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Ausgabe:

1942 Nr. 12

Spalte:

352-353

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Schnürer, Gustav

Titel/Untertitel:

Katholische Kirche und Kultur im achtzehnten Jahrhundert 1942

Rezensent:

Mulert, Hermann

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351 Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 12 352

Die Theologen der französischen Schweiz, mit den Maurice Goguel mit seiner fünfbändigen, netitestament-

Glaubensgenossen in Frankreich eHg~verbunden, sind liehen Einleitung und seinem Leben Jesu der Höhepunkt

hier nicht berücksichtigt. So wird man bekannte Namen der gegenwärtigen Entwicklung. Dank den Vorlesungen,

wie Vinet, Ch. Secretan, Einest Naville, Auguste Bouvier, die mehrere neuere Theologen am College de France,

Jules Bovon, Paul Chapuis, I. F. Astie, Ph. Bridel, also außerhalb der Fakultät, hielten und die man dort

Henri Du Bois vergeblich suchen. Aber diese Beschrän- als religionsgeschichtliche bezeichnet, ist ihnen nicht nur

kung hat auch ihr Gutes, denn die Entwicklung in Frank- ein weiter Zuhörerkreis aus der ganzen akademischen

reich ging doch, zum Teil unter politischen "Einflüssen, Welt gesichert, sondern auch die Möglichkeit zu solchen

oft ihre eigene Wege. Publikationen großen Stils gegeben.

Das hier entworfene Gesamtbild macht vielleicht auf Auffallen muß auch hier wieder der geringe Emden
deutschen Theologen zunächst den Eindruck man- fluß der englischen Theologie auf die französische. Zwar
gelnder Originalität. Doch es war von jeher die Cha- wurde die Erweckungsbewegung der Dreißiger Jahre
rakteristik der französischen Theologie, von deutscher praktisch sehr stark von England inspiriert, aber nur die
Forschung und deutschem Denken zwar stark abhängig freisinnige Theologie verdankt den Amerikanern Chan-
zu sein, aber doch in ihrer Umgestaltung, Zusammen- »mg und Parker wirkliche Förderung,
fassung und geschmackvollen Darstellung viel Neues | Der eigene Standpunkt des Verfassers tritt zwar
und Wertvolles zu bieten. Das geht auch aus Rochats deutlich, aber nirgends aufdringlich hervor und sein
gewissenhafter, objektiver und sorgfältiger Darstellung Bemühen gerechter Wertung der verschiedensten Auf-
hervor. fassungen ist unverkennbar. Das Buch schließt mit einer

Der Verfasser berücksichtigt sowohl die Stellung der klugen Darstellung der Hauptcharakterzüge der franzö-

Koirfession im Staat, die Zusammensetzung der Fakul- sischeu kritischen Theologie.

täten, die zwei Hauptrichtungen des theologischen Den- Vielleicht läßt sich Professor Rochat durch die dank-

kens, als auch die einzelnen Charakterköpfe des franzö- bare Anerkennung seiner Geschichte der theologischen

sischen Protestantismus. Er hält somit die Mitte zwi- Entwicklung zur Bearbeitung des schweizerischen

sehen biographischer und sachlicher Darstellung, was Seitenstückes seiner schönen Arbeit bestimmen. Auch

zwar unvermeidliche Ungleichheiten in der Schilderung hier fehlt uns noch die kundige Zusammenfassung einer

der Entwicklung schafft, aber einer rein persönlichen bedeutenden theologischen Produktion, die noch nicht

oder ausschließlich sachlichen Behandlung des Stoffes die verdiente Würdigung gefunden hat.

