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Ausgabe: | 1942 Nr. 12 |
Spalte: | 359-360 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Richter, Julius |
Titel/Untertitel: | Hölderlins Christusmythus und die deutsche Gegenwart 1942 |
Rezensent: | Knevels, Wilhelm |
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359 Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 12 360
tum genügend, denn es ist in seinem wesentlichen Oe- der Umnachtung entstanden sind und deren Spuren
halt nicht irrational und nicht widervernünftig" (S. 158); schon deutlich an sich tragen. Es darf allerdings nicht
lobt er doch Lüdemann als einen „Theologen, der den übersehen werden, daß auch der frühere Panentheis-
Weg zum Qott des Christentums nicht über die Offen- mus Hölderlins durch Christus, ohne daß dieser genannt
barungsgesehichte sucht, sondern über das religiöse Er- wird, bzw. durch die Christusreligion beeinflußt ist
leben" (S. 165). K.s Jesusbild nennt der Verf. selbst I (die zentrale Bedeutung der Liebe!),
„blutleer und lebensfern". Dem widerspricht freilich das Wer schreibt uns die große Untersuchung über:
Schlußkapitel über K. und die heutige Theologie, das Griechentum, Christentum und Deutschtum bei Hölder-
zwar K. viel zu nahe an die dialektische Theologie heran- Hn?
rückt — beide würden sich das verbitten —, aber klar So können wir, ohne die Bedeutung Christi für den
erweist, wie lebhaft K. in der gegenwärtigen Diskussion späteren Hölderlin so hoch wie Richter einzuschätzen,
noch angesprochen wird, ja, wie wertvoll seine Theologie dennoch mit geringen Abwandlungen dem zustimmen,
auch für die Zukunft zu sein verspricht. Erfreulich ist, was Richter als Bedeutung des Christusbildes oder viel-
daß Schär sich mit dieser Theologie so eingehend be- mehr der Gesamtreligiosität Hölderlins für die Gegen-
schäftigt, wenn er auch die Tür zu ihr verschließen möch- wart herausstellt: Verbindung griechischer (bzw. germa-
te. Etwas jugendlich mutet es an, wenn er zur Charak- ; nischer) Vorstellungswelten mit Christus (nicht bloß
teristik Kählerscher Theologie mit Worten nicht spart i israelitisch-jüdischer), Übersetzung biblischer Vorstellun-
wie: Bedenkenlose Aufstellung von Behauptungen, krum- gen in die Sprache der Gegenwart, Anerkennung des
me Wege, Verlegenheitsauswege, mangelnde Logik, Feh- Gotterlebens außerhalb des biblisch-kirchlichen Bereiches,
len der notwendigen Gründlichkeit und Klarheit. — Man : vor allem der religiösen Naturbezichung, Verknüpfung
darf auf die Aufstellungen seiner eigenen Theologie ge- j des vaterländischen Elementes mit dem Religiösen und,
Spannt sein. mit einer Einschränkung: Verbindung (statt Auseinander-
lireslau O. Zänker rcißung) der natürlichen Liebe in Welt und Menschheit
und der Liebe, die Christus offenbart hat.
Ri chter, Julius: Hölderlins Christusmythus und die deutsche In der heutigen Hölderlin-Renaissance leistet die
Gegenwart. München: Reinhardt 1041. (51 S.) «r. 8°. RM 1.40. j Schrift Richters wichtige Dienste.
Der von Richter vorausgeschickten Erklärung des Be- i Breslau Wilhelm Knevel«
griffs Mythus als „Auffassung und zugleich Deutung
von eindrucksvollen Geschehnissen, Gestalten oder Mäch- j .™IC„„„
ten der Wirklichkeit, deren letzte Tiefe für menschliches IJKAK1 ISCHL 1 HLOL()(,IL
Erkennen ein Geheimnis bleibt" (S. 3) vermag ich nicht
zuzustimmen. Doch ist meine abweichende Auffassung
hinsichtlich „Mythus" für die vorliegende Schrift unerheblich
. Richter stellt die Entwicklung der Religiosität
Esterhues, Josef: Allgemeine Unterrichtslehre für den elementaren
Religionsunterricht. Paderborn: Schöningh (1941).
(144 S.) 8°. Kart. RM 2.80.
