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Ausgabe:

1942

Spalte:

361-362

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Zirenner, Lorenz

Titel/Untertitel:

Die soziale Predigt bei P.H.D. Lacordaire O. P. und W. E. Freiherr von Ketteler 1942

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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86J

Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 12

362

Damit gewinnt der katholische Religionsunterricht
in höherein Maße den Charakter als Lehre, die auf
•dem Grunde des kirchlichen Glaubens und Handelns
aufbaut, während der evangelische Religionsunterricht
stärker den Charakter missionarischer Verkündigung
trägt.

Trotzdem wird auch der evangelische Leser manche
wertvolle Hilfe zur Selbstbesinnung und zum praktischen
Handeln aus der kleinen Schrift entnehmen können, die
•den lebhaften Wunsch weckt, daß in der evangelischen
Kirche ähnliche, für den Laien brauchbare Hilfen zur
religiösen Unterweisung (auch der häuslichen) gegeben
Averden.

Kiel, z. Zt. b. d. Wehrmacht O. Bohne

Z i r e n n e r, Lorenz : Die soziale Predigt bei P. H. D. Lacordaire
O. P. und W. E. Freiherr von Ketteier. Münster: Inaugural-Dis-
sertation. Buchdruckern „Sonntagsblatt" Temeschburg 1940. (109
S.) 8°.

Im ersten Teil („Die soziale Predigt bei Lacordaire
") werden die Inhalte der „Konferenz-Predigten"
Lacordaires unter die Überschriften gefaßt: 1. Die Notwendigkeit
der (katholischen) Kirche als Beschützerin
der sozialen Ordnung; 2. Der Einfluß des Christentums
und der Kirche auf die Gesellschaft; 3. Der Einfluß
der Kirche und des Christentums auf das Leben des Einzelnen
. Unter jeder Überschrift werden Zitate aus Lacordaires
„Konferenz-Predigten" gegeben, welche Zitate
durch einen verbindenden Text zu einer Abhandlung
Zirenners über die von Lacordaire behandelten Materien
gemacht werden. Man wird aber mit Recht anmerken
, daß Zitate und verbindender Text mehr unter
den Begriff „Apologetik" als unter den Begriff „Sozial"
fallen. Es folgt dann eine Abhandlung über die „for- :
mclle Seite der Predigt" Lacordaires. Lacordaire erscheint
hier als ein Vertreter der von Frayssinous ge- j
handhabten Art der „Konferenzpredigt", weiche Art sich ;
stark an außerhalb des kirchlichen Lebens stehende In- (
tellektuelle wendet, deshalb deutlich intellektualistisch
vorgeht und die Argumente vorzüglich der „Allgemeinen
Offenbarung" entnimmt (was Rom zu der Forderung t
veranlaßte, die Prediger dieser Art sollten „ihre Be- 1
weise nicht nur aus dem Bereiche der natürlichen Wissens
- und Erfahrungsgebiete" nehmen, „sondern auch
aus der Offenbarung"). Für uns ist ja das keine Predigt
, sondern ein Vortrag, was Zirenner „Konferenz-
Predigt" nennt, und zwar ein apologetischer Vortrag
zugunsten der katholischen Kirche. Mit Recht sagte man
deshalb „Konferenz-Reden". Auch Zirenner scheint im ■,
Grunde, wenn auch mit anderer Formulierung, ähn- j
lieh zu denken (S. 3bf.; 41). Hier hätte unbedingt untersucht
werden müssen, wie sich diese „Konferenz-Predigt" j
zu den Forderungen verhält, welche die strengeren katno- i
lischen Homiletiker des Mittelalters und der Neuzeit an i
eine „Predigt" stellen. Auch wäre man dankbar für
einen Überblick über die Geschichte der „Konferenz-
Rede" (Frayssinous — Ravignan etc.).

Der zweite Teil ist Ketteier gewidmet. Verfasser
beweist gewiß, daß Ketteier schon als Kaplan von
Beckum, dann als Pfarrer von Hopsten, erst recht als |
Bischof von Mainz sich zu den Armen gesandt wußte,
Sozial dachte und lebte er immer. Aber davon, daß nun :
gerade die Predigten Kettelers sozial waren, erhält man
bei Zirenner keinen entscheidenden Eindruck; abgesehen
von den sechs Predigten über die großen sozialen Fra- ;
gen. Der sozialen Note Kettelers scheint man eher ge- !
recht werden zu können, wenn man ein Lebensbild des
großen Bischofs entwirft (und Zirenner kommt in diesem
und im nächsten Abschnitt immer wieder auf die |
Bahn der Biographie!), als wenn man den Inhalt seiner j
Predigten analysiert. Im übrigen muß man Vigener
recht geben: Die Predigten Kettelers sind nicht eigent- i
lieh „Predigten", und ihre „soziale" Art besteht im i
Seelsorgerlichen: es wird auf Umänderung der Gesinnung
gedrungen und alles Soziale auf das Religiöse

zurückgeführt. Zirenner polemisiert ja gegen Vigener, aber
S. 78—80 gibt er ihm eigentlich Recht, und S. 81 nennt
Zirenner die Predigttätigkeit Kettelers „einen neuen Typ
von Apologetik". Auch hier hätte Zirenner Klarheit
geschafft, wenn er den strengeren katholischen Predigtbegriff
zum Maßstab gemacht hätte; denn es handelt
sich ja doch um eine Studie zur Homiletik.