Vorzuziehen ist. Territet-Montreux Eduard PI «tl hat f- LC j t B n«

Unter den für das kleine Gebiet des französischen
Protestantismus so zahlreichen schriftstellernden Theo- Schnür er, Gustav: Katholische Kirche und Kultur im 18. Jahrlogen
verdienten die bedeutendsten, auch wenn sie nicht hundert. Paderborn: Ferdinand Schöningh 1941. (XVI, 455 S.)
alle außerhalb der Welt der Fachgenossen zu Ansehen tf- 8* RM 6.90; eck RM 8.40.
gelangten, die vom Verfasser ihnen geschenkte liebevolle Wenn die Kultur des 1S. Jahrhunderts in den meisten
und eingehende Behandlung. Es liegt wohl in der Natur , Ländern Europas mehr und mehr von der Aufklärung
der Sache, nicht nur in der geistigen Bedeutung der bestimmt wurde, ist das Verhältnis des Katholizismus zu
Einzelnen, daß die kritischen und fortschrittlichen Gei- dieser das eigentliche Thema des Buches. In jedem Falle
ster die bedeutenderen waren. Gewiß sind Männer wie bringt der Vf. eine Fülle von Material, das dem deut-
Louis Gaussen und Cesar Malan, Adolphe Monod und , sehen Protestanten sonst schwer zugänglich ist, beson-
Edm. de Pressense charakteristische Vertreter der Or- ders über viele italienische und spanische Kirchenleute
thodoxie und des Pietismus, aber ihre Produktivität jener Zeit. Auch steht Schnürer der katholischen Kirche
konnte sich doch nicht mit der hervorragenden Gruppe des 18. Jhd.s nicht unkritisch gegenüber, so dem, daß
unabhängiger und kühner Männer messen, die in der die Kirche zunächst den Geist der Aufklärung mit den
„Revue de Strasbourg" (1850 —69) sich begegneten, Mitteln staatlicher Polizei zu hemmen suchte, daß sie in
deren Bedeutung für die Neuorientierung der französi- Frankreich und Spanien zu viele Diener und zu reichen
sehen Theologie nicht hoch genug eingeschätzt werden Besitz hatte (in Frankreich schwanken die Schätzungen
kann. Hier fanden sich Männer wie Timothee Colani, zwischen 1 3 und Vj alles Grundbesitzes, in Spanien gab
Eduard Reuß, das wichtigste Bindeglied zwischen deut- es 130 000 geistliche Personen), daß auf ihren Bildungs-
scher und französischer Theologie, sowie Edmond Sehe- anstalteu Naturwissenschaft und Geschichte lange über-
rer und Albert Reville zusammen, während die könser- haupt keinen Platz fanden. Und er vermutet nicht übel,
vativer Gerichteten, Charles Secretan, Jean Monod, für die Jesuiten sei es geradezu günstig gewesen, daß
Jalaguier, R. Hollard und der aus der Erweckungsbe- ihr Orden schon vor den Stürmen der Revolution aufge-
wegung so bekannte, aus Leipzig stammende Lutteroth löst worden war. Nach drei Abschnitten allgemeineren
mehr und mehr sich zurückzogen, so daß die Zeitschrift Inhalts (Staatskirchentum, Anfänge des Unglaubens, Sä-
eine ausgesprochene kritische und radikale Richtung kularisierung der Kultur) behandelt er Deutschland, Itanahm
, iien, Spanien, Frankreich. Daß wir so von Polen, Un-

In getrennten Kapiteln behandelt Rochat die Stellung garn. Portugal, Irland kaum hören, mag ertragen werden,

zur Inspirationsfrage, zu dem synoptischen und johan- Und daß in Frankreich das Wiederaufleben des Katholi-

neischen Problem, zum Alten Testament und den Epi- zismus durch Chateaubriand und Andere wesentlich des-

steln. Die Dogmatik der dargestellten Perioden grup- halb ein Echo in weiteren Kreisen fand, weil die Fröm-

piert er bis 1858 unter die Stichworte Glaube, Heil, migkeit des Landvolks z.T. echt und treu war und weil

Sünde, Wunder, Christologie, und für die neuere Zeit es der Kirche in der Revolution nicht an Märtyrern

steht die Lehre vom Sündenfall, die Christologie und fehlte, wird richtig sein. Doch vermißt man bei aller
das Apostolicum im Vordergrund. Ein besonderer Ab- I Menge von Einzelangaben einen eindringenderen und

schnitt ist mit Recht den vier Darstellungen des Lebens ausführlicheren Versuch, den Geist der Aufklärung in

Je^u von Renan, de Pressense, A. Reville und Stapfer seinem relativen Recht, in seinem Gegensatz zur Tradi-

gewidmet. ' tion zu verstehen und zu würdigen.

Zu den hervorragendsten Gestalten Und Führern in Einige Urteile bewegen sich zu sehr im landläufigen katholischen
der theologischen Entwicklung Frankreichs ist Auguste 1 Scllema: »aIle Bischöfe" (in Frankreich vor der Revolution) „waren

Salutier zu zählen, dessen Apostel Paulus, Philosophie 1 <>.läl?blg ^ a"f ßan7 weni*f Au*"ah'»en" .<s- *")• Ott Name Hoch-

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1 Esprit drei Standardwerke sind, die unvergessen blei- , die Spinoza auf dcutsche Protest,Iltcn zu Anfang des 18. Jahrhunderts

ben. Felix Pecaut ist der radikalste Systematiker; er j gehabt habe, wird überschätzt. Unter der reichlich angeführten Li-
ging dann zur Pädagogik Über. In neuester Zeit ist | teratur fehlten Troeltschs Arbeiten zur Oeistesgeschichte der Neuzeit