Hölderlins dar und schildert seine kurz vor der Umnach- ; Die Schrift des katholischen Verfassers ist bei aller
tung hervorgetretene Christusbeziehung, von der seine | Kurze eine recht wertvolle Einführung m die Aufgaben
letzten dichterischen Schöpfungen zeugen. Mit sehr Ida- I des Religionsunterrichts und kann auch dem evangeh-
ren Worten ist der aus der Verehrung der Gotteskräfte sehen Lehrer oder Theologen manche Anregung geben,
in der Natur geborene, von Herzens- und Gemütskräften | E. geht aus von der Tatsache, daß „der Religions-
erfüllte und auf die Liebe als Weltprinzip ausgerichtete ! Unterricht, soweit das Wirken menschlicher Kräfte in
Panentheismus Hölderlins umrissen. Bei den Griechen Frage kommt, Unterricht wie auch jeder andere ist",
fand Hölderlin eine Nähe des Göttlichen wie sonst nir- j und sich deshalb auch an die allgemeinen Grundsätze
gends in der Weltgeschichte, und auf allen religiösen und Formen des Unterrichts zu halten hat. Diese stellt
Höhepunkten seines Schaffens erscheinen bei ihm die I er, ohne wesentlich Neues sagen zu .wollen, in kurzer
griechischen Götter und Heroen. Zum Schluß aber ge- i ""d schöner Zusammenfassung dar. Er beginnt mit
winnt 'Christus für ihn steigende Bedeutung. Alle dar- | einer Schilderung des Religionslehrers selbst und der
auf hinweisenden Stellen in Hölderlins Dichtungen be- I für ihn notwendigen Haltung als Voraussetzung seiner
spricht Richter ausführlich. Daß in der Empedoklesdieh- Arbeit — ein besonders schöner Abschnitt des Buches,
tung überall die Christusgestalt durchschimmert, und Dann gibt er einen kurzen Überblick über die Entwick-
zvvar in den verschiedenen Fassungen der Dichtung mit ! 'ungr des Kindes und zuletzt stellt er die Grundvorgänge
zunehmender Stärke, ist deutlich erkennbar. Christus i des Unterrichts dar. Alles ist knapp, klar, thesenhaft
selbst besingt er in den Christushymnen, die man ja
heute vielfach als seine tiefsten und gewaltigsten Schöpfungen
ansieht. Hier ist das Christusbild mit der griechischen
Götterwelt und mit dem All-Einheits-Gedanken
zusammengefaßt und wirklich wegweisend für die praktische
Arbeit.
Für die Lage des katholischen Religionsunterrichts
kennzeichnend ist es, daß der Verfasser sicli naheverbunden
. Es scheint mir aber doch e i n geordnet, ' zu völlig auf die Darstellung des praktischen Lehrver-
ja angepaßt und nicht übergeordnet und ausschlag- ! fahrens beschränken kann (Stufen der Anschauung,
gebend zu sein. Letztere Ansicht vertritt Richter, und j des Durchdenkens, der Anwendung - beobachtende,
er kann dafür natürlich manches anführen, was Holder- vortragende, erklärende und entwickelnde Lehrform),
lin über den „geliebtesten" der Götter sagt. Das darf ' Inhaltliche Darlegungen etwa über die Bedeutung des
aber doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß Hölderlin j Alten Testaments, Auffassung der Person Jesu usw.
die Christusgestalt in seine bisherige religiöse Welt hin- erübrigen sich, da alle dahingehenden Fragen durch die
einnahm, ohne diese religiöse Welt umgestalten zu las- ! Autorität der Kirche entschieden werden. Hierum aber
sen, welch letzteres die Folge eines starken Christuser- geht in der evangelischen Kirche gerade die entscheiden-
lebnisscs gewesen wäre. Wenn die modernen Verehrer de Auseinandersetzung.
Hölderlins seinen Panentheismus annehmen, nicht aber ! Zum anderen kennzeichnet den katholischen Reli-
seine Beziehung zu Jesus Christus, so haben sie darin j gionsunterricht, daß er weit mehr als der evangelische im
gar nicht unrecht. Zwar wurde ohne Zweifel im Herzen Anschaulichen, Gegenständlichen und in der Erfahrung
des späteren Hölderlin eine Beziehung zu Jesus lebendig j der Kirche gegründet ist. Die kirchlichen Symbole, heili-
oder wieder lebendig. Aber er ließ sich dadurch in keiner ge Stätten und Handlungen, die kirchliche Sitte und das
Weise bestimmen. Er fügte die Gestalt Christi sei- , Beispiel der Heiligen geben tausend Möglichkeiten, das
nem antiken Götterhimmel ein und schuf ein Nebenein- Kind von immer neuen Seiten her an den Glauben heranander
, das dichterisch eindrucksvoll sein mag, wcltan- ! zuführen und ihn im Leben zu verankern. Hier ist der
schaulich und religiös aber nicht haltbar ist. Man muß • evangelische Religionsunterricht sehr viel ärmer an Mit-
auch bedenken, daß die Christushymnen unmittelbar vor | teln.