist überrascht, in welchem Maße
scholastisch-dogmatische Begriffe und Distinktionen dem
Leser an einigen Stellen (z.B. S. 37. 72. 158 f.) zugemutet
werden, was der Verwendbarkeit für nichtkatholische
Leser, so weit sie nicht theologisch vorgebildet sind,
zweifellos nicht dient. Aber dadurch wird es in vielen
Partien ein erster, lebendiger Abriß wesentlicher Stücke
der katholischen Dogmatik, der in den späteren Auflagen
auch durch ein gutes Register erschlossen ist, und
kann darum auch für die interkonfessionellen theologischen
Erörterungen nützlich sein. Allerdings wenn man
es von dieser heute stärker und ernster gewordenen Auseinandersetzung
aus ansieht, so spürt man zugleich, daß
es schon eine Stufe weiter zurückliegt. Es bleibt in der
geschickten Mischung aller möglichen Stilmittel, der
manchmal fast blumenreichen Rhetorik und der Unbedenklichkeit
in der Wahl mancher Argumente doch zuletzt
das Buch des gewandten Apologeten. Um nur ein
Beispiel zu geben, ein Satz wie dieser: „Mit dem Mittelalter
hörten denn auch die Ketzerverfolgungen allgemach
auf" (S. 205), bagatellisiert die Gravamiua der protestantischen
(oder auch der allgemein-politischen) Geschichts-

I betrachtung gegenüber der Gegenreformation derart, daß
ein kritischer Leser zu einer solchen Darstellung kein
sonderliches Vertrauen gewinnt. Ähnliches findet sich

i öfter, z. B. bei dem hohen Liede von der Gewissensfreiheit
in der katholischen Kirche (S. 232 ff.), wobei hier
wie später (S. 257 ff.) die Gewissensforderung an den
Theologen, sein Urteil dem der Kirche zu unterwerfen,
kaum berührt wird, oder bei mancher entstellenden Beschreibung
der protestantischen Auifassung (z. B. S. 130).
Umgekehrt treten angesichts dieser apologetischen Tendenz
, die sich in ausdrücklicher Polemik vor allem gegen
Heiler richtet, natürlich Schwächen der Beweisführung
besonders stark hervor. Man kann z. B. den rein
postulatorischen Charakter der Argumente für den Primat
Petri (S. 111 ff.) oder in rhetorischer Steigerung
für das Fegefeuer (S. 123 ff., wobei die Möglichkeit, daß
es sich um ein wirkliches Feuer handelt, offen bleibt
S. 125), hier mit besonderer Deutlichkeit studieren.

Aus der Fülle von Formulierungen, die Aufmerksamkeit
verdienen, hebe ich nur noch einige hervor. Wenn
Adam erklärt, daß der Ablaß heute „mehr als je zu
einem wertvollen Mittel der Seelsorge geworden" sei
(S. 145), so lenkt das den Blick auf einen Tatbestand,
der gerade in dem heutigen Gespräch, in dem man mit
Recht Wesentliches und Unwesentliches zu scheiden
sucht, stärkere Beachtung verdient, als er gewöhnlich
findet. Denn die vollständige Durchsetzung des katholischer
, Gebetslebens mit dem Ablaßgedanken, von der
jetzt auch das amtliche Ablaßbuch einen Eindruck gibt,
stellt ja die Frage, ob nicht trotz der Überwindung des
Geldablasses und seiner Auswüchse die Zerstörung des
Evangeliums durch den Ablaß eher größer geworden ist
als in der Reformationszeit. — Der von Adam formulierte
Hauptsatz der katholischen Sakramentslehre: „Nicht
dadurch kommt ein Sakrament zustande, daß man daran
glaubt, sondern dadurch, daß man es vollzieht" (S. 221),
ist, wie schon Thieme (Die Augsburger Konfession und
Luthers Katechismen auf theol. Gegenwartswerte untersucht
, 1930, S. 92-') bemerkt hat, eine Umdrehung eines
Satzes aus Luthers De capt. bab. (WA 6; 533,12). Indem
Adam dadurch implizit den Gegensatz schart herausarbeitet
, verfällt er nicht in den Fehler von Lortz,
von Luthers Sakramentsrealismus eine Verbindung zur
ex opere operato-Lehre zu suchen. Daß diese Lehre
Adam als besonders starker Ausdruck für die Unbedingt-
heit und Objektivität der Gnade im katholischen Dogma
gilt, mag hier als die übliche katholische Deutung außerhalb
der Erörterung bleiben. — Gegenüber der aktiven
Unfehlbarkeit des Papstes wird die „passive Unfehlbarkeit
der Gläubigen" stärker als gewöhnlich betont
(S. 159).

Der Fehler in der Übersetzung von Matth. 26,13:
„Überall in der Welt wird das Evangelium verkündigt
werden, und überall wird man ihrer Liebestat gedenken"
(S. 94) hat sich merkwürdigerweise durch alle Auflagen
gehalten.

Leipzig Heinrich Born ka m m

Baron, 1'.: Un theologien laYc orthodoxe russe au 19e siecle:
Alexis Stepanovitch Khoniiakov (1804—1860). Son ecclesiologie-
expose et critique. Rom: Pont. Inst, oriental. stud. 1940. (293 S.)
gr. 8Ü ------- Orientalia Christiana Aualecta. 127. L. 60—.

Das päpstliche orientalische Institut in Rom gibt die
Zeitschrift Orientalia Christiana Periodica und daneben
auch eine Reihe besonderer größerer Studienhefte Orien-
i talia Christiana Analecta heraus. Als einen der neuesten
Bände dieser Studien zum Verständnis der Ostkirche
t legt Pierre Baron seine Arbeit über den russischen Reli-
; gionsphilosophen Chomiakow (geb. 13. 5. 1804 zu Mos-
j kau, gest. 15.10.1860 im Gouvernement Rjasan) vor.

Mit Iwan Kirjewskij und Alexej Chomiakow wird die
! russische Religionsphilosophie im eigentlichen Sinne erst
; geboren. Ohne Chomiakow sind dann für die spätere
I Zeit auch Wladimir Solowjew (1853—1903), Bulgakow
I und Berdiajew nicht denkbar. Das bleibende Verdienst