Der dritte Teil soll „das Gemeinsame bei Lacordaire
und Ketteier" bringen. Hier ergibt sich Zirenner dem
Psychologisch-Biographischen, das sein Element sein
dürfte. Und hier tritt das soziale Moment sowohl bei
Lacordaire als nun auch bei Ketteier deutlich zutage.
Bei Lacordaire kann Zirenner wieder mit Zitaten aus den
Konferenz-Reden arbeiten, bei Ketteier hingegen muß er
nach Briefen, Schriften und zu den Zeugnissen anderer
greifen.

Die „Einleitung" befriedigt nicht. Hier hüte für Frankreich
Merklcs Aufsatz „Die Anfange französischer Laientheologie im
19. Jahrhundert" (in der Festschrift für Karl Muth 1927 „Wiederbegegnung
von Kirche und Kultur in Deutschland") einen Weg
bahnen können; für Deutschland die Schriften Philipp Funks; für
die ,,Tübinger katholische Schule" Karl Adams Aufsatz im Hochland
Band XXIV (wo Adam ausdrücklich die von Zirenner wieder
aufgestellte Behauptung zurückweist, das Besondere jener Schule
sei in der Pflege der historischen Theologie ausschließlich zu
suchen). Im übrigen: nicht die Universität Dillingen wurde von
Ludwig I. nach München verlegt, sondern die Universität l.ands-
hurt, welche vorher in Ingolstadt gewesen war. — Die „Historiscli-
Poliltischen Blätter" begründete Guido von Oörres, der Sohn Josephs
. — S. 47, 48 und 50 Stehen Sätze, welche in der deutschen
Sprache unmöglich sind. — Manche merkwürdigen französischen
Accenite seien dem Verfasser verzielten. Aber was soll ein Satz
wie dieser: „Selbst der Qießener Professor Vigener bekennt"? Und
wenn Zirenner beifällig Lacordaires Äußerung zitiert (S. 31), der
Protestantismus hätte seit 300 Jahren zwar unter den Seinigen
ehrbare und fromme Menschen gehallt, es aber nicht gewagt, das
Leben seiner Heiligen zu schreiben — so appellieren wir von dem
Franzosen und Apologeten Lacordaire an den deutschen Theologen
Zirenner. Als solchen begrüßen wir den Schwaben aus Merzidorf
im Banait.

Berlin Leonhard Fendt

Mitteilungen

Am 5. September starb in Münster (Westf.) der Orientalist
Prof. Dr. Hubert Grimme, ord. Prof. der semitischen Sprachen
1889—1910 in Freiburg (Schweiz), seit 1910 in Münster. Orimme
war am 24. Januar 1864 als Sohn des liebenswürdigen sauerlän-
dischen Dichters Prof. Dr. Fr. W. Grimme in Paderborn geboren.
Aus zahlreichen und vielseitigen Publikationen des bis in seine letzten
Lebenstagc produktiven Gelehrten seien erwähnt: Mohammed, 2 Bände,
1892—95; Die weltgeschichtliche Bedeutung Arabiens: Mohammed,
1904; Der Koran, ausgewählt und im Metrum des Originals übertragen
, 1923; ferner seine (problematischen) Forschungen zu den Sinaiinschriften
, um deren Entzifferung und Deutung er sich durch viele
Jahre mehr als irgend ein anderer Gelehrter bemüht hat: Althebräische
Inschriften vom Sinai, 1923; Die Lösung des Sinaiproblems, 1026;
Die alltsinaitischcn Buchstabeninschriften, 1929; Altsiuaitische Forschungen
, 1937 (wozu noch mancherlei Aufsätze zu diesem Problcm-
kreis kommen). Grimme war auch an der alttestamcntlichen und
neutestamentüchen Wissenschaft innerlichst interessiert, was in seinen
Veröffentlichungen und auch in seiner akademischen Tätigkeit
zutage trat. Daß der Orientalist daneben auch ein Göschenbändchen
über die Plattdeutschen Mundarten (Sammlung Goeschen Nr. 461)
schrieb und schreiben konnte, ist bezeichnend für den Umfang seines
Gesichtskreises.

Münster J. H • t rat an n

Als Bernhard Reh m zu Beginn dieses Jahres zum zweiten Mal
ins Feld rückte, schrieb er mir am 17. Januar die halb scherzhaft
klingende Frage, ob es nun wohl ihm ebensowenig wie so vielen
andern, die vor ihm an diese Arbeit Hand gelegt hatten, gegönnt
sein solle, das Erscheinen seiner Ausgabe der Pscudoclementinen zu
erleben. Nun hat sich das, was nur ein spielender Gedanke zu sein
schien, in grausame Wirklichkeit gewandelt. Am 14. Juli ist Rchm
bei einem Sturmangriff nordwestlich von Kursk als Oberschütze
in einer Radfahrabteilung gefallen. Wenn ich ihm, dem jungen
Philologen, dem Oenerajredaktor des Münchener Thesaurus Latimi;,
liier in den Spalten der ThLZ. Worte des Abschieds zu widmen
aufgefordert wurde, so zeigt sich auch darin die schöne fruchtbare Ar-